Skandinavier sind fortschrittlicher
Frau Steiner, Sie sind seit mehr als zwei Jahren im Vorstand der VKB und in Österreich immer noch eher die Ausnahme als die Regel. Warum ist das so?
Bei Bank-Vorstandspositionen geht es in Österreich nur langsam voran. Laut einer aktuellen Umfrage vom Bankenverband waren im Jahr 2010 6 Prozent der Vorstände von Aktienbanken weiblich, 2022 waren es 14 Prozent. Das ist keine berauschende Entwicklung. Andere Länder schneiden deutlich besser ab, allen voran Norwegen, wo die Hälfte aller Bankvorstände weiblich ist. Auch in den osteuropäischen Ländern ist das Verhältnis deutlich ausgeglichener. In den Niederlanden beträgt die Frauenquote an der Spitze 40 Prozent, in Großbritannien 36 Prozent, Irland 34 Prozent und Schweden 35 Prozent Es geht auch anders, wie man sieht.
Ist das ein gesamtösterreichisches Spezifikum?
Die Finanzbranche ist auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es ist daher nicht nur eine Frage der Unternehmenskultur – neben anderen Faktoren spielen auch Fragen des vorherrschenden Frauenbilds sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einem Land eine Rolle. Andere Länder sind hier deutlich fortschrittlicher. Dass jene Länder, in denen Ganztagesschulen und der rasche Wiedereinstieg ins Berufsleben selbstverständlich sind, auch höhere Frauenquoten in Spitzenpositionen aufweisen als Länder, wo das nicht der Fall ist, ist wenig überraschend. Österreich liegt bei der flächendeckenden Kinderbetreuung im europäischen Vergleich weit hinten. Für eine Mutter sind diese strukturellen Gegebenheiten wichtig, um möglichst schnell in den Job zurückzukehren.
Sind Arbeitgeber im Banken- und Finanzbereich generell attraktiv für Frauen, die beruflich weiterkommen wollen?
Bei allgemeinen Führungspositionen sieht es besser aus, auch weil proaktiv Initiativen gesetzt werden. Bei der VKB sind 325 Frauen und 223 Männer beschäftigt, im Privatkundenvertrieb verzeichnen wir auf Teamleiter-Ebene einen Führungskräfteanteil bei Frauen von über 50 Prozent. Wir fördern solche Entwicklungen, beispielsweise durch gelebte und aktive Netzwerke sowie Programme und Initiativen. Wir haben eine Kooperation mit einer Krabbelstube in Linz, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VKB ihre Kleinsten anmelden können. Die VKB bietet zahlreiche Arbeitszeitmodelle und eine großzügige Homeoffice-Regelung an. Daran soll es nicht scheitern, um Talente zu gewinnen und den Aufstieg zu fördern – wir tun, was wir können. Dennoch sehen wir, dass Kolleginnen oft interessante Jobangebote ablehnen und in Teilzeit bleiben wollen. Ein jahrelanger Karriereknick, der oft nur sehr schwer aufzuholen ist.
Welche Rezepte oder Vorbilder für die Karriere können Sie nennen?
Generalisierende Aussagen sind schwierig. Jeder muss selbst seinen eigenen Weg finden und gehen. Aber Vorbilder sind wichtig. Es gibt eine Reihe von Kolleginnen in Österreich, die ich nennen könnte. Außerhalb Österreichs finde ich die Biografie von Ana Botin, der Aufsichtsratsvorsitzenden der spanischen Banco Santander, beeindruckend. Sie kommt aus der Gründerfamilie, hat die Expansion der Bank vorangetrieben und zählt heute zu den einflussreichsten Managerinnen Europas.