Teneriffa: Wo sind wir hier gelandet?
Mit einem dünnen, magnetischen Stab werden die Kugeln behutsam aufgehoben. Bücken ist dazu nicht nötig. Eine Teilnehmerin poliert ihren Stab mit einem feinen Mikrofasertuch. Nach dem Ende jeder Runde, wird sorgfältig -natürlich mit Maßband - der Abstand zwischen den Kugeln gemessen. Deutsche Gründlichkeit par Excellence. Danach kommt der Rechen zum Einsatz, um den Sand wieder glatt zu streichen. Die sehr konzentrierten Damen und Herren spielen Boccia. Ein Spiel, bei dem man versucht, die eigenen Kugeln so zu werfen, dass sie möglichst nahe an der „kleinen“ Kugel liegenbleiben. Gefühlt in Zeitlupe, da das Durchschnittsalter bei allen Mitspielern jenseits der siebzig liegt.
Die Zufahrtsstraße ist geprägt durch Anschriften wie „Casa Barbara" oder „geprüfter Elektriker“ und den davorstehenden SUV. Die beinahe identischen Bungalows runden das authentische Bild ab. Die Tennisanlage, zu der wir gerade fahren, befindet sich in Los Realejos, einem Vorort von Puerto de la Cruz auf der spanischen Insel Teneriffa.
Obwohl wir natürlich ein sanftes „Hola“ als Begrüßung wählen, werden wir mit „Hallo“ begrüßt. „Jeden Dienstag: Kartoffelpuffer-Nimmersatt“ lesen wir auf einem schwarzen Schild am Eingang. Der gepflegte Rasen und der hell-blaue Pool überraschen uns dann auch nicht mehr. Am Weg zu den Tennisplätzen sieht man riesige Werbeplanen, auf denen „Deutsche Arztpraxis“ oder „Krombacher“ zu sehen ist. Rundherum Bananenplantagen, vor uns das Meer. Der Kontrast könnte nicht größer sein.
Tausende deutsche Senioren zieht es vor allem zwischen Oktober und April nach Teneriffa. Den milden Temperaturen und den relativ niedrigen Preisen geschuldet.
Bei einem guten Wurf tönt es von den in weißen Plastiksesseln sitzenden Senioren ein lautes „Wooo“, mit anschließendem „Der war ja gut.“ Unter dem Dutzend deutscher „Überwinterer“, wie uns der Besitzer der Tennisanlage zuvor erzählt hatte, sind auch zwei Spanier. Entweder sind sie wirklich befreundet oder wollten Unterhaltung - so wie wir.
Hin und wieder wird spanisch gesprochen – zumindest versucht.
Nach unserer eigenen Tenniseinheit schnappen wir uns auch zwei weiße Plastiksessel und positionieren uns vorsichtig im Hintergrund. Das bleibt lange unbemerkt. Erst als der bestellte Cava (spanischer Schaumwein) für die Teilnehmer der Runde kommt, werden wir wahrgenommen. „Die gehören ja nicht dazu“, ruft uns eine schick gekleidete Dame entgegen. „Das war natürlich ein Spaß“, folgt ein paar Sekunden später von derselben Dame. Unser Grinsen bekommen wir für eine Weile nicht mehr los. Die letzte Runde wird feierlich abgeklatscht - dann wird angestoßen. "Miguel! Miguel! Brinda con nosotros!"
Wir beobachten das Geschehen noch für ein paar Minuten, während wir unseren Tropical Radler trinken. Wenn wir wollen, können wir nächsten Freitag auch mitspielen, wird uns gesagt. 14,50 Euro inklusive Essen kostet die Teilnahme. Wir müssten uns davor aber anmelden, damit alles organisiert werden kann.
Wir bleiben dann noch lieber wieder in Spanien.
Zum Autor
Reisen ist die Leidenschaft von "Passion Author" Pascal Moser. In seinen Beiträgen für www.weekend.at lässt uns der Salzburger an seinen Eindrücken "on tour" teilhaben und verrät dabei den einen oder anderen Tipp.