Gotthartsleitner: "für eine Politik der Mitte"
Frau Gotthartsleitner, ist Linz noch eine Arbeiterstadt?
Linz ist Stadt der Arbeit und Linz bleibt Stadt der Arbeit. Denken Sie nur an die vielen Pendler: Wir haben mehr Arbeitsplätze als Einwohner – das ist ein Unikum. Was uns auch auszeichnet: Linz steht für Arbeitsplätze der Zukunft. Neben der traditionellen Industrie wächst die Tech- und Softwarebranche. International renommierte Unternehmen siedeln sich hier an und bauen aus. Mit der Tabakfabrik wurde ein Zentrum für Innovation, für Startups und für junge Unternehmen geschaffen. Diese Entwicklung ist für die Partei der Arbeit von Vorteil, verlangt aber auch, dass sich die Sozialdemokratie thematisch breiter aufstellt.
Sie wollen bestimmte Strukturen und Abläufe hinterfragen und optimieren, haben Sie bei Ihrem Amtsantritt gesagt. Eine Aussage, die auch aus der Chefetage eines Unternehmens stammen könnte, oder?
Stimmt. Als historisch gewachsene Partei haben wir Strukturen, die wohl nicht ganz so schnell mit der Entwicklung der Gesellschaft mitgewachsen sind. Ein Beispiel: Die traditionelle Parteikarriere, sich einmal zu verpflichten und dann 30 Jahre dabeizubleiben, ist kein attraktives Lebensmodell mehr. Viele Junge wollen sich bei uns engagieren, aber erst mal für zwei Jahre, und wenn es Spaß macht und man sich einbringen kann, dann hängt man noch eine Zeit an. Die in der Politik lange vorherrschende All-in-Mentalität – einmal dabei, immer dabei – zieht nicht mehr. Unternehmen stellen sich auf diesen Trend in der Arbeitswelt ein und auch eine Partei muss sich in diesem Bereich weiterentwickeln.
Die Generation Y oder Z denkt nicht uneigennützig. Warum sollte sie sich für Parteipolitik interessieren?
Ich erlebe die neue Generation sehr politisch. Die Jugend denkt aber weniger in parteipolitischen Kategorien, sondern welche Partei die für sie wichtigen Themen aufgreift und umsetzt. Ob Teuerung, Wohnen oder klimaneutrale Industriestadt – wer sich politisch engagiert, will auch mitreden und mitgestalten. Sehr geschätzt wird der Vorteil, dass sie die Informationen über das politische Stadtgeschehen rasch aus erster Hand erhalten. So haben wir vor zwei Jahren damit begonnen, unmittelbar nach Ende des Gemeinderats alle unsere Mitglieder über den Verlauf der Sitzung zu informieren.
Ist das Parteibuch noch wichtig?
Interessanterweise ja. Das Parteibuch hat immer noch starke Symbolkraft auch für die Jüngeren, was ich so nicht erwartet habe.
Wie viel haben Sie als Geschäftsführerin mit Geld zu tun?
Gar nicht so viel. Freilich geht es um Wahlkampfkosten und Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit – vor allem im Superwahljahr 2024. Wir stehen mit der Arbeiterkammerwahl, der EU-Wahl und der Nationalratswahl vor riesigen Herausforderungen. Als Geschäftsführerin will ich als Schnittstelle zwischen Politik und Ehrenamtlichen fungieren und die Partei für die Gemeinderatswahl 2027 zukunftsfit machen.
Die Polarisierung nimmt zu, die politischen Töne von links und rechts werden schriller. Wofür stehen Sie?
Das ist ein Trend in Politik und Gesellschaft, den ich mit Sorgen beobachte. Ich stehe klar für eine Politik der Mitte. Man sollte nicht – und schon gar nicht als Sozialdemokratie – durch Rhetorik ausgrenzen oder nur einzelne Gruppen ansprechen. Es hat uns traditionell immer stark gemacht, dass wir aus der Mitte heraus jene Themen aufgegriffen haben, die für einen breiten Teil der Bevölkerung von Bedeutung sind, und dass wir darauf Antworten haben. Die Polarisierung in der Gesellschaft macht das schwieriger. Die schrillen Töne stehen einer lösungsorientierten Politik oftmals im Weg.
Wenn man von einer Politik der Mitte spricht, denkt man nicht sofort an den SPÖ-Parteichef und Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, oder?
Gotthartsleitner: Lassen Sie mich mit einem Beispiel aus der Kommunalpolitik antworten: Wir haben es in Linz geschafft, über Parteigrenzen hinweg den Weg zur klimaneutralen Industriestadt gemeinsam zu beschreiten und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Da müssen alle an einem Strang ziehen, sonst klappt das nicht. Es braucht ein Aufeinander-Zugehen und ein Miteinander. Mir ist aber durchaus bewusst, dass das nicht auf allen politischen Ebenen, nicht mit allen Akteuren und schon gar nicht bei allen Themen funktionieren kann.
Beispiel Pamela Rendi-Wagner, die als SPÖ-Chefin abgewählt wurde: Haben es Frauen in der österreichischen Politik schwerer als anderswo?
Gotthartsleitner: Das glaube ich nicht, auch wenn die Rollenverteilung in Österreich immer noch sehr, sehr traditionell geprägt ist. Aber Spitzenpolitik kann man nicht ein bisschen nebenbei machen. Du bist von Montag bis Sonntag in der Regel durchgehend unterwegs. Da brauchst du als Frau ein familiäres Umfeld, das voll hinter dir steht. Das ist überall gleich. Ich glaube, dass viele Frauen das nicht leisten können oder auch nicht dazu bereit sind. Wir haben auch ein spezielles Problem, das vermutlich einige Manager oder Personalchefs bestätigen würden: Viele Frauen trauen sich Führungsaufgaben nicht zu, obwohl sie oft besser qualifiziert sind als Männer. Hier braucht es Vorbilder, die andere Frauen gezielt fördern und ermutigen.
ZUR PERSON
Beate Gotthartsleitner (44) studierte in Salzburg Politikwissenschaften sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Die Linzerin absolvierte eine klassische Parteikarriere: 2011 übernahm sie die Leitung der ÖGB-Jugend, 2021 wurde sie Linzer Gemeinderätin und Anfang 2024 folgte sie auf Claudia Hahn als Geschäftsführerin der SPÖ Linz nach. Mit rund 5.500 Mitgliedern ist die SPÖ Linz die größte Bezirksorganisation Österreichs. Gotthartsleitner ist auch Aufsichtsratsvorsitzende der Linzer Lokalbahn AG (LILO), die mehrheitlich der Stadt Linz gehört. Die Kommunalpolitikerin ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann Helmut in Linz.