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Das EM-Stadion in München von außen, ohne den dort sonst üblichen Schriftzug von Sponsor "Allianz"
Dort, wo normalerweise der große "Allianz"-Schriftzug am Stadion hängt, ist nur noch die Trägerkonstruktion da.
Dort, wo normalerweise der große "Allianz"-Schriftzug am Stadion hängt, ist nur noch die Trägerkonstruktion da.
Weekend Magazin / Eitzinger

Erlebnis EM-Besuch: Als neutraler Fan beim Match

28.06.2024 um 12:15, Philipp Eitzinger
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Eine EM vor der Haustür! Wenn sich die Chance bietet, da ein Match live zu erleben, macht man das – auch ohne Bezug zu den Teams. Ein Fan-Bericht aus München.

Alles Rot! Klar: Wenn Dänemark gegen Serbien spielt, beide normalerweise in roten Trikots gewandet, dominiert diese Farbe natürlich rund um die Allianz Arena in München... sorry, natürlich die "EM-Arena München". Namen von Sponsoren, die nicht auch die UEFA unterstützen, sind im Rahmen eines solchen Turniers grob unerwünscht. Das sieht man schon alleine daran, dass der riesige "Allianz"-Schriftzug an der Außenhülle des Stadions abmontiert wurde.

Nur die Trägerkonstruktion ist noch zu sehen.

Bunt gemischte Fan-Gruppen

Die Einfahrt in das Parkhaus ist nur mit Reservierung möglich, funktioniert mit dieser dafür sehr entspannt. Auf dem großen Vorplatz vor dem Stadion schlendern schon drei Stunden vor Spielbeginn wahre Massen an Fans in Richtung Einlass, und zwar bunt gemischt: Solche mit Serbien-Trikots und solche mit Dänemark-Leiberln, dazwischen auch Deutsche und gelegentliche Österreicher. Alle sind entspannt, niemand pöbelt andere an. Die Stimmung: Vorfreude ja, Anspannung eigentlich nicht und Aggression schon gar nicht.

Da gaberlt sogar einer der Polizisten einen Ball gekonnt, ehe er ihn zu der Gruppe an jungen Besuchern zurückbefördert, von denen die Kugel zu der Handvoll an Einsatzkräften hingerollt war.

Säule mit Sonnencreme-Spender
Vor dem Stadion gibt's Gratis-Sonnencreme

Gratis-Creme und Wucher-Weckerl

Dass unmittelbar nach dem ersten Einlass – vom Parkplatz bzw. dem Bahnhof zum Stadion-Vorplatz – alle mitgebrachten Fahnen mit Desinfektions-Spray abgespritzt werden, wird von den Leuten mit leichter Überraschung, aber großem Gleichmut hingenommen. Ebenso wie die enormen Preise bei den Imbiss-Ständen: Das Grill-Sandwich kostet stolze 12 Euro, dennoch ist die Schlange davor so lang, dass schon der Weg zum Anstellen eine halbe Weltreise ist.

Gratis ist dafür die Sonnencreme: Zwischen den Imbiss-Buden und der Station von Tauschpickerl-Hersteller "Topps" steht eher unscheinbar eine grau-gelbe Säule mit Sonnencreme-Spender. An einem wolkenlosen Juni-Tag wie diesem keineswegs ein schlechter Service.

Österreich gegen Holland, so gut es geht

Nach dem zweiten Einlass, jenem unmittelbar beim Stadion, kommt man in den Innenraum und, schöne Überraschung: Auf den alle paar Meter aufgehängten Monitoren wird das Österreich-Spiel gegen die Niederlande gezeigt. Na, 40. Minute, Österreich führt 1:0, da bleibt man die paar Minuten bis zur Halbzeit noch davor stehen. Die Monitore sind überhaupt ein beliebter Treffpunkt der anwesenden Zuseher mit Österreich-Trikot. Zwei Stunden Anfahrt aus Salzburg, zweieinhalb aus Innsbruck, drei aus Linz – da muss man sich nicht mal für den Tag Urlaub nehmen.

Monitore unter der Tribüne des Münchner Stadions, auf denen das Österreich-Spiel gezeigt wird
Österreich-Holland auf den Monitoren unter der Tribüne

Zwei Stunden vor Spielbeginn sind nur wenige der rund 65.000 Plätze im Stadion besetzt, viel zu sehen gibt es auch noch nicht, dafür ist man dankbar über das Stadion-WLAN und dass man zumindest auf diese Weise das Österreich-Spiel verfolgen kann, denn die Vidiwall zeigt immer mal wieder ein paar Minuten davon, aber nicht durchgehend. Nachdem die Kunde vom Schlusspfiff in Berlin durchsickert, begrüßen sich Zuseher im ÖFB-Trikot nur noch mit einem Schlachtruf: "Gruppensieger, Gruppensieger, hey, hey!"

Umherstehende Dänen und Serben lächeln gnädig.

Sponsoren präsentieren alles

Und sonst? Man beobachtet die dänische TV-Crew mit den Ex-Spielern Flemming Povlsen und Thomas Gravesen sowie Moderatorin Josefine Högh bei ihren Vorbereitungen und findet es ein wenig befremdlich, dass alles von irgendeinem Sponsor präsentiert wird. Der offzielle DJ des Turnier ist da und Maskottchen Albärt tanzt dazu – präsentiert vom chinesischen Handy-Hersteller Vivo.

Die Mannschaften kommen zum Aufwärmen auf den Platz – präsentiert von Atos. Hier kommen die Aufstellungen der beiden Teams – präsentiert von Booking.com! Und nach dem Spiel, wer ist "Player of The Match – presented by Lidl"?

Stadion in München unmittelbar vor Spielbeginn
Gleich geht's los – aber vor Anpfiff noch die Hymnen

Das Match kann nix

Oh, Novak Djokovic ist im Stadion, wie man der Vidiwall entnimmt. Hinter den Toren sind die Fangruppen der Teams getrennt, überall sonst sitzen sie wiederum bunt gemischt. Zwei Fans, die etwas zu viel Bier getankt haben, sollten gegen Ende des Spiels kurz aneinander geraten, ansonsten herrscht friedliche Familien-Stimmung.

Die Plätze sind pünktlich zur kurzen Zeremonie vor dem Spiel gut gefüllt, die Hymnen schmettern durch das Stadion, gleich geht's los. Über das Spiel selbst – ein eher niveau- und weitgehend torchancenfreies 0:0 zwischen Dänemark und Serbien – lohnt es sich nicht groß zu sprechen. Das Geschehen auf dem Feld war nichts Besonderes, in diesem Fall besorgt man sich dann doch noch einen Snack.

Vidiwall im Münchner Stadion, das den Endstand von 0:0 zwischen Dänemark und Serbien anzeigt
Tore gab es zwischen Dänemark und Serbien keine – zumindest keine, die gezählt hätten.

Die Snacks, naja

Für wohlfeile 9,50 Euro bekommt man Chicken Nuggets, die – um Riley Andersen zu zitieren – eher nach Karton schmecken und Pommes, die in Salzlake statt in Öl herausgebraten worden sein dürften. Was man also an Hunger abbaut, baut man gleichzeitig an Durst wieder auf. Die Serben gingen mit den Trinkbechern im Übrigen nicht sehr sorgsam um: Nicht nur einmal warfen frustrierte Fans aus dem serbischen Block die Becher in Richtung Spielfeld, wo sie Dänemarks Torhüter Kasper Schmeichel in größter Gelassenheit aufsammelte – zum Ärger der Fans, die diesem Ärger Luft machten, indem sie weitere Becher auf das Feld warfen.

Besonders erbaulich war ja die Leistung ihrer Mannschaft auch nicht gewesen. Dass Serbien gewinnen musste, um eine Chance auf das Achtelfinale zu haben, war 90 Minuten lang nicht zu erkennen und nach dem 0:0 holten sich die Spieler pflichtschuldig vor dem serbischen Fan-Block stehend ihr Pfeifkonzert ab, drei Tage später kündigt Staatspräsident Aleksandar Vucic an, Trainer und Verbandsboss zum Rapport zu sich zu zitieren. Für die serbischen Spieler beginnt nun der Urlaub, aber auch die Fans aus Dänemark verbreiteten beim Abmarsch aus dem Stadion nicht gerade Optimismus.

Jetzt Achtelfinale gegen die Deutschen, na? "Puh", sagt der Däne, der im Weggehen in meine Schale mit den restlichen Pommes greift, "ich weiß nicht..."

Die serbische und die dänische Flagge auf der Außenhülle des Münchner Stadions
Das Münchner Stadion leuchtete nach dem Match in den Fahnen Serbiens und Dänemarks