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Martin Thür im Porträt vor dem Hintergrund des ZIB2-Studios
Die ZIB2 hat dem Ende der Wiener Zeitung einen ausgiebigen Bericht gewidmet. Auch Thür zollte Tribut.
Die ZIB2 hat dem Ende der Wiener Zeitung einen ausgiebigen Bericht gewidmet. Auch Thür zollte Tribut.
Thomas Ramstorfer / First Look / picturedesk.com

ZIB2 Martin Thür legt Beine hoch: "A schöne Leich"

30.06.2023 um 06:43, Stefanie Hermann
min read
ZIB2-Moderator Martin Thür legt im Studio mitten in der Sendung gemütlich die Beine hoch, die Zeitung in der Hand. Das hat einen ernsten Hintergrund.

So vermeintlich entspannt kennt man ZIB2-Anchorman Martin Thür eigentlich nicht. Gemütlich legt er die Beine auf den Tisch im Studio, die Zeitung in der Hand. Das Bild, das der ORF-Journalist zeichnet und mit seinen Followern auf Twitter teilt, hat einen ernsten Hintergrund. In Händen hält Thür die allerletzte Ausgabe der Wiener Zeitung. "A schöne Leich", befindet Thür. Gestern ist das letzte Print-Exemplar der ältesten Tageszeitung der Welt vom Band gelaufen.

Abhängigkeit als Amtsblatt

Vor 320 Jahren, am 8. August 1703, erschien erstmals die Wiener Zeitung, damals noch als "Wienerisches Diarium" mit gerade einmal zehn Seiten. Die Zeitung war auch das öffentliche Amtsblatt der Republik. Ausschreibungen, Unternehmensankündigungen, Konkurse und andere rechtlich relevante Informationen wurden in dem Druckwerk angekündigt und veröffentlicht. Die bedeutendste Einnahmequelle für die Zeitung versiegt heuer endgültig. Ab dem 1. Juli werden öffentliche Verlautbarung auf eine digitale Plattform ausgelagert. Für die gedruckte Wiener Zeitung war das letztlich auch der Todesstoß. Zuletzt hatte die Zeitung noch etwa 7.000 treue Leser. 63 Mitarbeiter haben ihren Job verloren.

Digital statt Print

Nach aktuellem Stand wird die Wiener Zeitung in einer Online-Version mit etwa 30 Mitarbeitern weiterbestehen. Der Fokus wird hier auf "lösungsorientiertem und Datenjournalismus" liegen. Tagesaktuelle Berichterstattung wird es nicht geben. Eine Wiederaufnahme der Printproduktion könnte 2024 möglich sein.

116.840 Tage,
3.839 Monate,
320 Jahre,
12 Präsidenten,
10 Kaiser,
2 Republiken,
1 Zeitung

Cover der letzten Ausgabe der Wiener Zeitung

"Eine schöne Leiche"

Für die letzte gedruckte Ausgabe hat sich die Redaktion noch einmal richtig ins Zeug gelegt. Wie die Redakteure anmerken, wollte man der Zeitung zumindest "eine schöne Leiche", also einen würdevollen und pompösen Abschied, bescheren. Zu diesem Zweck wurde auch die Auflage der letzten Printproduktion auf 50.000 Stück erhöht. "116.840 Tage, 3.839 Monate, 320 Jahre, 12 Präsidenten, 10 Kaiser, 2 Republiken, 1 Zeitung" ist auf dem Cover zu lesen. Die Ausgabe enthält unter anderem Interviews mit den beiden Altkanzlern Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel sowie Arnold Schwarzenegger. Auch Ex-Bundespräsident Heinz Fischer erweist der Zeitung seine letzte Reverenz. Die Journalisten selbst verabschieden sich mit Kurztexten.

Kritik an Schließung

Die Schließung der Wiener Zeitung ist als massiver Schlag für die österreichische Medienlandschaft zu werten. Drastisch wird sie von Kritikern als "medienpolitischer Vandalenakt kulturloser Barbaren" bezeichnet. Besonders heftig in der Kritik steht nach wie vor die Regierung. Sie habe es verabsäumt, rechtzeitig einen Käufer für die Zeitung zu finden. Auch wie es mit dem in Besitz der Republik stehendem Medium weiter gehen soll, sorgt ungemindert für Unruhe. Der Presseclub Concordia spricht von einem "unwürdigen Ende" und einem "undurchsichtigen Neustart". SPÖ-Chef Andreas Babler bezeichnet das Aus als "bitteren Tag für Österreich als Medienstandort und Kulturland". Er will einen Weg finden, der Zeitung zum Comeback als Printprodukt zu verhelfen.

Neueste älteste Zeitung

Die "neue" älteste Tageszeitung Österreichs ist damit übrigens "Die Presse". Sie erschien erstmals 1848. Demnächst feiert sie ihr 175-jähriges Bestehen.

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