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Krankenhaus Tirol
Im Februar 2023 wurde eine Pflegerin in Tirol auf einem OP-Tisch fixiert und festgehalten.
Im Februar 2023 wurde eine Pflegerin in Tirol auf einem OP-Tisch fixiert und festgehalten.
EXPA/ Johann Groder

An OP-Tisch gefesselt: Das Urteil ist da

17.10.2024 um 18:04, Stefanie Hermann & APA, Red
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Vier Krankenpfleger haben eine Kollegin auf einen OP-Tisch gefesselt. Sie mussten sich heute wegen schwerer Körperverletzung und Nötigung verantworten.

Vier Krankenpfleger, die eine Kollegin Ende Februar 2023 im Landeskrankenhaus Hall in Tirol auf einem Operationstisch fixiert und dort rund 15 Minuten festgehalten haben sollen, sind am Donnerstag am Landesgericht Innsbruck – nicht rechtskräftig – freigesprochen worden. "Im Zweifel zugunsten der Angeklagten", sagte Richter Paul Menardi. Die Männer hatten sich wegen Freiheitsentziehung, schwerer Nötigung und schwerer Körperverletzung verantworten müssen.

Freispruch erteilt

Die in Frage stehende Übung mitsamt der Fixierung habe an sich Sinn gemacht, führte Menardi in der Urteilsbegründung aus. Das Opfer habe sich zudem freiwillig auf den Operationstisch begeben. Die Angeklagten seien daher zu Beginn zu Recht von einer Einwilligung der Frau ausgegangen. Diese habe sie zwar in weiterer Folge widerrufen, jedoch sei nicht klar, auf welche Weise sie dies getan habe. "Dass sie es von Anfang an sagte, dass sie es nicht will, lässt sich jedenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen", sagte der Richter. "Es war eine Sauerei, aber nicht jede Sauerei ist strafrechtlich relevant", schloss Menardi.

Einvernehmliche Übung

Zuvor hatten schon die Verteidiger der vier Männer im Zuge ihrer Schlussplädoyers wortreich in dieselbe Richtung argumentiert. "Mein Mandant hat zwar den Gurt fixiert, ging aber von ihrem Einverständnis aus", sagte etwa der Anwalt des Erstangeklagten. Zudem sei die "Übung der Lagerung" für eine darauf folgende Operation notwendig gewesen. Die weiteren Verteidiger betonten, dass es sicherlich "keinen gemeinsamen Tatplan" gegeben habe sowie die Situation zu Beginn zweifellos "professionell ablief" und einen konkreten, beruflichen Zweck verfolgte. Dass die Sache danach "aus dem Ruder lief", stellte hingegen niemand in Abrede. Man müsse aber davon ausgehen, dass der "Widerruf" der Frau "nicht mit ausreichender Deutlichkeit" erfolgt sei und ihre Mandanten deshalb freizusprechen seien, betonten die Verteidiger.

Kein Tatplan

Die Staatsanwältin hatte zuvor diesen Ausführungen in ihrem Plädoyer hingegen widersprochen: "Die Tat dauerte zumindest mehrere Minuten und das Opfer hat mehrfach geäußert, dass sie losgebunden werden möchte." Das sei jedoch "zu spät" erfolgt, zudem sei der Nachweis eines "gemeinsamen Tatplans im Vorfeld" gar nicht notwendig, weil es auch ein "spontanes Zusammenwirken in der Situation" geben könne. Richter Menardi folgte dieser Einschätzung schließlich nicht. Die Staatsanwältin gab anschließend auf den Urteilsspruch keine Erklärung ab, womit die Freisprüche vorerst nicht rechtskräftig waren.

Vorwürfe bestritten

Dass, wie bereits am ersten Verhandlungstag thematisiert wurde, ein kollegiales und zum Teil sehr lockeres Verhältnis zwischen den vier Angeklagten und dem mutmaßlichen Opfer vorherrschte, war bei der Verhandlung am Donnerstag zuvor abermals zur Sprache gekommen. "Sie haben sehr oft miteinander Späße gemacht", erklärte etwa eine als Zeugin einvernommene Reinigungskraft, die das Geschehen im Operationssaal zuerst durch ein Fenster und dann im OP-Saal unmittelbar beobachtet hatte. Sie und ihr Nichterscheinen war übrigens ausschlaggebend dafür gewesen, dass der an sich für September angesetzte zweite Verhandlungstag auf Oktober verschoben worden war.

Zeugin spricht

"Ich hörte zuerst von allen Beteiligten lautes Lachen", sagte die Zeugin zu Richter Menardi. Im Operationssaal habe sie dann aber eine veränderte Stimmung wahrgenommen: "Sie hat nicht mehr gelacht und wollte schließlich den Hüftgurt lösen." Begleitet worden seien diese Versuche aber lediglich mit ihrer Äußerung "Ich kann nicht, ich kann nicht". Dennoch habe sie nicht gedacht, dass die Frau wirklich in Not war: "Sie hat nicht geschrien und auch nicht um Hilfe gerufen."

Stimmung gekippt

Dem widersprach die im Zuge des Vorfalls am Operationstisch fixierte 40-jährige Frau in ihrer kontradiktorischen Einvernahme vehement. "Ich habe geschrien und wollte ab einem gewissen Punkt einfach nur noch weg", erklärte sie. Für sie sei es außerdem "zu überhaupt keinem Zeitpunkt ein Spaß gewesen". Ursprünglich sei sie zwar "durchaus freiwillig" auf den OP-Tisch gestiegen, weil sie ihren Ex-Kollegen geglaubt hatte, dass sie die spezielle Lagerung für eine anstehende Operation tatsächlich "üben müssen", habe dann aber rasch bemerkt, dass man "mich verarscht".

Opfer bricht Schweigen

Gekippt sei die Situation schließlich endgültig, als Fotos von ihr gemacht worden seien und ihre Hose "bemalt" wurde. "Das war alles einfach so entwürdigend", gab das mutmaßliche Opfer unter Tränen zu Protokoll. Besonders die "Kombination von Fixierung, Fotos und Bemalung der Hose" sei für sie besonders schlimm und belastend gewesen. Auch sei eine solche Übung in dieser Form gar nicht üblich: "Man übt zwar natürlich Positionen und Lagerungen, aber dann gibt es keine Fixierung und es sind Vorgesetzte mit dabei."

Entwürdigende Behandlung

Am ersten Verhandlungstag Anfang Juni hatten die Pfleger und deren Verteidiger auf "nicht schuldig" plädiert. Damals gaben die Anwälte der vier Beschuldigten an, dass im Vorfeld bei einer Morgenbesprechung besprochen worden sei, eine "komplexe Operation, beziehungsweise die damit verbundene Lagerung üben zu müssen". Von einem "bewussten, geplanten Zusammenwirken" oder gar einer strafrechtlich relevanten Tat könne damit auch gar keine Rede sein. Die Frau habe gewusst, "dass diese Operation geübt werden muss", führte damals auch der Erstangeklagte aus. Es habe zudem eine "heitere, ausgelassene Stimmung geherrscht", die erst dann gekippt sei, als Fotos von dem mutmaßlichen Opfer in der knienden Position angefertigt worden seien. Ein Angeklagter räumte ein, dass die Situation entglitten sei und die Aktion "überschießend" gewesen sein könnte.

Absurder Scherz?

Die Staatsanwältin betonte hingegen damals, dass die Frau mehrmals gesagt habe, dass man sie losbinden solle. Die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter attestierte ihr darüber hinaus eine "Anpassungsstörung" und hielt fest: "Fakt ist, dass die Frau vorher gesund genug war, um ihren Alltag und Beruf problemlos zu bewältigen". Nun sei sie "vorerst arbeitsunfähig", habe Angst und leide unter einer depressiven Störung.

Psychische Folgen

Die vier Angeklagten im Alter von 48, 45, 50 und 31 Jahren sollen laut Staatsanwaltschaft im Februar letzten Jahres ihre Arbeitskollegin unter dem Vorwand, die Lagerung für eine Operation zu üben, bäuchlings kniend mit gespreizten Beinen mit Klettgurten auf einem OP-Tisch festgebunden haben. Trotz ihrer wiederholten Aufforderung sie loszumachen, soll sie erst losgebunden worden sein, nachdem der Drittangeklagte mit einem Edding-Stift einen Anus und eine Vagina auf ihre Arbeitshose aufgezeichnet hatte. Der Zweit- und der Viertangeklagte sollen zudem währenddessen von der Frau Fotos in dieser Position angefertigt haben. Die vier nach dem Vorfall suspendierten und schließlich fristlos entlassenen Mitarbeiter hatten ursprünglich angegeben, dass es sich um einen "Scherz" gehandelt habe.

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