Persönliche Begegnungen sind nicht zu ersetzen
So rasch es bergab ging, so rasch ging es auch wieder nach oben – mit ein paar Veränderungen und neuen Gefahren. So kann man die Lage der Tagungs- und Kongressbranche in Österreich seit 2019 zusammenfassen. „Corona ist durch. Man kann alles verplanen, nur dummerweise ist danach die Inflationsgeschichte gekommen. Die spürt der Markt leider auch sehr“, sagt Thomas Ziegler, Geschäftsführer des Design Center Linz und Vorstandsmitglied des Austrian Convention Bureau (ACB) sowie Präsident der RTK Round Table Konferenzhotels. Fast alle hätten derzeit dieselben Probleme, sagt der Veranstaltungsprofi. Publikumsveranstaltungen generell, aber insbesondere Events rund um das Thema Bau spüren die eingetrübte Wirtschaftslage, die Teuerung sowie die gestiegenen Kreditzinsen. Nicht nur Besucher bleiben aus, auch Aussteller stehen auf der Kostenbremse. Die Messe „Haus und Wohnen“, die jährlich Mitte November im Design Center Linz stattfindet, werde 2023 maximal 60 Prozent des üblichen Ausstellerniveaus erreichen, sagt Ziegler. Auch B2B-Veranstaltungen seien schwieriger geworden: Bei produzierenden Unternehmen schlagen die hohen Stromkosten durch. „Und wie immer wird bei Werbeausgaben zuerst gespart, Messe- und Veranstaltungen sind da inbegriffen.“ Die Kommunikations- und Eventbranche sei eine Art Seismograf für wirtschaftliche Veränderungen – das gilt für Krisen und Aufschwünge gleichermaßen.
Wieder auf dem Niveau von 2019
Für heuer kann Ziegler dennoch nicht klagen. „Es geht uns als Design Center gut. Wir werden umsatzmäßig das Niveau von 2019 erreichen. Wir haben allerdings auch etwas Glück gehabt, weil die Bildungsfachmesse Interpädagogica, die im Frühjahr 2022 aufgrund von Corona-Effekten ausgefallen ist, heuer im Herbst nachgeholt wird. Das nächste Jahr wird in der Planung herausfordernder, auch weil kurzfristiger geplant und gebucht wird, auf diesen Trend müssen sich Veranstalter zunehmend einstellen.“ Dass auch die hohen Strom- und Energiekosten bei Häusern wie dem Design Center Spuren hinterlassen, ist keine Überraschung. „Wir sind heute gut 10 Prozent teurer als im Jahr 2020“, sagt Ziegler. Völlig daneben lagen manche mit ihren Prognosen während der Pandemie, dass Onlineformate im Tagungs- und Kongresstourismus die üblichen Präsenzveranstaltungen großteils ablösen würden. Ziegler: „Daran habe ich nie geglaubt. Menschen sind geboren, um sich zu treffen. Persönliche Begegnungen sind nicht zu ersetzen. Der zwischenmenschlich wichtige Smalltalk bei einem Glas Wein funktioniert per Videokonferenz nicht. Online ist alles unpersönlicher.“ Nur Hybridformate seien gekommen, um zu bleiben. Dabei werden oft Menschen online zugeschaltet, die ohnehin nicht zu einem Kongress gekommen wären. Eine Win-win-Situation.
Flexibel agieren und frisch kochen
Ein ähnlicher Trend ist auch im Seminarbereich feststellbar: „Online ist dort ein Thema, wo es vor der Pandemie auch schon eines war. Einfache Schulungsprogramme oder Einstiegskurse werden online durchgeführt. Aber sonst sind Kundinnen und Kunden wieder sehr froh, persönlich da sein zu können“, sagt Günther Lengauer, Geschäftsführer beim Bildungshaus Sankt Magdalena. Nur Hybridveranstaltungen haben sich im Seminarbereich nicht durchgesetzt. Was sich verändert hat, sei die Größe der Gruppen, die sich von rund 20 auf etwa 15 Teilnehmer verringert hat. Das zeige die hausinterne Statistik. Diese Entwicklung führt Lengauer auf die Pandemie zurück. „Neu ist die zunehmende Unverbindlichkeit. Kurzfristige Anmeldungen und Abmeldungen nehmen zu. Da muss man als Veranstalter flexibel sein.“ Das familiär geführte Haus samt Hotel und neu adaptierter Küche am Rande von Linz punktet als Gesamtanbieter mit einem hauseigenen Bildungsprogramm. „Wir kochen alles frisch, das ist selbst in der Gastronomie nicht mehr Standard.“ Bei den Seminaren seien Organisationsentwicklung, Persönlichkeitsbildung, Selbstreflexion und Purpose – die Suche nach dem Sinn – als Gegenpol zur Digitalisierung gefragt. Das Bildungshaus Sankt Magdalena führt jährlich etwa 950 Veranstaltungen, überwiegend Seminare, durch und beschäftigt rund 30 Mitarbeiter.
Viel Ruhe und soziale Nachhaltigkeit
Von einem raschen Aufholprozess nach Corona spricht auch Claudia Pauzenberger vom Hotel Wesenufer in Waldkirchen am Wesen. „Wir bewegen uns wieder auf dem Niveau von 2019.“ Das Hotel veranstaltet keine eigenen Seminare, lebt aber überwiegend von den Nächtigungen mehrtägiger Seminare. „Unser Hotel ist am Land direkt an der Donau, da gibt es kaum Ablenkung, das schätzen unsere Auftraggeber“, sagt Pauzenberger. Vor Kurzem war eine große Seminarveranstaltung des Umweltdachverbands im Haus, da seien auch Gäste aus der Schweiz angereist. „Zu uns kommen viele, weil sie auch einen sozialen Auftrag sehen. Wir sind das einzige Inklusionshotel Österreichs. Soziale Nachhaltigkeit wird immer wichtiger“, sagt Pauzenberger. Das Seminarhotel wurde 2008 von pro mente OÖ initiiert, um die Region „Oberes Donautal“ in wirtschaftlicher und arbeitsmarktpolitischer Ausrichtung zu stärken und um im Rahmen eines Sozialprojekts Menschen mit psychischen und psychosozialen Beeinträchtigungen sinnstiftende und somit gesundheitsfördernde und inklusive Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten. Das Seminarhotel Wesenufer wurde mehrfach ausgezeichnet und beschäftigt 35 Mitarbeiter und etwa 45 Klienten.