Direkt zum Inhalt
Warhouse Dachser
Das neue Warehouse von Dachser in Linz-Hörsching kommt dem Outsourcing-Trend entgegen.
Das neue Warehouse von Dachser in Linz-Hörsching kommt dem Outsourcing-Trend entgegen.
DACHSER

Michael Rauhofer von Dachser über neue Strategien

12.06.2023 um 14:17, Jürgen Philipp
min read
Michael Rauhofer leitet seit 2016 die Niederlassung von Dachser Austria in Linz-Hörsching. Rauhofer über neue Herausforderungen und Strategien.

CHEFINFO: Wie haben Sie persönlich die letzten Jahre erlebt?
Michael Rauhofer: Es war eine anspruchsvolle und fordernde Zeit. Dank unserer Netzwerkvorteile und unserer Mitarbeiter konnten wir sie mit großer Stabilität und Resilienz meistern. Grundsätzlich hat uns die Pandemie die Abhängigkeiten in der globalen Lieferkette deutlich vor Augen geführt. Der Lockdown eines chinesischen Werks im medizinischen Bereich kann schnell etwa zu einem Mangel an Kontrastmitteln führen. Schon müssen Operationen verschoben werden. Doch es ist schwer, sich von den globalisierten Wirtschaftsströmen abzukoppeln. Ein Medikament, das in Vietnam um drei Euro pro Stunde produziert wird, würde beispielsweise in Linz 30 Euro kosten. Die nötigen Arbeitskräfte dafür zu finden wäre ebenfalls schwierig. Sinnvoller ist es daher, sich als Unternehmen breiter aufzustellen: zum Beispiel mehr Ware vor Ort zu lagern.

Logistiker stehen an vorderster Front beim Thema Lieferketten. Lange hieß es, dass sich die Thematik im zweiten Quartal 2023 entspannen sollte. Können Sie das bestätigen?
Rauhofer: Derzeit haben wir keine Lockdowns in China. Das hilft schon mal enorm. Dass es auch unabhängig davon zu Engpässen kommen kann, konnte man kürzlich in britischen Supermärkten beobachten, etwa bei Obst und Gemüse. Die pandemiebedingten Lieferengpässe bei Rohstoffen, Computerchips und Autoersatzteilen sind zwar deutlich zurückgegangen, aber selbst wenn beispielsweise Medikamente verfügbar sind, kann es immer noch zu Engpässen kommen, wenn kurzfristig Verpackungsmaterial fehlt. Daraus haben viele Unternehmen bereits gelernt. Sie verlassen sich nicht mehr nur auf ein Land und haben ihre Lieferantenbasis deutlich verbreitert.

Michael Rauhofer, Niederlassungsleiter DACHSER Linz
Michael Rauhofer, Niederlassungsleiter DACHSER Linz.

Die Globalisierung verändert sich. Die USA rufen „bring production back to US“ aus, auch die EU will Produktionen wieder zurückholen. Welche Auswirkungen hat das auf die Logistikbranche?
Rauhofer: Die USA wollen sich etwa mit dem Schlüsselprodukt Mikrochips in Zukunft selbst versorgen. Wenn das klappt, könnte mit der ­Pharmaindustrie die nächste Schlüsselindustrie folgen. Wie sich die Lieferketten hinter den Kulissen verändern, zeigt eine ­Umfrage von Gartner unter 400 Supply-Chain-Managern im zweiten Quartal 2022: 74 Prozent von ihnen haben in den vergangenen zwei Jahren Veränderungen bei der Größe und Anzahl der Standorte in ihrem Liefernetzwerk vorgenommen. Wir sprechen also von einer Transformation der globalen Lieferketten. Allerdings ist es unmöglich, alles aus China zu verlagern. Zu komplex und einzigartig ist die jahrzehntelang aufgebaute Infrastruktur unzähliger Fabriken und Produktions­erfahrungen. China besitzt zudem die Hälfte der weltgrößten Containerhäfen.

Jahrelang dominierte und funktio­nierte die „Just in time“-Philosophie. Gab es da einen Kulturwandel bzw. ist „Just in time“ heute überhaupt noch machbar?
Rauhofer: Das bisherige „Just-in-time“-Prinzip ist mehr als angeschlagen. Für unsere Kunden steht aktuell die gesicherte Versorgung an oberster Stelle. Doch das Ende von „Just in time“ könnte der Beginn einer Lieferkette sein, die vor allem durch Daten gesteuert wird. Mithilfe von voraussagenden Analysen zur dynamischen Bedarfsprognose werden Engpässe bei einzelnen Rohstoffen und Produkten oder kurzfristige Kauftrends schon sichtbar, bevor sie eintreten. So können Unternehmen z. B. eine Holzknappheit durchspielen, bevor sie tatsächlich passiert, und damit besser planen.

Ein Medikament, das in Vietnam um drei Euro pro Stunde produziert wird, würde beispielsweise in Linz 30 Euro kosten.

Michael Rauhofer

Welche großen Trends wird es aus Ihrer Sicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Ihrer Branche geben?
Rauhofer: Der verstärkte Einsatz von Automatisierung und künstlicher Intelligenz (KI) wird die Logistik revolutionieren. KI-basierte Lösungen werden zunehmend eingesetzt, um logistische Prozesse zu unterstützen und zu optimieren. Damit sind enorme Effizienzsteigerungen möglich. Wer innova­tive Technologien und Datenanalysen einsetzt, hat zudem die Chance, Kosten zu senken. Dem wird sich kein Unternehmen verschließen. Die gesamte Branche ist gefordert, nachhaltigere, umweltschonendere und energieeffizientere Logistikkonzepte zu entwickeln.