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Von Links & Rechts in der Liebe

01.07.2024 um 11:00, Cornelia Scheucher
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Brücken bauen.
Frauen werden
immer liberaler,
Männer immer
konservativer.
Wie wirkt sich das
auf Beziehungen aus?

Die Ergebnisse der diesjährigen EU-Wahl lassen aufhorchen: In ganz -Europa gibt es einen Rechtsruck. Und es sind nicht nur die älteren -Generationen, die Parteien wie der FPÖ oder der AfD ein Kreuzerl gaben. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Sora wählten bei der Europawahl 2019 rund 17 Prozent der unter 30-Jährigen die FPÖ. 2024 waren es schon 19 Prozent. Linke Parteien wie die Grünen bekamen dafür -einen -regelrechten Dämpfer: Waren es 2019 noch um die 28 Prozent, ist die Zahl nun auf magere zwölf Prozent abgerutscht.

Zurück in alte Muster. Dabei sind es vor allem junge Männer, die wieder vermehrt konservative Wege einschlagen und sich demnach auch politisch in diese Richtung orientieren. Sie schätzen traditionelle Werte und fallen zurück in veraltete Rollenmuster: der Mann als Versorger, die Frau als Versorgte. Junge Frauen wiederum werden zunehmend liberaler, scheuen sich nicht davor, auf Ungleichheiten hinzuweisen und ihre Rechte einzufordern. 

Negativer Begriff. Das zeigt sich auch in zahlreichen Umfragen. 2023 führte das Marktforschungs-unternehmen Ipsos eine Studie zum Thema „Feminismus“ durch. Nur 29  Prozent der Männer in Österreich bezeichnen sich als Feministen, bei den Frauen waren es hingegen 39 Prozent. Was zeigt: Der Begriff ist nach wie vor negativ konnotiert und schürt Ängste. Vor allem Männer sehen in puncto Gleichberechtigung eine Verschlechterung für ihr eigenes Geschlecht. Laut derselben Studie ist knapp die Hälfte der befragten Männer der Meinung, dass sie durch die Gleichstellung der Frau benachteiligt werden. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Der Feminismus eröffnet auch Männern neue Chancen, sorgt für mehr Akzeptanz auf beiden Seiten und somit in der Folge auch für ein glücklicheres und selbstbestimmteres Leben. 

Inwiefern wirkt sich die politische Kluft auf das Dating-Leben junger Menschen aus?
Junge Frauen wissen immer genauer, was sie wollen und was nicht und lassen sich dementsprechend nicht mehr so leicht auf Beziehungen wie früher ein. Junge Männer hingegen fühlen sich oft orientierungslos und wissen nicht, wie sie sich zu verhalten haben. Gerade im Flirt-Kontext kann das irritieren. Sie wollen nicht übergriffig wirken und einen respektvollen Umgang pflegen, haben aber oft keine Ahnung, wie das zu handhaben ist. 

 

Wie kann man jungen Männern diese Angst nehmen?
Indem man ihnen einen Platz gibt, wo sie sich sicher fühlen. Viele -junge Männer haben diesen nicht und fühlen sich dadurch allein. Auch der Begriff „Mann“ hat in den vergangenen Jahren einiges an Abwertung erfahren. Das sorgt für Angst und Unsicherheiten und dahin gehend zu gefährlichen Gegenbewegungen wie Andrew Tate. 

Der Feminismus wird von vielen Männern nach wie vor als Feind angesehen: Wie könnte das verändert werden?
Männer dürfen nicht das Gefühl haben, dass ihnen etwas weggenommen wird, dass sie sich anpassen oder aufpassen müssen. Erst wenn das in den Köpfen unserer Gesellschaft verankert ist, kann der Feminismus seine Früchte tragen. 

 

Können die gegensätzlichen -politischen Fronten auch als Chance angesehen werden?
Natürlich, denn beim Reden kommen die Leute zusammen. Man kann Meinungen austauschen und die eigene hinterfragen. Vielleicht lernen wir so auch wieder, auf einer respektvollen Basis zu kommunizieren.

Gefährliche Vorbilder. Doch statt maßgebend an einer positiven Veränderung mitzuwirken, rudern viele lieber zurück. Woran liegt das? „Das Thema ‚Emanzipation‘ wird seit Jahren großgeschrieben und viele junge Männer haben dadurch das Gefühl, auf der Strecke zu bleiben. Sie wissen nicht, wo ihr Platz ist und das sorgt für Unsicherheiten“, erklärt die -psychologische Beraterin Caro-line Hehenberger. Und wo Angst ist, haben Hass und Hetze ein leichtes Spiel. Traurige Beispiele dafür sind Präsidentschaftskandidat Donald Trump sowie Unternehmer und Ex-Kickboxer Andrew Tate. Letzterer nennt sich selbst „König der toxischen Maskulinität“ und bezeichnet Frauen als Eigentum der Männer. Selbst eine Inhaftierung in -Rumänien und der Vorwurf der -Vergewaltigung, des Menschenhandels und der organisierten Kriminalität können der Popularität von Tate anscheinend wenig anhaben. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte britische Studie zeigt, dass jeder fünfte Mann im Alter zwischen 16 und 29 Jahren eine positive Einstellung gegenüber dem 37-Jährigen hat. 

Generation „Beziehungslos“. Was zu einer anderen Frage führt: Nämlich inwieweit sich diese Kluft auch auf das Beziehungsleben auswirkt? Und eine moments-Leserumfrage* zeigt: Gerade die Generation zwischen 20 und 30 legt einen großen Wert auf eine ähnlich politische Gesinnung. Für viele liberale Frauen ist ein Partner im konservativ-rechten Spektrum ein absolutes No-Go, dasselbe gilt auch umgekehrt. Könnte das zukünftig zu Problemen führen? In Südkorea, in der die politische Kluft laut „Financial Times“ mit rund 50 Prozent am größten ist, zeigen sich bereits erste Tendenzen. Die Heirats- und Geburtenrate ist stark gesunken, die koreanische Gesellschaft gilt als gespalten. „Korea ist eine extreme Situation, aber sie dient als Warnung für andere Länder, was passieren kann, wenn junge -Männer und Frauen sich unterschiedlich entwickeln“, reagierte „Financial Times“-
Autor John Burn-Murdoch auf die Zahlen. Auch in den USA, in Großbritannien und in Deutschland -zeigen sich extreme Unterschiede zwischen den Geschlechtern. 

Der Mann mit Eigenschaften. Doch ganz so düster ist die Zukunft dann doch nicht. Solange richtig reagiert wird. „Was es heißt, ein Mann zu sein, wird gerade ganz neu definiert. Dementsprechend braucht es ein Auffangbecken für junge Männer und mehr positive Vorbilder, an denen sie sich orientieren können“, sagt Caroline Hehenberger. „Der neue Mann darf Emotionen zeigen und sanfte Seiten haben. Das ist nach wie vor nicht mit dem klassischen Rollenbild vereinbar und sorgt für Verwirrung“, so die Expertin -weiter. Wichtig ist es, der jungen Gene-ration richtungsweisende Impulse zu geben. Und gleichzeitig das Gefühl, dass sie mit ihren Sorgen und Ängsten nicht allein ist. Hehenberger: „Kommunikation ist und bleibt der Schlüssel. So können verhärtete Fronten aufgeweicht werden.“ Denn selbst über den tiefsten Schluchten können Brücken gebaut werden.

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