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Farbpalette | Credit: iStock.com/bedya
Malen lässt uns die Zeit vergessen
Malen lässt uns die Zeit vergessen
iStock.com/bedya

Warum Sie noch heute anfangen sollten zu malen

09.09.2021 um 19:10, Lena Stöllinger
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Malen ist ein Workout, ein Kochkurs und eine Weiterbildung im gehobenen Management. Darum am besten gleich damit beginnen.

„Das muss aber entspannend sein, den ganzen Tag zu malen.“ Oder: „Farbe auf die Leinwand tupfen und damit was verdienen, das möchte ich auch.“

Ich kann mich gar nicht erinnern, wie oft ich diese oder vergleichbare Sätze schon gehört habe. Meistens von Menschen, die beruflich nicht als Malerin arbeiten und maximal einmal im Jahr am Kindergeburtstag einen Stift in die Hand nehmen, um lustige Schmetterlinge auf die Wangen der Kinder zu malen. Denn hier kommt die Wahrheit: Malen ist echt anstrengend. Das widerspricht wahrscheinlich allem, was Menschen über kreative Betätigung zu wissen glauben und auch der Erfahrung im letzten Volkshochschulkurs „Malen für Anfänger“. Dabei ist „anstrengend“ nicht unbedingt negativ gemeint. Sport ist auch anstrengend und hat erwiesenermaßen positive Auswirkungen auf die Gesundheit.

Kognitive Fähigkeiten

Wenn Kinder malen, trainieren sie ihre kognitiven Fähigkeiten wie dreidimensionales Wahrnehmen und fein-motorische Fertigkeiten. Bei Erwachsenen, die malen oder skizzieren, wird die Amygdala – unser Angstzentrum im Gehirn – in einen Pausen-ähnlichen Zustand versetzt. „Flow“ wird dieser Zustand auch oft genannt, wenn man sich bei einer Tätigkeit so sehr konzentriert, dass die Stunden vorbeiziehen und man irgendwann aus dieser „Trance“ aufwacht und merkt, dass man diese eigentlich lange Zeitspanne wie ein paar Minuten wahrgenommen hat und man schon seit zwei Stunden aufs Klo müsste. Man kann Malen also durchaus als eine Art Hirn-Workout ansehen.

Frau mit farbverschmierten Händen | Credit: iStock.com/Ivan Pantic
Farben wirken unmittelbar auf unser Gefühlsleben

Was im Gehirn während dem Malen geschieht

Es gibt medizinische Studien, die behaupten, dass Erwachsene vor allem nur mehr eine Gehirnhälfte im Alltag benutzen anstatt beide gleichzeitig. Malen ist dabei nicht nur eine Art Workout, sondern gleichzeitig wie ein Kochkurs für Fortgeschrittene. Wir brauchen insbesondere die linke Logik-Hirnhälfte, um einen Schritt nach dem anderen zu machen und nicht durcheinanderzukommen. Denn es gibt unzählige Tools und Werkzeuge, Techniken, Pigmente, Farben, Maluntergründe - und immer wieder Neues zu lernen und auszuprobieren. Ohne praktisches Wissen, wie aus dieser immensen Auswahl an Zutaten ein fertiges Kunstwerk entstehen, und wie man das, was man ausdrücken möchte, verbildlichen kann, bleibt das Werk oft hinter den eigenen Erwartungen zurück.

Malen erfordert Management

Haben Sie schon einmal ohne Rezept gekocht? Ja klar, nach dem zwanzigsten Guglhupf ist es relativ wahrscheinlich, dass man sich die sechs Zutaten gemerkt hat. Aber eine Creme Brûlée zubereiten, ohne nachzuschlagen, wie es geht? Mutig. In der Kunst kann man auch so vorgehen, aber vermutlich wird sich das fertige Werk sehr von der ursprünglichen Idee unterscheiden. Denn Malen erfordert Management. Fragen wie:

  • Was will ich eigentlich ausdrücken?
  • Welches Format dient mir hierfür am besten?
  • Soll es eine Leinwand sein, ein Stück Karton?
  • Aquarelltechnik oder doch lieber Öl, vielleicht auch eine Mischung?
  • Wie komme ich am besten zur Verwirklichung meiner Idee und zum besten Ergebnis?

Diese Überlegungen erfordern viel Planung und meistens verbringe ich, bevor ich ein Bild überhaupt anfange, eine Stunde oder mehr vor dem Laptop, um Referenzfotos zu recherchieren und ein Konzept anzufertigen. Natürlich gibt es Tage, an denen sich meine Motivation auf abstrakte Meereslandschaften beschränkt, aber selbst hier brauche ich zumindest ein Farbkonzept.

Pinselset | Credit: iStock.com/Anna Volobueva
Pinsel - je mehr, desto besser!

Gehirn-Workout

Wenn Sie also anfangen zu malen, bekommen Sie ein Workout ohne Fitnessstudio, einen Kochkurs für Fortgeschrittene und eine Weiterbildung im Projektmanagement. Und sollte jemand anmerken, wie einfach es doch sei, ein Kunstwerk zu erschaffen, haben Sie darauf schon die passende Antwort parat.

Zur Autorin

In der Malerei hat die aus Oberösterreich stammende Künstlerin Lena Stöllinger ihre Bestimmung gefunden. Wenn sie nicht gerade unter ihrem Künstlernamen Stella Löninger an einem neuen Bild malt, studiert die Wahl-Salzburgerin Soziologie. Auf www.weekend.at gibt sie Einblicke in die wunderbare Welt der bildenden Kunst.

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