"Inside" - Willem Dafoe gefangen in der Kunsthölle
Kunst ist ein teures Geschäft. Zumindest, wenn es sich um Werke von KünstlerInnen wie Egon Schiele handelt. Über 20 Millionen Euro haben Gemälde des expressionistischen Künstlers bereits auf Auktionen erzielt. Das lockt natürlich viele InteressentInnen an – manche wünschenswert, manche weniger.
"Inside" oder "Kunst bleibt für immer"
Dass Kunst auch gefährlich sein kann, muss der Kunstdieb Nemo, dargestellt von Willem Dafoe, im Film “Inside” am eigenen Leib erfahren. Denn er scheitert dabei, ein Selbstportrait von Schiele aus einem Penthouse eines kasachischen Kunsthändlers zu entwenden.
“Inside”, in Deutschland erschienen mit dem klingenden Untertitel “Kunst bleibt für immer” – angelehnt an ein Zitat von Schiele selbst –, entpuppt sich als ein Kammerspiel der etwas anderen Art. Gekonnt in Szene gesetzt von Spielfilm-Debüt-Regisseur Vasilis Katsoupis besetzt Willem Dafoe die einzige Hauptrolle des Films.
Nemo – Allein zu Haus
Als Nemo bei seinem letzten Eigentumsvergehen den Alarm auslöst und sein Team ihn im Stich lässt, sieht er sich damit konfrontiert, zur Abwechslung einmal nicht ein-, sondern ausbrechen zu müssen. Fenster und Türen sind alle abgeriegelt; der Inhaber des Apartments, das weniger wie eine wohnbare Umgebung und mehr wie ein Museum eingerichtet ist, ist nicht zugegen. Und auch das Personal des Hochhauses bekommt von der ganzen Situation scheinbar nichts mit. Dadurch, dass es für Nemo erst einmal kein Entrinnen gibt, muss er für sein Überleben sorgen. Gar nicht so leicht ohne laufendes Wasser, mit ausschließlich Resten und Dosenfutter im Kühlschrank sowie einer defekten Klimaanlage.
Not macht bekanntlich erfinderisch und Nemo zu MacGyver, indem er unter anderem einen wackligen Möbelturm errichtet, um zu versuchen, aus dem Schacht einer Beleuchtungsanlage zu entkommen. In seiner zunehmenden Verzweiflung, auch was soziale Abschottung betrifft, driftet Nemo zusehends in Wahnvorstellungen ab. Zusätzlich befeuert wird dieser Zustand durch die sterile und geradezu bedrohlich anmutende Atmosphäre, die in dem Penthouse herrscht. Hervorgerufen durch die mal mehr mal weniger abstrakten Kunstwerke, zu denen Nemo in seiner Isolation eine besondere Verbindung aufbaut.
Die hohe Kunst des Willem Dafoe
Um die Transformation des Charakters vernünftig darstellen zu können, braucht es natürlich einen Akteur mit außerordentlichem Schauspieltalent. Willem Dafoe als Nemo meistert diese Aufgabe auf beeindruckende Weise, weil man ihm die Geschehnisse des Films nicht nur optisch ansehen kann, sondern ebenso in seinem Verhalten. Auch seine vortreffliche Mimik trägt dazu bei, die Emotionen erfolgreich auf das Publikum zu übertragen.
Aus dem Blickwinkel der Selbstisolation
Ohne diese schauspielerische Top-Leistung könnte man keine adäquaten Bilder festhalten, und die Wirkung des Films wäre nur halb so effektiv. Die Kamera fängt Szenen auf eine sehr explizite und cineastische Art ein: Wenn beispielsweise Wunden, die sich Nemo zuzieht, oder vergammelte Essensreste in Detailaufnahmen präsentiert werden; aber auch anders, wenn etwa in langsamen Kamerafahrten über die Kunstwerke geschwenkt und gezoomt wird, um diese auf die KinobesucherInnen wirken zu lassen. Während aus der Ferne Nemos vergebliche Ausbruchsversuche zu vernehmen sind.
Die Kunst wirkt aber nicht nur auf die ZuseherInnen vor der Leinwand, sondern auch auf Nemo selbst. Dieser wird allmählich von der Kunst verändert, woraufhin er wiederum selbst die Kunstwerke verändert. Das Chaos hält dadurch nicht nur in Nemos Kopf Einzug, sondern auch in seiner Umgebung, die am Ende kaum mehr wiederzuerkennen ist. So auch der Film selbst, der anfänglich im Survival-Genre zu verorten ist, dann aber zu einem psychologischen Drama ausartet.
Fazit: Stiller Thriller
Obwohl rein inhaltlich nicht viel passiert, was man in einer Zusammenfassung zu Papier bringen könnte, bleibt das Spannungsniveau fast permanent auf einem hohen Level. Jederzeit könnte sich ein neuer Funke Hoffnung auftun, der vielleicht doch Nemos Flucht aus seiner außerplanmäßigen Gefangenschaft ermöglicht.
Drückende Stille im Kino
Durchbrochen durch stille Phasen der Entspannung lockert sich die Atmosphäre dennoch etwas auf. Manchmal jedoch auch so sehr, dass jedes Popcornrascheln im Saal eine negative Auswirkung auf den persönlichen Kinogenuss hervorrufen kann. Da kann man wohl nur hoffen, eine weniger gut besuchte Vorführung zu erwischen. Oder man wartet einfach auf den Heimkino-Release.
Nicht für jeden geeignet
Beachten sollte man auf jeden Fall, dass die Thematik nicht für jeden geeignet ist. Gleichzeitig verlangt die manchmal doch etwas zähe und ausschweifende Erzählweise sehr viel Sitzfleisch ab. Wer jedoch eine grundsätzliche Affinität zu solch einer Art experimentellem Film aufweist, erhält eine Erfahrung, die man nicht so schnell wieder vergisst. Kunst bleibt eben für immer!
Kinostart in Österreich
Findet Nemo schlussendlich einen Weg aus dieser Hölle? Wer das wissen und sich selbst von “Inside” überzeugen möchte, kann dies seit dem 17. März 2023 in den österreichischen Kinos tun.
Zur Person
Coole Filme und Serien – und vieles mehr, worüber man im Netz spricht: Passion Author Manuel Mayr hält seine Leserinnen und Leser über die neuesten Multimedia-Trends auf dem Laufenden.