Vera Gemma - Aus dem Schatten
Wir sind Veras Einladung zu ihr nach Hause in Roms Künstlerviertel Trastevere gefolgt und begegnen einer Frau, die mit bemerkenswerter Ehrlichkeit der Welt nichts beweisen möchte und keine Trennlinie zwischen Kunst und Wirklichkeit zieht.
Vera, wie hat sich Dein Leben verändert, seit Du den renommierten Darstellerpreis bei den Filmfestpielen in Venedig vor über einem Jahr erhalten hast?
Ich bin überglücklich, als ernsthafte Schauspielerin wahrgenommen zu werden. Über die Jahre habe ich zwar im Metier gearbeitet – im Kino unter der Regie renommierter Regisseure in kleinen Rollen – oder im Theater in von mir selbst geschriebenen Stücken, ich stand aber auch als Stripperin in Los Angeles im berühmten Body Shop auf der Bühne. In Italien habe ich vor nicht allzu langer Zeit im Zirkus als Dompteurin mit Wildkatzen gearbeitet. Damit habe ich aufgehört, als mein Sohn Maximus alt genug war, sich in der Manege um mich Sorgen zu machen. Ich bleibe dem Zirkus, wie schon mein Vater, sehr verbunden und habe selbst gerade einen Dokumentarfilm vorbereitet, als ich Tizza Covi und Rainer Frimmel im Zirkuszelt begegnet bin. Viele Filme der beiden erzählen von dieser Welt und so war der Zirkus unser Schicksal.
Wie war es, Dich selbst zu spielen?
Das ist mir nicht neu. Meine Gefühle von Schmerz bis Scham mussten dem Film zur Verfügung stehen; dabei durfte ich nicht eitel sein oder versuchen, als gute Schauspielerin wahrgenommen zu werden. In „VERA“ ist alles zu sehen, was an ganz unterschiedlichen Zeitpunkten in meinem Leben zuvor bereits geschehen war. Trotzdem ist er keine Dokumen-tation, sondern ein fiktionales Werk in seiner reinsten Form – er entstammt einer Begegnung und dem Interesse der Filmemacher an mir.
Du bist das Kind eines der größten Filmstars Italiens. Wie hat das Deinen Blick auf Prominente und den Ruhm ganz allgemein geprägt?
In den 1980ern gaben meine Eltern jeden Sonntag einen Lunch in ihrer Villa und alle großen Stars kamen. Mir ist als Kind aufgefallen, dass diese überirdisch schönen Filmdiven fast immer mit Filmproduzenten als Ehemännern auftauchten, zu denen sie offensichtlich keine Liebesbeziehung hatten. Die teilweise unschönen Szenen haben mir früh einen realistischen Blick auf Macht- und Geschlechterverhältnisse ermöglicht.
Was möchtest Du Deinem Sohn heute mitgeben?
Zuallererst, dass ich nicht unsterblich bin, er mich aber trotzdem nie ganz los sein wird (…lacht). Ich werde in seinen Albträumen auftauchen und sichergehen, dass er niemals aufgibt – auch wenn sein Weg vielleicht nicht geradlinig verlaufen sollte, so wie es auch mir passiert ist.
Was bedeutet Dir Freundschaft?
Ich habe nicht viele Freunde, aber eine gute Beziehung zu mir selbst. Als Tochter eines Prominenten weißt Du, dass sich Leute nicht immer Deiner selbst wegen für Dich interessieren. Meine wichtigste Freundin ist Asia Argento, die wie eine Schwester für mich ist. Ich war bei ihr, als ihre Schwester verunglückte, sie war an meiner Seite, als meine Mutter und viele Jahre später mein Vater starb. Uns verbindet, trotzdem wir so unterschiedlich sind, viel – wir sind gemeinsam als Kinder berühmter Eltern aufgewachsen. Deshalb musste sie auch unbedingt in „VERA“ vorkommen – sie hatte zum Glück Zeit und wir haben eine wunderbare, komplett improvisierte Szene.
Der Film
VERA. Der biografisch gefärbte Kinofilm „VERA“ des italienisch-österreichischen Regie-Duos Tizza Covi und Rainer Frimmel erzählt die Geschichte der Tochter eines der schönsten Männer der italienischen Filmgeschichte, des Westernhelden Giuliano Gemma, kongenial im Stil des Neorealismo. Der Film wurde bei den Filmfestspielen von Venedig 2022 für Regie und beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet und avanciert seither weltweit zum Festivalhit.