Michael Schmidt: (Auto)Frühlingsgefühle?
Wie laufen die Planungen für den diesjährigen Autofrühling?
Sehr gut. Es sind, wie gehabt, alle Marken und alle Händler, die bisher an Bord waren, wieder mit dabei. Ich war ehrlich gesagt ein wenig nervös, als wir uns im vergangenen November zu einer Sitzung trafen. Machen wieder alle mit? Fallen uns Marken weg? Machen wir überhaupt weiter? Es kamen aber alle, die geladen wurden, und das Feedback war ganz klar positiv. Das hat mich in dieser Klarheit überrascht. Unsere Autofrühling-Partner sind allesamt hoch motiviert, also ganz genau das Gegenteil von dem, was man sonst so aus der Branche hört.
Dennoch steht die Branche vor einem enormen Wandel. Einige Hersteller wollen künftig Autos vermehrt über das Netz anbieten, andere stellen auf Agenturgeschäft um. Welche Rolle bleibt da dem Händler und was sagen die Kunden dazu?
Tesla hat vorgezeigt, dass es über den Onlinedirektvertrieb funktioniert. Dem Hersteller bleibt mehr Geld – und die Endkunden vergessen recht schnell. Vor der Pandemie war eine Wartezeit von acht Wochen für Kunden fast nicht akzeptabel, doch dann nahmen sie Zeiten von einem Jahr in Kauf. Mittlerweile sind fast alle großen europäischen Hersteller beim Agenturgeschäft nachgezogen. Die Stellantis-Gruppe steckt mittendrin, auch Mercedes zieht nach. Im Fall unserer Marken wird Mini bis Ende des Jahres umgestellt, BMW ab 2026. Wir werden vom Händler zum Agenten, sprich, der Kunde kann sich im Autohaus die Wagen ansehen, die der Importeur uns zur Verfügung stellt. Wir beraten wie bisher und die Kunden können mit unseren fachkundigen Verkäufern die Autos konfigurieren. Der Unterschied: Man bekommt vom Hersteller für jedes verkaufte Auto eine fixe Auslieferungsprovision. Wir besitzen dann keine eigenen Autos mehr, also auch nicht mehr alle Vorführwagen. Will der Kunde ein bestimmtes Modell, das wir gerade nicht haben, muss er künftig nach Amstetten, Innsbruck oder sonst wohin fahren, wenn dort sein Wunschmodell steht. Es wird also zu einem reinen Agenturgeschäft. Nur die Werkstatt bleibt bei uns. Ob wir dann auch weiterhin mit Gebrauchtwagen handeln dürfen, wird erst verhandelt. Der Vorteil dabei: Wir benötigen keine Lager mehr.
Apropos Gebrauchte: Die Preise sinken nach Jahren wieder. Wie geht man mit dieser Volatilität um?
Die Bestände steigen und die Preise sinken, so einfach ist das. Wenn nichts da ist, sind die Preise relativ stabil und man kann sie stolz durchsetzen. Jetzt quellen die Gebrauchtwagenplätze bei allen wieder über und man muss die Preise wieder reduzieren. Diejenigen, die viele Neuwagen ausliefern konnten und können, haben klarerweise auch viele Gebrauchte.
Chinesische Automarken sind am Vormarsch. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
In der Pandemie hieß es: Kauft heimische Qualität. Unsere Zulieferindustrie hat ihr Hauptgeschäft in Europa. Chinesische Autos sind aber nicht mehr wegzudenken. Sie bauen in guter Qualität und in riesigen Mengen. In den 1970er-Jahren war es mit japanischen Autos genauso. Es ist eben ein freier Wettbewerb.
Wenn man sich den Automarkt als Analogie zur Gesellschaft vorstellt, könnte man die These aufstellen, dass die „Mittelklasse“ wegzubrechen droht. Es geht mehr in Richtung Premium, gleichzeitig, angetrieben von chinesischen Fabrikaten und aktuellen Preissenkungen, aber auch in Richtung günstigere Segmente. Stimmen Sie dem zu?
Das sehe ich genauso und das zieht sich seit Längerem überall durch. Es begann bei Textilien und Bekleidung. Dort gibt es scheinbar nur noch Diskont- oder Premiumware. Das mittlere Marktsegment im Autohandel zwischen 20.000 und 30.000 Euro nimmt ab. Im Segment ab 60.000 Euro gibt es wieder viel Angebot. Die Zahl der Reichen wird sich bis 2030 angeblich verdoppeln, gleichzeitig bricht der Mittelstand weg. Ich fürchte, dass das Segment der günstigen Neuwagen ganz den asiatischen Herstellern übrig bleibt.
Sie scheinen dennoch optimistisch zu sein. Was nährt ihren positiven Blick?
Schmidt: Weil ein Auto mehr Emotionen weckt als sonst etwas. Kaum ein Gegenstand wird mehr gepflegt. In Kundengesprächen wird von all den Autos geschwärmt, die man hatte, an allen hängen Geschichten. Die Jüngeren sind nicht mehr ganz so autoverliebt, die Anzahl der Führerscheinneulinge wird weniger. Dennoch geht in meinen Augen die Transformation der individuellen Mobilität erst so richtig los – und das wird noch viel spannender, als es jetzt ist. Die E-Mobilität ist lange noch nicht das Ende der Fahnenstange, auch wenn heuer mehr Stromer als Diesel zugelassen wurden – und das im Weltmeister-Dieselland Österreich. Österreich liegt bei neu zugelassenen elektrischen BMWs weltweit nach Norwegen auf Platz zwei. Egal ob man Elon Musk mag oder nicht, er hat als Einzelperson die Automobilwirtschaft nach 150 Jahren ins Wanken gebracht. Doch die Entwicklung geht weiter. Aus Wasserstoff Strom zu erzeugen, fünf Minuten zu tanken und 800 Kilometer weit emissionsfrei zu fahren, das hört sich schon ziemlich sexy an.