So funktioniert eine Stimmband-Transplantation
Allein in den USA leiden 20 Millionen Menschen an schwerwiegenden Stimmproblemen. Bisher hat man die Betroffenen meist nur mit einer Ersatzstimme durch ein Stoma, eine Stimmprothese oder eine elektronische Sprechhilfe unterstützen können. Menschen mit bleibenden Stimmschäden, die nicht behandelt werden können, haben jedoch schon bald die Chance, durch ein im Labor gezüchtetes Ersatzorgan ihre Stimme wieder zurückzubekommen.
Wie kommt es zu Heiserkeit und Stimmverlust?
Meist sind eine vorübergehende Erkältung oder Überbeanspruchung schuld an Heiserkeit oder gar Stimmverlust, aber auch Knötchen oder schwere Krankheiten wie Krebs können sie auslösen.
Wie werden künstliche Stimmbänder erzeugt?
Nathan Welham, Juniorprofessor für Kehlkopfmedizin an der University of Wisconsin School of Medicine and Public Health in Madison, und seinen Kollegen ist es gelungen, mit der Methode des "Tissue-Engineering" Stimmbänder, die menschlichen in Aussehen und Funktion gleichen, zu züchten. Einige Jahre lang hatten Forscher bereits an künstlichen Stimmbändern gearbeitet. Mithilfe von Gewebe aus der Mundschleimhaut wurde dabei versucht, ein künstliches Stimmband herzustellen. Dieses war jedoch nicht stark genug, um der Belastung, denen Stimmbänder gewachsen sein müssen, standzuhalten bzw. zu vibrieren.
Daraufhin entnahmen die Forscher 2015 von Leichen und kehlkopfoperierten Patienten Fibroblasten und Epithelzellen und versorgten diese in einem dreidimensionalen Kollagengerüst mit Nährstofflösung. Einige Wochen später konnte man stimmbandähnliches Gewebe, das auch Proteine, die im natürlichen Kehlkopf angesiedelt sind, nachweisen. Um zu testen, ob dieses auch funktioniert - also schwingt und fähig ist, Laute zu erzeugen - wurde das 16 Millimeter lange und 1 Millimeter dicke Stimmband bei Hunden eingesetzt. Zum besseren Vergleich wurde nur ein künstliches verwendet. Dann wurde warme, feuchte Luft durch die Stimmlippen geströmt. Das ermutigende Ergebnis: Die Bewegungen und Laute der künstlichen waren von den natürlichen Bändern nicht zu unterscheiden.
Erfreulich aus Sicht des Wissenschaftsteams war außerdem, dass das künstliche Gewebe nicht abgestoßen wurde. Das ergab ein Test mit Mäusen, deren Immunsystem per Genveränderung auf ein menschenähnliches umgestellt wurde.
Wie schneiden künstliche Stimmbänder im Test ab?
Ein Forschungsteam der Purdue University und Indiana University School of Medicine führte 2020 einen ähnlichen Versuch durch. Dazu wurde entsprechendes Gewebe von Yucatan-Minischweinen innerhalb von drei Wochen zu künstlichen Stimmbändern gezüchtet. Als man diese den Tieren einsetzte, wurden weder körperliche Abwehrreaktionen noch dauerhafte Schäden festgestellt. Die Schweine erlangten nach vier Wochen wieder ihre Stimme. Da ihre Husten- und Schluckreflexe jenen des Menschen sehr ähnlich sind, gilt diese Studie als wichtige Grundlage.
Wann können künstliche Stimmbänder beim Menschen transplantiert werden?
Trotz dieser vielversprechenden Fortschritte und Erkenntnisse wird es noch einige Zeit dauern, bis künstlich erzeugte Stimmbänder beim Menschen transplantiert werden können. Einerseits muss geklärt werden, ob sie bei ihm genauso gut schwingen wie bei Tieren und sichergestellt, dass es weder zu einer Abwehr noch einer Schädigung des Immunsystems kommt.
Unklar ist weiters, wie lange künstliche Stimmbänder halten, und ob der Patient nach einer Transplantation seine alte Stimme wieder zurückbekommt oder sie sich durch den Eingriff ändert. Nichtsdestotrotz ist die Hoffnung berechtigt, dass Menschen, die unter Heiserkeit oder Stimmverlust leiden, schon bald wieder nach Herzenslust sprechen und singen können.
Zur Autorin
Mit Hingabe studiert Valentina Ammerer Philosophie in Salzburg. Und nicht nur das! Als Ausgleich hat die Studentin das Singen entdeckt - und damit die wunderbare Welt der Musik und ihrer heilsamen Wirkung. In ihren Beiträgen für www.weekend.at gibt sie ihre Tipps und Empfehlungen an unsere Leserinnen und Leser weiter.