Braucht es noch eine Frauenquote in Österreich?
Frauen machen mehr als 50 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, sind aber dennoch in zahlreichen Bereichen unterrepräsentiert. Um diesen Missstand zu verringern, wurde seit den 1980er-Jahren schrittweise in bestimmten Bereichen eine Frauenquote eingeführt. Diese Quote besagt, dass ein bestimmter Prozentsatz der Beschäftigten oder Mitglieder eines Gremiums Frauen sein müssen. Die Höhe der Frauenquote kann unterschiedlich gehandhabt werden, wesentlich ist dabei jedoch, dass der Anteil der Frauen mindestens 30 Prozent beträgt. Wieso? Weil Studien ergeben haben, dass Minderheiten in einer Gruppe erst dann eine Stimme bekommen, wenn ihr Anteil mindestens 30 Prozent beträgt.
Der Frauenanteil in Österreichs Politik
In Österreichs Parlament beträgt der Frauenanteil derzeit rund 40 Prozent. Eine offizielle Quotenregelung gibt es für das Parlament nicht, manche Parteien haben sich aber freiwillig dazu verpflichtet, eine Quote einzuführen. Umfasst ein Parlamentsklub mehr als 40 Prozent Frauen, bekommt der Klub zudem drei Prozent mehr Förderungen.
Was es in Österreich allerdings gibt, ist eine Frauenquote für den öffentlichen Dienst. Diese existiert seit 1993, 2012 wurde die Quote auf 50 Prozent erhöht. Somit soll garantiert sein, dass Frauen und Männer in den öffentlichen Diensten gleich stark repräsentiert sind.
Der Frauenanteil in Österreichs Wirtschaft
In Österreichs Wirtschaft sind die Frauen jedoch immer noch unterrepräsentiert. Der jüngste Bericht der Arbeiterkammer vom März 2022 zeigt: In Österreich sind derzeit nur 24,7 Prozent der Aufsichtsratsmandate der 200 umsatzstärksten Unternehmen von Frauen besetzt, und in der Geschäftsführung beträgt der Anteil der Frauen bloß 8,9 Prozent. Und das, obwohl in Österreich für neu bestellte Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent festgelegt wurde. Kann diese nicht eingehalten werden, gilt jedoch die "Leere-Stuhl-Regelung", was bedeutet, dass das Mandat unbesetzt bleiben muss.
Für staatsnahe Unternehmen gibt es eine eigene Regelung: Österreich hat sich 2020 dazu verpflichtet, den Frauenanteil in staatsnahen Unternehmen mit einer Frauenquote von 40 Prozent festzulegen. Der Haken an der Sache: Die Quote gilt nur für die Aufsichtsratsmitglieder, die aus dem Bundesministerium entsandt werden, nicht aber für den gesamten Aufsichtsrat.
Der Frauenanteil in der Kunst
Der Kunstbetrieb ist seit jeher eine Männerdomäne. Kein Wunder, dass der hohe Frauenanteil der 59. Biennale derzeit in aller Munde ist. Bereits 1984 bemerkte die in den USA agierende Gruppe „Guerilla Girls" anlässlich einer Ausstellung des MoMa in New York, dass von den 169 ausgestellten Künstlern nur 13 weiblich waren. Das gab den Guerilla Girls Anlass, genauer hinzusehen und herauszufinden: In den 1980er-Jahren waren in den Kunstmuseen in New York nur fünf Prozent der ausgestellten Künstler weiblich. Allerdings waren 85 Prozent der auf Bildern oder in Form von Skulpturen dargestellten nackten Körper weiblich. Die Frage, die sie daraus ergab? Muss man als Frau denn nackt sein, um in Museen ausgestellt zu werden?
Es gibt aufgrund der ungleichen Verteilung von Frauen und Männern immer mehr Tendenzen, auch in Museen eine Frauenquote zu fordern. Dies könnte in staatlichen Museen umgesetzt werden, doch es ist nicht möglich, Galerien oder Sammlern eine Quote vorzugeben. Da der Wert eines Gemäldes aber vom Kunstmarkt festgelegt wird, wird sich in dieser Hinsicht nur langsam etwas ändern.
Der Frauenanteil in der Literatur
Doch nicht nur in der bildenden Kunst sind Frauen unterrepräsentiert, sondern in allen anderen Kunstbereichen auch. Werfen wir einfach einmal einen Blick auf den Literaturbetrieb: In Wien beispielsweise wurde der Literaturpreis der Stadt Wien seit 1947 an 53 Männer und 22 Frauen vergeben, was einem Verhältnis von 70:30 entspricht. Und was Buchrezensionen betrifft: 2019 wurden nur 38 Prozent der rezensierten Bücher von Frauen verfasst, die restlichen 61 Prozent von Männern.
Ist die Frauenquote ungerecht?
Die Zahlen zeigen es klar und deutlich: Frauen sind immer noch in vielen Bereichen unterrepräsentiert. Dennoch stellen sich manche gegen eine Frauenquote. Dabei werden immer die gleichen Argumente vorgebracht: Es sei ungerecht, Frauen nur aufgrund ihres Geschlechts zu fördern. Durch die Frauenquote würden nun die Männer diskriminiert werden. Und überhaupt, es solle sowieso nur die Leistung zählen, das Geschlecht wäre schließlich keine Qualifikation für einen Job. Argumente, denen man ganz locker mit Fakten und Studienergebnissen entgegnen kann.
Wieso es die Frauenquote braucht
Die gute Nachricht zuerst: Die Frauenquote wirkt – wenn auch schleichend. Doch gäbe es sie nicht, würde sich die Situation noch viel langsamer entwickeln, und wir wären sehr weit davon entfernt, dass Männer und Frauen in Unternehmen, der Politik oder dem öffentlichen Dienst auch nur annähernd gleich repräsentiert werden. Dabei spielt das Phänomen des „Gleich sucht Gleich“ eine tragende Rolle. Studien zeigen, dass Männer in Führungspositionen vakante Stellen eher an Männer vergeben, Frauen eher an Frauen. Schon allein durch eine Quote für Frauen in Führungspositionen kann so bewirkt werden, dass insgesamt mehr Frauen im Unternehmen angestellt werden. Man nehme nur den beliebten Ingeborg-Bachmann-Preis als Beispiel: 1977 waren acht Prozent der Jurymitglieder weiblich – und 22 Prozent der Nominierten. 2018 betrug der Frauenanteil in der Jury 43 Prozent – und siehe da, die Hälfte der nominierten Lesenden waren Frauen.
Die Angst vor einer Frauenquote ist zudem unbegründet, wenn man bedenkt, dass Studien eindeutig zeigen, dass Gruppen, in denen beide Geschlechter zu gleichen Teilen vorkommen, deutlich besser funktionieren. Mehr Kreativität, mehr Effizienz und eine durchdachtere Kommunikation sind nur einige der Vorteile, die sich dank gemischter Gruppen ergeben. Reine Männergruppen und reine Frauengruppen sind somit keine gute Idee.
Und was ist nun mit diesem Begriff der Quotenfrau? Stimmt es wirklich, dass mittels der Frauenquote Frauen in Positionen kommen, für die sie gar nicht qualifiziert sind und die Stelle einfach nur aufgrund ihres Geschlechts erhalten? Keineswegs! Man bedenke nur das Phänomen der gläsernen Decke, das besagt, dass Frauen viel schwerer in Führungspositionen gelangen als Männer und somit in der Hierarchie eines Unternehmens meist nur bis zu einem bestimmten Grad aufsteigen können. Dank der Quote kommen Frauen so oftmals überhaupt in die Position, ihr Können in der Führungsetage unter Beweis zu stellen und so Gegenargumente ein für allemal zu entkräften.
Zur Person
Die aus Südtirol stammende Schriftstellerin Isabel Folie ist Mitglied des intermedialen Kunstkollektiv Grauer Greif. Im Herbst 2021 ist ihr erster lyrischer Kurzprosa-Band "In meiner Mitte Kohle, in meinen Armen der Wind" erschienen. Als "Passion Author" für www.weekend.at schreibt sie regelmäßig über Frauen in der heutigen Gesellschaft.