Kann Fleischkonsum wirklich noch "cool" sein?
"Fleischessen ist cool!" - Auch wenn diesen Satz kaum jemand so formulieren würde, wird er doch gelebt, als sei es so. Er geht durch, wenn nur wenige selten Fleisch essen würden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wir leben in einer Zeit, in der sich theoretisch jeder Fleisch leisten kann, zu einem Preis, der erschreckend niedrig ist - gemessen an den Folgekosten für Tier und Umwelt.
Unachtsam = akzeptiert?
Während bereits viele darüber nachdenken, ihren Fleischkonsum drastisch zu reduzieren und auf Alternativen setzen bzw. gänzlich vegetarisch oder vegan leben, hält ein bedeutend größerer Teil der Bevölkerung immer noch an seiner großen Liebe fest: dem Billigfleisch. Denn Quantität steht vor Qualität (war es von dem Philosophen Georg Friedrich Hegel nicht doch eigentlich umgekehrt formuliert?).
Fleischkonsum um jeden Preis und unachtsames Essverhalten mögen zunehmend kritischer beurteilt werden, in der Realität ist man mit dieser Einstellung allerdings immer noch gesellschaftlich akzeptiert, so, als sei es ganz selbstverständlich. Sich einzuschränken, bewusst zu essen, Produkte von Qualität zu kaufen, sein Konsumverhalten zu reflektieren, seinen Lebensstil kritisch zu hinterfragen – damit macht man sich immer noch wenig Freunde.
Wer möchte sich schon tagtäglich vor Augen führen, wie schädlich er mit seinem Verhalten für Umwelt und Tier ist? Wer möchte sich schon mit Tierhaltung auseinandersetzen?
Tierhaltung kritisieren und Billigfleisch essen - geht das? Leider ja!
Es ist eine Sache, dass es Konsumenten gibt, die naiv Leberkäse, Burger, Würstel und Co. essen, ohne eine Sekunde darüber nachzudenken, woher diese Erzeugnisse stammen. Was einem mehr zu denken geben sollte: Was ist mit den vielen, die es eigentlich besser wissen müssten? Lässt sich ein Konsumverhalten, das auf Billigware und übermäßigen Anteil an Tiererzeugnissen abzielt, noch rechtfertigen, sobald man sie im vollen Wissen um deren Herstellung kauft und zu sich nimmt? Dass man etwas einerseits verwerflich oder schockierend findet und am Ende doch genau zu dieser Entwicklung beiträgt. Solange man einer von vielen ist, ist es einfacher, seinen achtlosen Umgang mit Lebensmitteln vor sich selbst zu rechtfertigen. Fleisch auf dem Teller - selbst dann, wenn es nichts G'scheits ist.
Das Tier stirbt für uns
Letztendlich muss man sich bewusst sein, dass, solange man billiges Fleisch zu sich nimmt, Tiere unter unwürdigen Bedingungen zu leiden haben bzw. getötet werden. Jetzt könnte man sagen: Wenn sie auf unserem Teller landen, haben sie es überstanden. Solange sich jedoch jemand findet, der Billigfleisch isst, wird niemand einen Hinderungsgrund sehen, es weiterhin zu produzieren. Auch, wenn es leicht ist, auf die "schlimme" Tierindustrie mit dem Finger zu zeigen: Wir als Konsumenten sind und bleiben in der Verantwortung – das Tier ist für UNS gestorben. Jeder, der etwas anderes behauptet, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit.
Verzicht auf Fleisch aus Liebe zum Tier
Man sollte es sich nicht zu einfach machen, Menschen, die freiwillig auf Fleisch verzichten, zu unterstellen, dass es ihnen leicht fällt, weil sie es ohnehin nicht gerne essen. Fakt ist: Viele tun es, weil sie ihren Fleischkonsum gegen den Schaden, den er an der Welt nimmt, einmal bewusst aufgerechnet haben. Das heißt noch lange nicht, dass einem Fleisch als Nahrungsmittel nicht fehlen würde. Obendrein nimmt man dafür in Kauf, als "uncool" zu gelten. Zu oft passiert es nämlich leider noch, dass es als Schwäche angesehen wird, wenn jemand für sich entscheidet, fleischlos zu leben. Aber ist es wirklich cooler, seine Wünsche und Bedürfnisse um jeden Preis durchzusetzen, nur weil man auf den ersten Blick damit weiter kommt als diejenigen, die auf andere Rücksicht nehmen?
Können wir uns den Verzicht auf Tierwohl noch leisten?
Auf den zweiten Blick geht es um mehr als die Frage: Fleisch essen - ja oder nein? Sondern die Frage, wie weit man alternative Lebensweisen toleriert. Bei aller Rücksicht und allem Verständnis: Kann es sich unsere Gesellschaft überhaupt noch leisten, einen Lebensstil, der auf Kosten des Tierwohls geht, noch in irgendeiner Form als "lässig" durchgehen zu lassen? Vor allem, wenn man bedenkt, dass es einen erwiesenen Zusammenhang zwischen unserer Ernährung und unserem eigenen körperlichen Wohl gibt? (Wenn schon das Tierwohl allein als Argument nicht durchgeht.)
Viel gewonnen wäre schon, wenn wir unser Verständnis von "cool" überdenken würden. So, wie Paulo Coelho es getan hat, wenn er schreibt: "Werte wie Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Selbstbewusstsein, Geduld, Dankbarkeit und Einfühlungsvermögen sind cool." -
Was es hieße, dem Schriftsteller zu folgen? - Ein kleiner Schritt für uns, ein großer für das Wohl der Tiere.
Zur Autorin
Im Rahmen ihres Philosophie-Studiums geht Passion Author Sarah Füßlberger den Dingen gerne auf den Grund. Für www.weekend.at widmet hinterfragt sie die vielfältigen Entscheidungen, die wir Tag für Tag mit Blick auf unsere Lebensweise mehr oder weniger bewusst treffen.