Extreme Gegensätze: So verrückt ist Amerika
Inhalt
- Wachsender Reichtum, wachsende Armut
- Glaube gegen Wissenschaft
- Religion im Schulalltag
- Paradox: Abtreibung und Todesstrafe
- Schusswaffen als Lebensstil und Grundrecht
- Drogenkrise außer Kontrolle
- Das Gesetz und seine Opfer
Matthew hat einen Traum: Sich am nächsten Tag eine warme Mahlzeit kaufen zu können und die nächsten Nächte in Washington nicht bei Regen im Freien schlafen zu müssen. Ja, auch so kann der American Dream für viele aussehen. Rund 700.000 Menschen leben zwischen San Francisco und Boston unter Brücken, in aufgelassenen Hallen, oder schlafen in U-Bahn-Stationen. Schauplatzwechsel: In New York überlegt sich Helen, ob sie sich und ihren zwei Hunden ein Penthouse mit über 1.200 Quadratmetern leisten soll. Für die Milliardärin ist die 120 Millionen Dollar teure Immobilie ein Schnäppchen.
Wachsender Reichtum, wachsende Armut
Beim Vermögen zeigt sich die Spaltung der Nation am deutlichsten. Schätzungen gehen davon aus, dass über 22 Millionen Menschen in den USA über eine Million Dollar besitzt. 10.000 Menschen sollen mehr als 100 Millionen besitzen, 800 dürfen sich über ein Milliardenvermögen freuen. Am anderen Ende der Einkommenspyramide sieht es im Gegenzug trist aus: 2023 lebten rund 37 Millionen US-Bürger – das entspricht 11,1 Prozent der Gesamtbevölkerung – unter der Armutsgrenze.
Glaube gegen Wissenschaft
Die USA gelten als Land der Wissenschaft und des Fortschritts. Zu Recht, so gingen 368 Nobelpreise an US-Bürger und die Eliteuniversitäten Standford oder Harvard gehören zu den besten Bildungseinrichtungen der Welt. Überraschend daher die Tatsache, dass rund 40 Prozent der US-Bürger Darwins Evolutionstheorie ablehnen und davon ausgehen, Gott habe die Welt vor 10.000 Jahren in sieben Tagen erschaffen.
Religion im Schulalltag
Dass Noah schon 600 Jahre alt war, als er mit dem Bau der Arche begann, und die Dinosaurier gemeinsam mit den ersten Menschen die Erde bewohnt haben, gilt für die Anhänger des Kreationismus als selbstverständlich. Und obwohl die Verfassung der USA eine strenge Trennung von Staat und Kirche vorsieht, hindert das einige Bundesstaaten nicht daran, gesetzliche Regelungen zu erlassen, die das Anbringen der zehn Gebote in den Klassenzimmern oder fixe Bibelstunden vorschreiben.
Paradox: Abtreibung und Todesstrafe
Welches Leben ist wertvoll? Auch hier zeigt sich keine klare Linie. Während Abtreibungen in vielen Bundesstaaten der USA de facto verboten sind, ist die Todesstrafe vielerorts noch gelebte Praxis. So sind die Vereinigten Staaten die einzige Industrienation – neben Japan –, in der Hinrichtungen noch erlaubt sind.
Schusswaffen als Lebensstil und Grundrecht
Nach FBI-Schätzungen hat etwa jeder vierte US-Amerikaner eine Schusswaffe, das sind 81 Millionen Waffenbesitzer. Im Jahr 2024 wurden in den USA bis Anfang Oktober rund 12.800 Todesfälle – ohne Selbstmorde – durch Schusswaffen erfasst. Zum Vergleich: In Österreich gibt es in Summe rund 20 Morde pro Jahr, die in Zusammenhang mit Waffengewalt stehen. Diese Zahlen konnte die US-Politik aber bisher nicht zu einem Umdenken bewegen. Schuld daran ist die National Rifle Association of America (NRA) mit ihren Millionen Mitgliedern. Die Waffenlobby bringt dabei den zweiten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten ins Spiel, das den Staatsbürger das Recht, eine Waffe zu tragen, garantiert.
Drogenkrise außer Kontrolle
Wer schon einmal in den USA war, der weiß: Um ein Glas Wein oder Bier zu trinken, muss man 21 Jahre alt sein und sich unter Umständen an der Bar ausweisen, um sein Alter belegen zu können. Strikte Gesetze also, diese gibt es auch gegen den Verkauf oder den Besitz von Kokain oder anderen Drogen. Dennoch scheint die US-Regierung den Kampf gegen die Rauschmittel längst verloren zu haben. Über 100.000 Amerikaner sterben jährlich am Konsum von Opiaten und Co. Tendenz steigend.
Das Gesetz und seine Opfer
Drakonische Strafen – selbst bei Finanzvergehen. Erniedrigung der Strafgefangenen oder Isolationshaft können an einer Tatsache nichts ändern: In keinem anderen Land der Welt sitzen so viele Menschen hinter Gittern wie in den USA. Rund zwei Millionen Menschen verbringen Jahrzehnte oder teilweise sogar bis zu ihrem Tod in den Gefängnissen. Nach einer Haftstrafe bleiben Verurteilte in den USA – mehr als in vielen anderen Ländern – Menschen zweiter Klasse. Die rund 80 Millionen vorbestraften US-Bürger haben es nicht nur schwer, eine Arbeit, eine Wohnung oder einen Kredit zu bekommen. Wer in den USA einmal im Gefängnis war, hat sein Wahlrecht verloren – manchmal sogar für immer. Das trifft besonders Schwarze und Lateinamerikaner: Denn sie stellen über die Hälfte der Gefängnisbevölkerung.