Buchtipp: "Unsichtbare Frauen" von Caroline Criado-Perez
Sicherheitsdummys sind männlich, weswegen Frauen bei Unfällen stärkeren Verletzungsrisiken ausgesetzt sind, die Temperatur im Büro empfinden Frauen oftmals als zu kühl, weil die Heizung auf männliche Normen eingestellt wird, und ein Herzinfarkt wird bei Frauen seltener rechtzeitig erkannt, weil die Symptome sich von denen der Männer unterscheiden. Caroline Criado-Perez zeigt in ihrem Buch „Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfe der Bevölkerung ignoriert“ eindrucksvoll, in wie vielen Lebensbereichen Frauen benachteiligt sind, und wie alltäglich und praxisnah sie diese Ungleichheiten zu spüren bekommen. Ein Buch, das zwar voller Zahlen und gut recherchierter Statistiken steckt, dabei aber nie trocken oder langatmig zu lesen ist.
Gender Date Gap
Die Autorin ist überzeugt: „Der Großteil der Menschheitsgeschichte ist eine einzige Datenlücke.“ Daten, die Frauen betreffen, wurden seit Anbeginn nie oder viel zu selten erhoben. Daraus ergeben sich blinde Flecken, die aufzuspüren alles andere als einfach sind. Denn wie findet man etwas, das nicht da ist? Doch genau auf diese Suche nach den Leerstellen hat sich die Journalistin Criado-Perez begeben und dabei Erstaunliches zu Tage befördert. Dabei unterstellt die Autorin den Männern keinesfalls Böswilligkeit. Vielmehr sei der Gender Date Gap ein Ergebnis eines seit Jahrtausenden vorherrschenden Denkens, bei denen der Mann als Maß aller Dinge gilt. Mit dieser Annahme steht sie keinesfalls alleine dar, auch Simone de Beauvoir war der Ansicht, dass der Mann „die Frau nicht als solche, sondern im Vergleich zu sich selbst“ definiert.
Frauen in einer datenbasierten Welt
Das Buch von Caroline Criado-Perez ist – auch wenn bereits im Jahr 2020 erschienen – von ungebrochener Aktualität, da wir in einer Welt leben, die immer stärker auf Daten ausgerichtet ist. Algorithmen, künstliche Intelligenz bei Arztbesuchen, Big Data. All diese Systeme basieren auf Daten, die in sie eingespeist wurden. Doch welche Auswirkungen hat das für Frauen, die in diesen Daten nicht oder viel zu wenig repräsentiert werden? In ihrem Buch „Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfe der Bevölkerung ignoriert“, das auch mit dem NDR Kultur Sachpreis ausgezeichnet wurde, geht Caroline Criado-Perez dieser Frage auf eindringliche und unterhaltsame Weise nach – und kann damit vielleicht einen kleinen Teil dazu beitragen, die Welt im nächsten Jahr etwas gerechter zu gestalten.
Zur Person
Die aus Südtirol stammende Schriftstellerin Isabel Folie ist Mitglied des intermedialen Kunstkollektiv Grauer Greif. Im Herbst 2021 ist ihr erster lyrischer Kurzprosa-Band "In meiner Mitte Kohle, in meinen Armen der Wind" erschienen. Als "Passion Author" für www.weekend.at schreibt sie regelmäßig über Frauen in der heutigen Gesellschaft.