E-Fuels: Umweltgift oder Mittel gegen Klimawandel
Karl Nehammers Autogipfel hat einiges an Feinstaub aufgewirbelt. Von den einen als wichtiger Schritt für Technologieoffenheit gefeiert, von den anderen als Retropolitik diskreditiert. Im Zentrum dabei der Verbrennungsmotor und vor allem das Thema E-Fuels. Nehammer spricht dabei vom „grünen Verbrenner“ und fordert ein Ende „von Denkverboten“. Vor dem Bundeskanzleramt machte die Umweltschutzorganisation Global 2000 lautstark ihren Unmut kund. Auf Bobbycars karikierten sie den „Verbrennerfetisch“ des Bundeskanzlers. E-Fuels seien ökologischer Unsinn – sie seien teuer und ineffizient. Nur eine Woche später, gegenüber vom Bundeskanzleramt, fand in der Wiener Hofburg das Internationale Wiener Motorensymposium statt. Rund 1.000 Teilnehmer waren gekommen, um die Technologieoffenheit zu diskutieren. Ergebnis: Es gibt weit mehr als Verbrenner oder Elektroantrieb.
Technologieoffen: 42 Technologien am Start
Der Energiestratege von Ford, Ulrich Kramer, spricht von 42 Technologien, die es hochzufahren gilt. Kraftstoffe wie Wasserstoff, Brennstoffzelle, Power-to-liquid, Biofuels, Elektromotoren, Hybride und eben E-Fuels, um nur einige zu nennen. Kramer fehlt es allein am Willen. Er fordert nicht nur unternehmerische Entscheidungen, sondern auch politische. Wenn es gelänge, einen Corona-Impfstoff in einem statt in zehn Jahren zu entwickeln, dann müsse das auch bei der Mobilität machbar sein. „Auf der Erde steht drei Mal so viel Energie zur Verfügung, wie gebraucht wird, wir müssen sie nur ernten“, so Kramer. Energie, die auch für die Erzeugung von E-Fuels nötig ist. Die Kraftstoffe brauchen zwei Bestandteile: Kohlenwasserstoff und Wasserstoff. Dabei wird CO2 aus der Atmosphäre abgesaugt, eben dieses Entnehmen macht den Treibstoff CO2-neutral. Die Technologieoffenheit ist für Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der eFuel Alliance Österreich, notwendig, um die Mobilitätswende zu schaffen. „Wie man es auch dreht und wendet, das Szenario Mixed Technologies setzt sich immer als Sieger durch.“
Industrie zurückhaltend
Die Klima- und Energiesprecherin von Global 2000, Viktoria Auer, sieht das naturgemäß anders. „Es scheint so, als hätte die Porsche-Lobby E-Fuels als Rettung der Verbrennermotoren an Bundeskanzler Karl Nehammer verkauft. Doch der Einzige, der das Märchen noch nicht durchschaut hat, ist der Kanzler selbst.“ Sie sieht eine Planlosigkeit. Rückenwind bekommt sie vom Großteil der Autobauer selbst, die scheinbar wenig Anstrengungen zur Förderung von E-Fuels unternehmen. Stellantis (Citroën, Peugeot, Opel, FIAT, Chrysler, Jeep, Alfa Romeo, Dodge)-CEO Carlos Tavares bekräftigte kürzlich, dass seine Unternehmensgruppe bis 2038 Netto-null-CO2-Emissionen erreichen werde. Dennoch hat sich Stellantis das Potenzial von E-Fuels bei bestehenden Verbrennern der Gruppe angesehen. 28 Motorfamilien wurden auf E-Fuel-Tauglichkeit geprüft. Für Tavares ein Weg, rasch und ohne Neuanschaffung den CO2-Ausstoß zu senken. Die synthetischen Treibstoffe hätten das Potenzial, europaweit zwischen 2025 und 2050 400 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Für den CEO eine Möglichkeit, den Bestandskunden eine erschwingliche Lösung zur Dekarbonisierung anzubieten. Und er unterstreicht eines: E-Fuels brauchen kein eigenes Netz, keine Infrastruktur, keine Ladepunkte, sondern ließen sich ohne jeglichen Umbau in das bisherige Tankstellennetz integrieren. „Während wir an unserer ambitionierten Elektrifizierungsstrategie festhalten, müssen wir auch intelligente Alternativen finden, um die CO2-Emissionen der 1,3 Milliarden auf der Straße befindlichen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zu reduzieren. Indem wir daran arbeiten, sicherzustellen, dass unsere Stellantis-Motoren ‚E-Fuels-freundlich‘ sind, wollen wir unseren Kunden ein weiteres Instrument im Kampf gegen die Erderwärmung an die Hand geben, das eine quasi unmittelbare Wirkung haben kann.“ Nur zur Größenordnung: Täglich werden 15 Milliarden Liter fossiler Treibstoff verbrannt.
Neunmal so viel Windkraft wie beim E-Auto
Tavares gibt den Experten des Wiener Motorsymposiums scheinbar recht, doch nur scheinbar, der Konzern will bis 2030 nur noch Stromer bauen. Viktoria Auer sieht das aber viel zu kurzsichtig. Wolle man Österreichs Pkw mit E-Fuels antreiben, würde das neunmal so viele Windräder benötigen wie für die Elektromobilität. Österreich könnte seinen Bedarf an E-Fuels nicht selbst decken und wäre somit wieder auf Importe angewiesen. „Angesichts der aktuellen Teuerung ist das Verhalten des Kanzlers völlig unverständlich.“ Dass man E-Fuels aus anderen Ländern beziehen müsse, bestreiten auch die Befürworter nicht. Derzeit wird in Haru Oni in Chile ein Pilotprojekt einer E-Fuel-Anlage getestet. Noch werden wenige Tausend Liter produziert, in den USA soll aber bereits eine Anlage errichtet werden, die mehrere Millionen Liter herstellen kann. Auch in Graz wird geforscht. AVL hat eine E-Fuel-Demo-Anlage errichtet, die global zum Einsatz kommen wird, und zwar dort, wo Ökostrom zu einem Bruchteil der Kosten in Österreich zur Verfügung steht.
Egal was: Ohne Energiewende keine Mobilität
AVL-Graz ist Standort der ersten österreichischen E-Fuel-Demo-Anlage, finanziert von einer Investorengruppe. Das Argument des geringen Wirkungsgrades von nur 15 bis 18 Prozent lässt AVL-CEO Helmut List nur bedingt gelten. „Je nach Anwendungsort und Anwendungsfall hat die eine oder andere Technologie die Nase vorn, generelle Aussagen sind weder möglich noch zielführend.“ Vor allem bei Sondermaschinen und Lkw mit E-Fuel-Betankung schlägt die Reichweite den Wirkungsgrad. Stephan Schwarzer führt dazu die fehlende Versorgungssicherheit mit grünem Strom und die mangelnde Infrastruktur bei E-Mobilität ins Feld. „Wenn Österreich auf Strom aus Gaskraftwerken verzichten und die Haushalte auf Wärmepumpen umstellen möchte, wird für fünf Millionen Pkw in der kalten Jahreszeit nicht mehr genug Ladestrom zur Verfügung stehen.“ Ein Argument, das Klimaschützer wie Viktoria Auer nicht gelten lassen. Sie fordert Kanzler Nehammer dazu auf, „die Klimawissenschaft ernst zu nehmen und ausstehende Maßnahmen und Gesetze für ein zukunftsfähiges Österreich endlich umzusetzen, statt Österreich mit E-Fuels an die Wand zu fahren.“ Wer mit was wohin – auch eventuell an die Wand – fährt, bleibt (technologie)offen. Fix ist aber eines: Ohne Energiewende und den massiven Ausbau von erneuerbaren Energiequellen wird man künftig weder mit Strom, noch mit E-Fuels die Massen bewegen.