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KI als Sparringspartner

15.12.2023 um 12:00, Klaus Schobesberger
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Die Kreativdienstleister haben gelernt, mit neuen Technologien umzugehen. Künstliche Intelligenz wird entgegen mancher Erzählungen positiv angenommen.

Karl „Charlie“ Frauscher, Jahrgang 1952, ist ein Texter und Konzeptionist der alten Schule. Er kreierte für Hartlauer den immer noch aktuellen Claim „Tigern Sie zum Löwen“ und ist für unzählige erfolgreiche Kampagnen mitverantwortlich. „Kreativität ist eine Frage des Muts. Das galt früher und gilt heute umso mehr“, sagt Frauscher. Heute geht es um Klicks, um Likes und nicht mehr um Ästhetik. Die Leistung der Kreativen werde nicht mehr honoriert, Botschaften wer- den austauschbarer und man ist wieder bei den Marktschreiern des Mittelalters angekommen. Den Einzug der künstlichen Intelligenz in die Kreativwelt sieht er aber positiv: „AI ist ein Sparringspartner. Sie kann helfen, zusätzliche Aspekte zu einem Produkt zu generieren. Aber im Vordergrund muss die Idee stehen. In dieselbe Kerbe schlägt Branchensprecher und Inhaber der Agentur C+M Christof Schumacher: „Maschinell reproduzierte Kreativität wird gewisse Aufgaben besser und schneller als Agenturen erledigen können. Wenn es aber um empathische Lösungskompetenz als Kreativleistung geht, ist der Mensch unersetzbar“, sagt Schumacher.

stroblbinder
Clemens Strobl und Lukas Binder leiten die Agentur stroblbinder in Linz und setzen auf Kollaboration statt Größe

Kollaboration zählt mehr
Lukas Binder, Co-Gründer der jungen Linzer Agentur stroblbinder, sieht die Agenturbranche im Wandel in Richtung überschaubare Einheiten, kleine Studios, One-Man- und One- Woman-Shows. Heute zähle bei Projekten mehr der kollaborative Charakter als das Dahinarbeiten innerhalb der eigenen Mauern. „KI verstärkt den Wandel noch zusätzlich, weil Prozesse auf verschiedenen Ebenen ganz neu gestaltet werden“, sagt Binder. Der menschliche USP gegenüber der Maschine ist „dieses Reinhören in Unternehmen“, das Verstehen, was macht das Unternehmen aus, was ist seine DNA, seine Wertekultur und Positionierung? „Dafür muss man mit Menschen reden und nicht mit einer KI.“

KI verstärkt den Wandel, weil Prozesse auf ganz verschiedenen Ebenen neu gestaltet werden.

Lukas Binder, stroblbinder, Linz

KI unterstützt die Agentur
„KI ist seit Jahren in unserem digitalen Ökosystem. Etwa im Bereich von Programmatic Advertising – also der Schaltung und Ausspielung von Onlinewerbung für eine definierte Zielgruppe in Tausenden von möglichen digitalen Kanälen in Echtzeit“, sagt Daniel Frixeder von der Agentur upart. KI und vor allem auch generative KI werden zunehmend eingesetzt, um Prozesse zu unterstützen. Bei der Recherche, als Inspiration bei der Texterstellung oder auch beim Generieren von Bildern. All das brauche aber eine Person, die vorab eine Intention hat, eine Aufgabe definiert, einen Prompter schreibt und dann die Ergebnisse bewerten oder verfeinern kann. „KI-Sprachmodelle beispielsweise geben uns immer plausible Antworten. Ob das zu einer langfristigen Strategie im Marketing passt, ob es überhaupt richtig ist, ob es außergewöhnlich ist, ob es Menschen berührt, müssen wir beantworten. Know-how im Team wird in der „upart academy“ aufgebaut, wo regelmäßig externe Expertinnen und Experten eingeladen sind. „Wir dürfen nicht vergessen, dass auch für unsere Kunden das Umfeld immer komplexer wird. Deshalb steigt auch der Wunsch nach Agenturen, die Beratung und Kreation vereinen“, sagt Neuhauser. Kreativität sei nach wie vor unverzichtbar für erfolgreiches Marketing und Werbung. Sie ist gemeinsam mit der richtigen Strategie die Grundlage für wirksame Marketingkampagnen, die die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf sich ziehen, die Bedeutung für die Menschen haben.

upart academy
Daniel Frixeder und Jörg Neuhauser setzen auf KI im Agenturalltag und schulen Teams in der "upart academy", um am Ball zu bleiben.

KI ist seit Jahren in unserem digitalen Ökosystem. Etwa im Bereich von Programmatic Advertising.

Daniel Frixeder, Geschäftsführer upart, Linz

Diese Tools sind oft ein tolles Spriungbrett, aber sie ersetzen niemanden.

Jörg Neuhauser, Geschäftsführer upart, Linz
Berührungspunkt
Wo es Berührungspunkte zwischen Menschen und neuen Technologien gibt, hat das Folgen für die Abläufe und Organisationen.

Beratung wird wichtiger
Eher gelassen sieht das auch der Linzer Agenturchef Gerhard Heidlmair. Er ist mit Heidlmair Kommunikation seit dem Jahr 1999 im Geschäft. „Ich habe keine Angst wegen des Einsatzes von KI bei Agenturen, im Gegenteil: Den Human-Faktor kann KI ja nicht ersetzen“, sagt Heidlmair. Auf der anderen Seite bleibt das Aufkommen einer revolutionären Technologie auf dem Feld der Text- und Bildbearbeitung nie ohne Konsequenzen. Als vor mehr als 30 Jahren von Apple und Adobe das Desktop-Publishing entwickelt wurde, sind der Druckvorstufentechniker oder der Lithograf als Berufsbild weggebrochen – und auch nicht mehr gekommen.

Kampagne mit KI-Bildern
„Für eine aktuelle Kampagne arbeiten wir mit KI-generierten Bildern, die sich in dieser Form mit herkömmlicher Fotografie nicht umsetzen ließe, und wenn, dann nur mit einem Riesenaufwand.“ Heidlmair sieht nicht nur die KI als Sparringspartner, sondern auch die Kreativagentur gegenüber dem Kunden. „Das ist schon unser Anspruch nach 30 Jahren Agenturtätigkeit, dass wir nicht einfach Aufträge kommentarlos nach Vorschrift abarbeiten, sondern den Kunden auch fordern und ihm Möglichkeiten aufzeigen, die er vielleicht gar nicht am Radar hat.“ Seit 2008 berät Heidlmair Unternehmen im Bereich Employer Branding. „Wir waren damals sicher Pioniere auf dem Sektor. Das ist allerdings eine ganz eigene Disziplin, die man mit der herkömmlichen Agenturarbeit nicht vermischen darf. Ein Mitarbeiter will nicht beworben werden oder mit Marketing-Sprech zugemüllt werden, sondern er will verstehen, was ein Unternehmen macht und warum. Inzwischen hat sich auf diesem Feld viel getan. Zum Glück.“

Gerhard Heidlmair

Wir erhalten dank der KI wieder mehr Zeit für individuelle Beratung und vor allem für die Konzeption.

Gerhard Heidlmair, Heidlmair Kommunikation, Linz