Frauen im Homeoffice: ein Rückschritt?
Aufstehen, Kaffee trinken, das Kind für die Schule fertig machen, die Tür zum Arbeitszimmer hinter sich schließen – und schon kann man ganz mit seiner Arbeit beginnen. So schön könnte Homeoffice sein. Eine Idealvorstellung. Bestimmt war es dieses Szenario, das all jenen durch den Kopf spukte, die in den letzten Jahren immer wieder forderten, dass besonders Frauen der Zugang zum Homeoffice erleichtert werden sollte. Könnten sie so doch Haushalt, Kinderbetreuung und Arbeit besser unter einen Hut bekommen. Dass viele Frauen Bedenken äußerten, da sie fürchteten, im Homeoffice für die Arbeitgeber unsichtbar zu werden und bei Beförderungen oder Gehaltserhöhungen übersehen zu werden, fand kaum Beachtung.
Auch zu Beginn der Pandemie lautete der überschwängliche Tenor am Anfang, dass sich der nun erzwungene Rückzug in die eigenen vier Wände vorteilhaft auf die Gleichberechtigung auswirken würde. Endlich würden Männer einmal direkt vor Augen geführt bekommen, wie viel die Frauen eigentlich leisten – und ihnen sogleich freudig beim Kochen, Wäschewaschen und Babybrei füttern zur Seite stehen.
Wirklich? Seien wir uns ehrlich, es braucht kein erzwungenes Homeoffice, um zu erkennen, dass es die Frauen sind, die den Großteil der unbezahlten Arbeiten leisten. Ein Blick auf die Zeitverwendung der Österreicher vom Jahre 2009 genügt und zeigt eindeutig: Es sind die Frauen, die rund doppelt so viele Stunden in Haushalt und Kinderbetreuung investieren wie die Männer. Was diese nunmehr mehr als zehn Jahre alte Studie zur Zeitverwendung noch zeigt? Dass Zahlen, Schwarz auf Weiß, wohl nicht ausreichen, um die unbezahlte Arbeit fair zwischen den Geschlechtern aufzuteilen.
Braucht es also tatsächlich diesen gemeinsam beschrittenen Weg ins Homeoffice, um mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herzustellen? Oder ist der Gang in die eigenen vier Wände doch ein Rückschritt für die Frauen, weg von einem unabhängigen Arbeitsplatz, zurück zu Herd und Kindern?
Mit Kind und Computer
Aufstehen, Kaffee trinken, das Kind für das Homeschooling fertig machen, die Tür zum Arbeitszimmer hinter sich schließen und – schön wärs. Denn nur allzu oft haben Frauen im Homeoffice keinen eigenen Arbeitsbereich, an dem sie ungestört arbeiten können. Mit dem Laptop vom Küchentisch aus Mails beantworten und zwischendrin mal eben schnell die Spaghetti umrühren – förderlich für die Konzentration ist das nicht. Besonders viel Druck sind Mütter mit kleinen Kindern ausgesetzt. Eine Untersuchung der WU Wien unter der Leitung von Katharina Mader aus dem Jahr 2020 ergab, dass 38 % der Frauen während ihrer Erwerbsarbeit die Kinder im gleichen Raum beaufsichtigten. Bei den Männern waren es hingegen nur 19 %, die während der Arbeit Acht geben mussten, ob der Nachwuchs nicht gerade die Wände mit Buntstiften individualisiert.
Arbeitsplatz einrichten – den Frauen wird es schwer gemacht
Um von zu Hause gut und effizient arbeiten zu können, bräuchte es mehr als nur den eigenen Laptop und bestenfalls ein Zimmer für sich allein. Smartphones, Firmenlaptops, Tablets oder auch ein ergonomischer Bürostuhl gehören dazu, um sich wie im Büro zu fühlen und wichtige Kundengespräche nicht im Pyjama von der Couch aus zu führen. Es müssten deswegen im Interesse der Unternehmen sein, ihre Mitarbeiter mit Arbeitsutensilien zu unterstützen, um für eine produktive Arbeitsumgebung zu sorgen. Doch eine aktuelle Untersuchung aus Deutschland zeigt: Auch wenn die Mitarbeiter großteils Unterstützung erfahren, sind es doch die Frauen, die fast doppelt so häufig wie die Männer keinerlei Utensilien vom Arbeitgeber bereitgestellt bekommen.
Frauen leisten zwischen 15 und 89 % mehr unbezahlte Arbeit
Homeoffice, der große Gleichmacher? Leider nein. Die bereits vorhin genannte Studie der WU zeigt ganz klar, welches der beiden Geschlechter bei dem von so viel gepriesenen Homeoffice in kaum mehr schaffbarer Mehrarbeit versinkt. Die Überraschung dürfte nicht groß sein, wenn es heißt: Es sind (wieder einmal) die Frauen. Je nach Familienkonstellation leisten sie zwischen 15 und 89 % mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Besonders bei Alleinerziehenden und bei Paaren mit Kindern hat die Arbeitsbelastung im Homeoffice für die Frauen massiv zugenommen. Mütter in einer Beziehung mit Kind arbeiten durchschnittlich mehr als 14 Stunden, mehr als neun davon sind unbezahlt. Ihre männlichen Partner arbeiten mehr als 13 Stunden – doch nur knapp sieben Stunden sind dabei der unbezahlten Arbeit vorbehalten.
Besonders ungleich ist die Arbeit verteilt, wenn das oder die Kinder jünger als zwei Jahre sind. Dann nämlich kümmern sich Frauen sieben Stunden pro Tag um die Betreuung der Kinder, Väter hingegen widmen sich nur vier Stunden pro Tag dem Nachwuchs.
Immer das Gleiche statt Gleichmacher
Bemerkenswert ist der eklatante Unterschied zwischen Paaren mit Kindern und Paaren ohne Kinder. Denn bei kinderlosen Paaren ist die Arbeitsteilung sehr viel ausgeglichener: Beide Partner leisten rund drei Stunden unbezahlte Arbeit pro Tag, acht Stunden können sich beide der Erwerbsarbeit widmen.
Kinder bringen wohl nicht nur Glückshormone und schlaflose Nächte, sondern auch veraltete Rollenbilder mit sich. Wie das möglich ist? Ganz einfach: Kleinkinder werden in unserer Gesellschaft immer noch vermehrt von der Mutter umsorgt – und einmal an diese Aufgabenverteilung gewöhnt, ändert sich weder mit dem Älterwerden des Kindes noch im Homeoffice etwas daran. Ganz im Gegenteil: Erhebungen zeigen, dass Mütter im Homeoffice sich tatsächlich eineinhalb bis drei Stunden am Tag länger um ihre Kinder kümmern als Mütter, die zu fixen Zeiten außerhalb des eigenen Zuhauses arbeiten. Gleichmacher Homeoffice? Von wegen!
Arbeitszimmer zu oder Bürotür auf?
Tenor der meisten Frauen im Homeoffice: Der Tag bräuchte mehr Stunden. Überbelastung, Stress, psychischer und sozialer Druck – all das nimmt der anfänglichen Hoffnung, dass Homeoffice zu mehr Gleichberechtigung und besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie führt, den Wind aus den Segeln. Die Stimmen, die verkündeten, Männer würden durch das Arbeiten von zu Hause aus erkennen, wie viel unbezahlte Arbeit die Frauen übernehmen und ihnen sogleich heldenhaft zur Seite stehen, verstummen.
Was darüber hinaus noch hinzukommt, ist die soziale Vereinsamung, die Frauen durch das Homeoffice besonders stark trifft. Der Tag einer im Homeoffice arbeitenden Frauen ist ausgefüllt mit Arbeit, Haushalt und Kinderbetreuung. Zeit für sich selbst? Ein lockerer Plausch mit Arbeitskollegen? Ein entspannender Spaziergang auf dem Nachhauseweg vom Büro? Fehlanzeige. Ein Jahr Homeoffice zeigt ganz klar:
Mit dem Gang ins Homeoffice ist der Kampf um die Gleichberechtigung von Mann und Frau vom Weg abgekommen. Der Schritt hin zu einer wirklichen Gleichberechtigung liegt nicht darin, die Haustüren hinter sich zu schließen, sondern darin, die Türen von Arbeits- und Kinderbetreuungsstätten erneut zu öffnen.
Zur Person
Die aus Südtirol stammende Schriftstellerin Isabel Folie ist Mitglied des intermedialen Kunstkollektiv Grauer Greif. Im Herbst 2021 ist ihr erster lyrischer Kurzprosa-Band "In meiner Mitte Kohle, in meinen Armen der Wind" erschienen. Als "Passion Author" für www.weekend.at schreibt sie regelmäßig über Frauen in der heutigen Gesellschaft.