Ich kann das: Neigen wir zu Selbstüberschätzung?
Mal plagen einen Selbstzweifel, mal fühlt man sich wie er König der Welt. Welchem Gefühl kann man glauben? Können die anderen alles besser? Oder sind wir die geschickteren Autofahrer, die raffinierteren Köche und die wortgewandteren Redner als die anderen?
Hochbegabt und wunderschön
Laut Studien besteht die Welt heutzutage nur noch aus hochbegabten und einfühlsamen Menschen. Denn immerhin gaben in den USA 95 % der befragten Lehrer an, dass ihre didaktischen Fähigkeiten besser als die ihrer Kollegen seien. Auch die Schüler sind sich einig, besser als ihre Klassenkameraden zu sein, 70 % gaben an, sie seien klüger als die restliche Klasse.
Je schwerer die Aufgabe, desto weniger Selbstvertrauen
Das Maß der Selbstüberschätzung hängt auch von der Schwere der Aufgabe ab: Je einfacher diese ist, desto eher überschätzen wir uns selbst. Geht ja alles ganz easy, denken wir uns da. Vor schweren, komplexen Aufgaben allerdings ziehen wir den Hut und werden plötzlich doch ganz klein und neigen dazu, uns zu unterschätzen.
Männer überschätzen sich eher
Eine Studie ging der Frage nach und fand heraus, dass besonders Männer dazu neigen, sich selbst zu überschätzen. Die Forscher fragten die Probanden "Sind Sie besser als der Durchschnitt in …" und siehe da – Männer beantworteten diese Frage häufiger mit Ja als Frauen. Zufall? Die Wissenschaftler forschten weiter …
Eine Million Marathonläufer
Was für eine Stichprobe: Eine Million Marathonläufer dienten den Forschern als Versuchsobjekte. Die Teilnehmer des Warschauer Marathons wurden dazu angehalten, vor dem Start ihre geschätzte Endzeit vorherzusagen. Danach wurde die Prognose der Teilnehmer mit dem tatsächlichen Resultat verglichen. Das Ergebnis war eindeutig.
Auch in dieser Untersuchung überschätzten sich die Männer häufiger selbst als die Frauen. Ihre Prognosen fielen meist zu optimistisch aus, in Wahrheit benötigten sie für die Strecke doch länger, als sie von sich dachten.
Konkurrenzkampf
Wieso neigen wir Menschen aber überhaupt zu Selbstüberschätzung? Der ständige Konkurrenzkampf, den wir uns mit anderen Menschen liefern, ist ein Grund dafür. Man will ja stets besser, schöner, klüger, erfolgreicher sein als die anderen. Sich einzugestehen, dass unser selbst gemachter Apfelstrudel nun mal nicht so erlesen schmeckt wie der von der neuen Kollegin, tut weh – ein Gefühl, das wir vermeiden wollen. Deswegen blenden wir solche Dinge gerne aus.
Motivationsschub?
Auch wenn wir überzeugt davon sind, eher an Selbstzweifel zu leiden und uns unter unser Licht zu stellen, verhält es sich tatsächlich so, dass wir uns gerne einmal selbst überschätzen. Das ist doch eigentlich etwas Gutes, immerhin kann uns der Glaube an uns selbst zu Höchstleistungen motivieren, oder?
Eindruck machen
Auf der einen Seite hilft Selbstüberschätzung tatsächlich weiter. Wer sich nach außen hin souverän gibt und so tut, als hätte er von allem eine Ahnung und wisse genau, was er tut, bewirkt, dass auch seine Mitmenschen teilweise dieser Meinung sind. Kontrahenten fühlen sich von dem vor Selbstbewusstsein Strotzenden oft eingeschüchtert und ziehen sich kleinlaut zurück – zu einem offenen Vergleich, wer denn jetzt wirklich geschickter mit dem neuen Kunden oder dem vollautomatischen Dampfgarer umgehen kann, kommt es so gar nicht.
Wer hoch steigt, fällt tief
Forscher sind jedoch der Meinung, dass Selbstüberschätzung in den meisten Fällen schlecht für uns ist, mitunter sogar lebensbedrohlich! Beispiel Straßenverkehr: Wer glaubt, besser als die anderen Fahrer zu sein, fährt gerne mal zu schnell, hält sich nicht an die Verkehrsregeln und verursacht im schlimmsten Fall einen Unfall.
Auch an der Börse konnten Forscher die negativen Auswirkungen von Selbstüberschätzung feststellen. Eine Studie mit 2.000 CEOs aus den USA zeigte, dass Manager, die anfangs Erfolge feierten und sich dann ihrer Sache zu sicher waren, oft schon ganze Unternehmen in den Ruin gestürzt haben.
Rosarote Brille? Nein Danke
Was hilft wirklich gegen Selbstüberschätzung – oder Selbstzweifel? In beiden Fällen gilt: Seien Sie realistisch. Es ist vielleicht nicht immer alles so einfach, wie Sie meinen. Nehmen Sie sich auch für alltägliche Dinge und Entscheidungen Zeit, hinterfragen Sie Ihre Entscheidungen und fragen Sie auch mal den Beifahrer, was er von Ihrem Fahrstil hält und ob Sie nicht besser ein wenig vom Gas gehen sollten.
Und was die Furcht vor neuen, anspruchsvollen Aufgaben betrifft: Lassen Sie sich nicht unterkriegen, Sie schaffen das schon!