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Mann im Hilfswerk
Heinz Wegerer vom Hilfswerk International
Heinz Wegerer vom Hilfswerk International
Hilfswerk International

Frontlinie: Augenzeuge berichtet aus der Ukraine

12.09.2024 um 12:15, Andrea Schröder
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Der Krieg in der Ukraine hat gravierende psychische Auswirkungen auf die Bevölkerung, insbesondere auf Kinder und Erwachsene in den stark betroffenen Regionen.

Die österreichische Nachbar in Not Organisation Hilfswerk International bietet in Kinderräumen dringend benötigte psychologische Hilfe und unterstützt auch Erwachsene mit professioneller Betreuung. Nothilfekoordinator Heinz Wegerer:

Die Daueranspannung hinterlässt selbst bei mir Spuren. Unvorstellbar, was das mit mehr als 35 Millionen Menschen, deren Alltag seit mehr als 2,5 Jahren daraus besteht, macht.

Heinz Wegerer

Psyche leidet

Eine aktuelle Studie des in Kiew ansässigen Forschungsinstitutes Gradus zeigt, dass immer mehr Menschen in der Ukraine psychologische Unterstützung benötigen.

Helfer unter Beschuss

Das deckt sich mit den aktuellen Beobachtungen von Hilfswerk International Nothilfekoordinator Heinz Wegerer. Seit zwei Wochen ist er in der Ukraine und besucht die Hilfswerk International Projekte an der Frontlinie. Seit 14 Tagen und 14 Nächten erlebt er beinahe dauerhaften, dröhnenden Luftalarm, massiven Beschuss und muss regelmäßig Schutzkeller aufsuchen.

Porträt auf einer Straße voller Trümmer
Hilfswerk-Mitarbeiter Heinz Wegerer vor Ort in der Ukraine.

Ich spreche täglich mit Kindern, die Elternteile verloren haben. Die ihre Freunde vermissen. Die Tag und Nacht große Angst haben.

Heinz Wegerer

Alltag an der Frontlinie

Die Menschen in den Hilfswerk International Projektregionen im Osten und Südosten der Ukraine, in Nikopol und Kharkiv, erzählen Wegerer von ihren vielfältigen Problemen. Diese reichen von der Trauer um Angehörige und Freunde über die ständige Angst um Leib und Leben, die geschlossenen Schulklassen, den fehlenden Sozialkontakt, die Perspektivlosigkeit bis hin zu ökonomischen Herausforderungen. 

Kaum Hilfsangebote

All das führt zu unbeschreiblichen Schwierigkeiten. Ausreichende Angebote an psychologischer Hilfe fehlen jedoch. Insbesondere entlang der Frontlinie gibt es viel zu wenig niederschwellige Angebote, die die Bevölkerung in Anspruch nehmen kann. 

Helfer im Gespräch mit zwei Burschen im Alter von ca. 10 Jahren
Das Hilfswerk International engagiert sich für Familien und ihre Kinder in der Ukraine.

Ein paar Stunden Freude

Das Hilfswerk International bietet in Kinderräumen in Nikopol und Kharkiv dringend benötigte psychologische Unterstützung. Die Aktivitäten reichen von Kunst- und Theaterangeboten, Bastelstunden, Yoga und Gesangsaktivitäten bis hin zu psychologischer Beratung und Unterstützung. Die Kinder schätzen den Austausch mit Gleichaltrigen. Es hilft ihnen, den Krieg für ein paar Stunden zu vergessen

Spielende Kinder mit Betreuerinnen
Basteln, spielen, Spaß haben: Kinderraum des Hilfswer International

Die Kinder in der Ukraine brauchen Hilfe von Expertinnen und Experten. Unsere Kinderräume in Nikopol und Kharkiv bieten genau das: professionelle Psychologinnen und Pädagoginnen nehmen sich hier um die Sorgen und Ängste der Kinder an.

Heinz Wegerer

Gespräch mit Danylo

Danylo ist 8 Jahre alt und lebt in Kharkiv. Vor dem Krieg war Fußball sein größtes Hobby. Jeden Tag traf er sich draußen mit Freunden, um Fußball zu spielen. Eines Tages schlug eine Rakete direkt in seinem Kinderzimmer ein. 

Ich war gerade bei meiner Oma zu Besuch, darum ist mir nichts passiert. Seitdem mag mein Papa aber nicht mehr, dass ich Fußball spielen gehe. Er sagt, es ist zu gefährlich. Ich verstehe es, denn die Raketen sind wirklich sehr laut und wenn ich daran denke, bekomme ich weiche Knie und ein bisschen Angst. Ich gehe jetzt zum Spielen zu dem Kinderraum. Da sehe ich zumindest meine Freunde. Hier können wir gemeinsam spielen, bis der Krieg vorbei ist“

Danylo
Vater hat den Arm um die Schulter des Sohnes gelegt
Danylo und sein Vater

Die Trauer der Waisen

Die Geschichte von Danylo ist nur eine von vielen, die Heinz Wegerer bei seiner Projektreise hört. "Kinder haben einen oder beide Elternteile verloren. Diese Trauer zusätzlich zu geschlossenen Schulen, zerbombten Kinderzimmern und einem dauerhaften Angstzustand führt zu massiven psychologischen Herausforderungen. Jeder Mensch reagiert anders. In unseren Kinderräumen hören wir von Kindern, die aufhören zu sprechen, mit 12 Jahren wieder Bettnässen, sich isolieren oder zu stottern beginnen.“

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