Gehalt: Darüber spricht man nicht
CHEFINFO: Sie machen weltweite Gehaltsvergleiche. Wo bleibt einem das meiste, sprich, wo habe ich ein gutes Gehalt und niedrige Lebenshaltungskosten?
Conrad Pramböck: Das Ideal wäre ein Schweizer Einkommen, versteuert in Dubai, bei Lebenshaltungskosten wie in Kambodscha. Schweizer Gehälter gehören zu den höchsten, da können nur Finanzplätze wie Manhattan oder die City of London mithalten. Ein Bekannter von mir ging in die Schweiz. Er erzählte mir, er habe zwei gute und eine schlechte Nachricht. Die erste gute, er verdient um 70 Prozent mehr als in Österreich, die zweite gute, er zahlt 30 Prozent weniger Steuern, die schlechte: Das Leben ist unfassbar teuer. Er konnte sich nur denselben Lebensstandard wie in Österreich leisten. Beim Gehalt und den Lebenshaltungskosten liegen wir in Österreich gar nicht so schlecht. Eine wunderbare Kombination sind Vorarlberger, die in der Schweiz arbeiten.
Es ist aktuell wieder eine Diskussion über Mindestlohn, Begrenzung von Vorstandsgehältern usw. in Gang. Kann es sich ein Unternehmen überhaupt noch leisten, schlechte Gehälter zu bezahlen?
Pramböck: Ich halte von öffentlichen Diskussionen gar nichts, weil das nichts mit der Praxis zu tun hat. Die Diskussion, Gehälter zu begrenzen, gibt es seit vielen Jahren. 2008, nach dem Lehman-Crash, hieß es, man solle die Gehälter der Top-Banker begrenzen. Damals gab es bei allen Banken viele Ideen in den Schubladen, wie man das umgehen könnte. Dann geht man etwa pro forma in die zweite Reihe, wo nichts reguliert ist, und setzt Strohmänner ein, man schafft Beteiligungen oder kreiert Firmenkonstrukte. Gerade beim Thema Vorstandsgehalt wird das nichts. Bitte, liebe Bürokratie: Lasst das einfach. Es passiert das Gegenteil: Die Vorstandsgehälter in Deutschland sind stark nach oben geschnellt, und zwar lustigerweise, als sie in den Geschäftsberichten öffentlich wurden. Jeder matcht sich. Das passiert ja auch bei Mitarbeitern. Wenn ein Unternehmen sagt: „Wir sind transparent. Jeder weiß in welcher Gehaltsbandbreite er sich befindet“, dann muss man fragen: Wie kam das an? Gibt es eine Gehaltsbandbreite zwischen 50.000 bis 70.000 Euro und ein Mitarbeiter verdient 60.000 Euro, dann fragt sich der, warum er nicht 70.000 Euro verdient. Plötzlich stand jeder auf der Fußmatte der HR-Abteilung. Zum Mindestlohn: In Österreich gibt es mit dem KV ohnehin eine Art Mindestlohn. Zudem ist die Verhandlungsmacht der Mitarbeiter viel größer geworden, zum Teil in einem ungesunden Ausmaß. Es gibt Arbeitnehmer, die 100 Prozent im Homeoffice sein wollen und trotzdem einen Dienstwagen fordern. Allmählich schwindet mit der Verlangsamung der Wirtschaft diese Verhandlungsmacht aber wieder. Viele Personalchefs tun da nicht mehr mit. Sie setzen stärker auf Qualität und nehmen nicht mehr jeden um jeden Preis. Allerdings waren die Unternehmen an der Situation nicht ganz unschuldig. Einiges war hausgemacht. Als die Unternehmen die Abfertigung alt abgeschafft haben, um flexibler zu werden, haben sie übersehen, dass es ein Mittel war, um Mitarbeiter zu binden.
In Schweden gibt es diese Transparenz. Warum ist das bei uns nicht möglich?
Pramböck: In Schweden sind die Gehaltsunterschiede nicht so groß. Die Gehaltskluft zwischen einer Putzfrau und einem Geschäftsführer ist viel geringer. So enge Bandbreiten haben wir nicht. Es hat auch viel mit Kultur zu tun. Wenn jemand in den Niederlanden im Erdgeschoß wohnt, schaut ihm jeder in die Wohnung, und das ist für die Niederländer kein Problem. Und schließlich hat es viel mit Neid zu tun. Wenn in Manhattan einer mit einem Ferrari vorbeifährt, denkt man: So einen möchte ich auch einmal haben. In Österreich zerkratzt man den Lack, nach dem Motto: Wenn ich damit keine Freude haben kann, soll der auch keine haben.
Wieso ist das Thema Gehalt bei uns so tabuisiert?
Pramböck: Über das Sexleben wird mehr gesprochen als über das Gehalt. Das ist das zweitgrößte Tabu nach dem Tod. In den USA heißt es: „My name is Bill, and I make 100.000 Dollar a year.“ Wenn in Österreich ein Artikel über Gehälter in die Zeitung kommt, heißt es immer, Beamte, Lehrer, Politiker – alle – verdienen viel zu viel. Es ist scheinbar nicht einmal ein Hauch von Luxus erlaubt. Als Dietrich Mateschitz starb, gab es eine unfassbare Neidwelle. Dabei hat kaum einer jemals so viel für das Land getan. Er hat Unmengen an Steuern bezahlt, ganze Regionen in der Steiermark wiederbelebt oder seine Investments in den Sport getätigt. Gehaltstransparenz unter unseren kulturellen Bedingungen ist schlichtweg nicht möglich. Neid funktioniert gut und die Politik spaltet dabei mit. Ich sehe derzeit kein Gegengewicht, das etwa die Verwaltung verschlanken will.
Generell gefragt: Welche Branchen zahlen am besten und welche am schlechtesten?
Pramböck: Die Energie- und Pharmabranche zählen zu den Bestzahlern. Im Handel, Non-Profit-Organisationen oder bei Pflegekräften wird tendenziell schlecht bezahlt. Ich bekam einmal eine Gehaltsstudie aus den 1970er-Jahren in die Hände. Die hätte man heute noch 1:1 abschreiben können. Da hat sich kaum etwas geändert. Da Handel oder Pflege noch immer stark frauenlastig sind, führt das zu den großen Gehaltsunterschieden bei den Geschlechtern. In Osteuropa arbeiteten Frauen aus der sozialistischen Tradition kommend seit jeher in Fabriken und in der Industrie, dort ist die Schere deutlich geringer. Generell kann man sagen, dass in fast allen Branchen die Gehälter steigen. So musste die Gastronomie seit Corona noch einiges drauflegen. Auch bei Branchen mit wenig Qualifikation, wie etwa bei Paketzustellern, stiegen die Gehälter mittlerweile auf rund 35.000 Euro Bruttojahresgehalt. Viele Branchen wissen, dass sie unter diesem Wert keine Leute mehr finden.