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Junge Frau beim Tagebuchschreiben | Credit: iStock.com/brizmaker
Tagebuch - ein Weg der Selbstfindung
Tagebuch - ein Weg der Selbstfindung
iStock.com/brizmaker

So wirkt das Tagebuch als Therapie

23.12.2022 um 00:37, Artikel von Passion-Autor: Valerie Vonroe
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Tagebuch zu schreiben ist nichts für Feiglinge, wenn man bereit ist, seinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf zu lassen. Was der einfache Entschluss, eines zu eröffnen, bereits allein alles bewirken kann - ein Erfahrungsbericht.

Ich hatte mein ganzes bisheriges Leben kein Bedürfnis verspürt, ein Tagebuch zu schreiben. Eine Freundin, die selbst eines führt, warf mir einst vor, dass ich mich vor dem Geschriebenen fürchten und schmerzhafte Beobachtungen an mir verdrängen würde. Mittlerweile ist es für mich ein Morgenritual und ein Zufluchtsort.

Tagebuch statt Freundinnen-Talk

Begonnen hat es damit, dass es mir schlecht ging. Vertraute ich mich meinen Freundinnen an, bekam ich vor allem Tipps, aber auch so manchen dezenten Hinweis, dass ich an meiner Lage selbst schuld wäre. Das kränkte mich, ich fühlte mich schwach und unverstanden. Denn ich suchte keinen Schuldigen, sondern sah die Verantwortung ohnehin bei mir. Wie sehr mich meine Schuldgefühle blockierten, erkannte ich erst viel später. Neben meinen eigenen belastete mich, was andere über mich denken könnten.

Tagebuch - zuerst Trostpreis, dann Hauptgewinn

Bei einem Preisausschreiben gewann ich den Trostpreis – ein Tagebuch samt Schreibutensilien. Was sollte ich darin außer Belanglosigkeiten festhalten? Dank intensiver Internet-Recherche wurde mir klar, wie viel Nutzen darin stecken kann, eines zu führen, denkt man an die folgenden positiven Effekte:

  • Lerne dich besser kennen
  • Erkenne deine Schwächen
  • Befreie dich von Stress
  • Erreiche deine Ziele
  • Finde inneren Frieden
  • Reflektiere dein Verhalten und die Folgen
  • Erkenne, wofür du dankbar bist

Aus Angst vor schonungsloser Selbsterkenntnis beschloss ich, es lieber vorsichtig anzugehen.

Junge Frau beim Tagebuchschreiben | Credit: iStock.com/Nattakorn Maneerat
Tagebuch - ein Ritual mit heilsamer Wirkung

Was im Tagebuch nicht funktioniert

Um im Lockdown meine Zuversicht zu bewahren, formulierte ich in dieser Zeit eine Vielzahl positiver Sätze, die meine ganz persönlichen selbsterfüllenden Prophezeiungen werden sollten - wie die folgenden:

  • Ich bin genug
  • Ich verdiene es, glücklich zu sein
  • Ich bin stark und selbstbewusst
  • Ich bin gut, wie ich bin
  • Hindernisse sind Chancen
  • Ich glaube an mich
  • Heute wird ein guter Tag

Diese Gedanken sollten die beste Version von mir aktivieren, ohne dass ich mich dafür verbiegen muss. Bei dem Versuch scheiterte ich kläglich. Weil ich mich mit dem Geschriebenen nicht identifizieren konnte. Das war einfach nicht Ich. Die Folge: Noch mehr Schuldgefühle, noch mehr Druck. Jetzt wusste ich noch weniger, wie ich den Tag überstehen sollte.

Rein in die Wahrheit

Auch, wenn Coaches und Ratgeber uns glauben machen wollen, dass positives Denken, tägliches Yoga mit Meditation und überwiegender Genuss von Superfood und Co. helfen, um Lebenskrisen zu verhindern, erlebte ich gerade, dass man auf diese Weise nicht zwingend glücklich wird, sondern emotional tiefer schürfen muss. Als mir das klar wurde, verstand ich erst, was ein Tagebuch im besten Fall ist. Weil meine Therapeutin krank war, schrieb ich notgedrungen alles auf, was ich ihr sonst erzählt hätte. Vieles, das ich verdrängt hatte, kam an die Oberfläche. Das tat weh, aber half.

Junge Frau beim Tagebuchschreiben | Credit: iStock.com/yokeetod
Befreiend, sich Belastendes von der Seele zu schreiben

Was im Tagebuch festhalten?

Das Tagebuch gibt mir die Chance, mich von dieser permanenten Anspannung zu befreien. Dem Dauerstress, der dadurch entsteht, weil ich mir Gedanken über Dinge mache, die anderen nicht so wichtig sind, wie ich geglaubt habe. Ich erkenne, dass sich in vielen Situationen meine Annahme, was der andere damit gemeint haben könnte, als völlig falsch herausgestellt hat.

Alles vertraue ich meinem Tagebuch an: meine halbherzigen Vorsätze, mein Warten auf die Gerechtigkeit des Universums, meine Angst, die falsche Entscheidung zu treffen. Und während ich radikal ehrlich aufschreibe, wie es ist, bekomme ich unerwartet Antworten auf offene Fragen, gewinne neue Erkenntnisse, sehe am Ende mich und die anderen klarer. Meine Wünsche sehe ich in neuem Licht: Will ich das wirklich oder glaube ich nur, es zu wollen, einfach, weil es alle anderen auch haben.

Tagebuch als Weg zur Aussöhnung

Oft genug habe ich mich gekränkt, dass andere sich und ihre Bedürfnisse an erste Stelle setzen. Langsam, aber sicher wird mir klar: Sie tun es nicht, um mir weh zu tun, sondern nur, um sich besser zu fühlen. Eine sehr gute Einstellung im Grunde, die ich genauso gut übernehmen könnte.

Beim Schreiben denke ich an all jene Menschen, die mich niemals um Verzeihung gebeten und weitergemacht haben, als ob nichts nichts gewesen wäre. Ob ich ihnen auch verziehen hätte, wenn sie es getan hätten, steht auf einem anderen Blatt. Aber viel wichtiger ist, dass ich jetzt mir verzeihen und mich mit meiner Vergangenheit aussöhnen kann. Danke, mein Tagebuch. Der Anfang ist gemacht.

Zur Autorin

Mit ihren wohl überlegten Gedanken und praktischen Tipps liefert die in Wien lebende freie Autorin Valerie Vonroe wertvolle Anstöße für einen bewussteren Umgang mit den eigenen Potenzialen und Ressourcen – in jedweder Hinsicht.

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