Banken haben Tradition
Mit Traditionsbanken ist es so eine Sache. Zum einen stellt man schnell fest, dass im Unterschied zu Unternehmen fast alle noch tätigen Banken eine lange Geschichte haben, die in den meisten Fällen bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Zum anderen gilt die bekannte Warnung in Anlageprospekten, dass die „Erfolge der Vergangenheit keine Garantie für künftige Erträge“ sind, nicht nur für Investoren. Geldinstitute haben heute alle Hände voll zu tun, sich als moderne und attraktive Dienstleister rund um das Geld zu präsentieren. Aber Geld ist nicht eine Ware wie alles andere, sondern ein Zahlungsversprechen. Die wahre harte Währung einer Bank ist daher Vertrauen. Oder wie es der Schweizer Finanzwissenschaftler Simon Egli kürzlich in der „Neuen Zürcher Zeitung“ ausdrückte: „Im Krisenfall sind Banken im Kern öffentliche Dienstleister, … die eine Wirtschaft erst ermöglichen.“
Rückbesinnung auf alte Werte
Hier kommen Tradition und Geschichte ins Spiel, die gerade bei Oberösterreichs Banken ein Comeback erleben. So geht die vor 150 Jahren gegründete VKB in ihrem Jubiläumsjahr zurück zu den Wurzeln, um damit ihre strategische Neuausrichtung in Richtung unternehmerischen und privaten Mittelstand samt neuem Außenauftritt zu unterstreichen. Der Antrieb des Gründers Bischof Rudigier im Jahr 1873: Bauern und Unternehmern das so dringend benötigte Kapital zur Verfügung zu stellen. Auch die Sparkasse Oberösterreich, die im kommenden Jahr ihr 175-jähriges Jubiläum feiert, erinnert an den Gründungsauftrag von 1849. Aktuell fließen von der Anteilsverwaltung der Sparkasse OÖ jährlich zwei Millionen Euro in soziale Vorhaben und zivilgesellschaftliche Projekte. „Heute sind wir mit unserer Anteilsverwaltung als NGO für die Allgemeinheit aktiv. Genau dieser Punkt bringt uns auch den Familienunternehmen so nahe, weil diese vielfach auch so orientiert sind. Sie gründen Stiftungen und sind oft im großen Stil für das Gemeinwohl tätig“, sagt Stefanie Christina Huber im Interview (siehe Seite 86). Dass eine lange Tradition kein Garant für die Zukunft ist, zeigt ein kurzer Blick in die jüngere Wirtschaftsgeschichte. Die Credit Suisse, 1856 als Schweizerische Kreditanstalt ins Leben gerufen, geriet in finanzielle Schieflage und musste von der Konkurrentin UBS übernommen werden. Auch Österreichs Creditanstalt (CA) verschwand vor zwei Jahrzehnten durch die Fusion mit der Bank Austria (BA), die heute wiederum ein Teil der UniCredit mit Sitz in Mailand ist und deren Geschichte bis ins Jahr 1473 zurückreicht.
Die älteste Bank der Welt
Wer also alte Geldinstitute sucht, ist in Italien, dem Mutterland des Bankgeschäfts, genau richtig. Fast hätte die älteste noch existierende Bank der Welt im Zuge der globalen Finanzkrise und fauler Kredite für immer ihre Pforten schließen müssen. Die Rede ist von der 1472 gegründeten Banca Monte dei Paschi dei Siena. Der italienische Staat musste vor zehn Jahren rettend eingreifen. Das Ende der Bank wäre ein schlimmer Verlust gewesen, auch wenn man mit dem Zerschlagen von Banken seit der Renaissance in Italien viel Erfahrung hat. Allein im Handelszentrum Venedig gingen bis ins 19. Jahrhundert 90 von 100 Banken bankrott. „Bankrott“ – der Begriff kommt so wie Giro, Konto, Saldo, Bilanz, Prokura, brutto, netto aus dem frühen italienischen Bankwesen. Mittelalterliche Geldwechsler haben damals auf langen Tischen (Banka) ihre Münzen verschoben. Wenn sie ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten, wurde der Tisch kurzerhand zerschlagen – „Banka rotta“.
Bank der Barmherzigkeit
Gegründet wurde Monte dei Paschi als Leihhaus „Monte della Pietà“, wörtlich übersetzt: „Berg der Barmherzigkeit“ wie sie damals hieß. Das hatte einen tieferen Sinn. Weil das christliche Zinsverbot die Entwicklung eines geregelten Kapitalmarkts verhinderte, vergaben die mit „Freibriefen“ ausgestatteten Pfandleiher Kredite gegen Sicherheiten. Darlehensnehmer blieben für das vorgestreckte Geld persönlich haftbar. Die Kosten waren am Ende höher als auf einem institutionalisierten Kapitalmarkt, was zur Folge hatte, dass toskanische Bauern, Handwerker oder kleine Unternehmer Hab und Gut verloren und im Schuldturm landeten. Das neu gegründete Leihhaus sollte in Not geratenen Betrieben unter die Arme greifen und sie sanieren. Es leistete mit Krediten Hilfe zur Selbsthilfe, um die gemeinsame wirtschaftliche Basis von Siena zu schützen. Hier sind wir wieder bei der Aussage, dass Banken in Krisenzeiten im Kern öffentliche Dienstleister sein müssen, die im Sinne der Allgemeinheit handeln. Diese Ausrichtung war damals neu. Das Leihhaus konnte günstige Kredite vergeben, die Republik Siena die Sicherheiten stellen. Mit der Reform 1624 wurde das Hilfsinstitut zu einer voll handlungsfähigen Bank mit der Freiheit, riskante Geschäfte und Investitionen zu tätigen. Ihren heutigen Namen erhielt sie von Großherzog Ferdinand II. mit dem Statut eines „nicht kündbaren Leihhauses der Weiden der Stadt und des Staates von Siena“. Das ist die wörtliche Übersetzung von Banca Monte dei Paschi di Siena.
Die Bank als Familienbetrieb
Traditionsbank wird heute vielfach als Synonym für Privatbank verwendet. Für Privatbanken waren die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts ein goldenes Zeitalter, die das Bild eines Finanzplatzes prägten. Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren Privatbanken Geldinstitute, deren Eigentümer auch die Geschäfte führten. Meist handelte es sich um Familienunternehmen, die sich auch als solche definierten. Erst ab den 1970er-Jahren bezeichnet der Begriff „Private Banking“ einen eigenen Geschäftszweig, nämlich die Vermögensverwaltung im Auftrag wohlhabender Kunden. Die älteste noch bestehende Privatbank Österreichs ist das Bankhaus Spängler. Gegründet im Jahr 1828 in Salzburg, befindet sich die Bank nach wie vor in Familieneigentum. Mittlerweile ist bereits die siebte Generation der Familie Spängler in der Bank tätig. Für das Geschäftsjahr 2022 kann das Bankhaus mit 11,4 Mio. Euro auf das beste Ergebnis in der fast 200-jährigen Unternehmensgeschichte verweisen. Immer wichtiger werden auch Beratungsleistungen wie generationenübergreifende Nachfolgeprozesse für Familienunternehmen.
Die weltweit erfolgreichste„Traditionsbank“
Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Investmentbanken der Wall Street. Hier hat auch JP Morgan Chase, Amerikas größte Bank, ihren Sitz. Deren Chef, Jamie Dimon, wird außerhalb der Federal Reserve als wichtigster Banker in den USA bezeichnet. Dimon gilt als Retter der angeschlagenen First Republic Bank, indem er eine Finanzspritze von 30 Milliarden Dollar organisierte und die amerikanische Bankenwelt vor einer Krise bewahrte. Vor mehr als einem Monat übernahm JP Morgan die Bank dann komplett. Auch der 67-jährige Dimon verweist gerne auf die Wurzeln der Bank und deren Gründer und Namensgeber John Pierpont Morgan (1837–1913), der sich nach der „Panik von 1907“ als Retter feiern ließ. In einer Serie von Notaktionen stellte er persönlich Geld zur Verfügung und überzeugte auch die Bosse anderer Banken, das Finanzsystem zu stützen. Damit soll er sogar die Stadt New York vor der Pleite bewahrt haben. Retten hat bei Banken also Tradition.