Ludwig im Talk: Wahlkarten als Unsicherheitsfaktor
Der Bürgermeister bestreitet den Wahlkampf im Corona-Modus. Er plädiert für Anstand und Austausch auf Augenhöhe. Seine nächste Amtszeit an der Spitze der Stadt? Keine gmahde Wiesn!
weekend: Wahlkampf ist eine Zeit fokussierter Unintelligenz: Hatte Ihr Vorgänger mit diesem Sager recht?
Michael Ludwig: Sein Satz gilt auch heute noch. Umso wichtiger ist ein faires Finale. Parteien sollen sich an ihren inhaltlichen Vorgaben messen. Mein Appell an alle: keine persönlichen Attacken und Angriffe!
weekend: Von amerikanischen Verhältnissen sind wir aber noch weit entfernt. Oder?
Michael Ludwig: Wien ist heute eine internationale Stadt, in der Menschen aus verschiedensten Kulturen friedlich zusammenleben. Natürlich gibt es in einer Millionenstadt immer auch Alltagskonflikte. Aber mir ist wichtig, dass der persönliche Umgang so respektvoll wie möglich bleibt. Wien kann nicht funktionieren, wenn die Spielregeln des Miteinanders nicht von allen eingehalten werden. Darauf schauen wir seitens der Stadt und werden in Zukunft noch mehr darauf achten.
weekend: Womit werden Sie vom Wähler konfrontiert?
Michael Ludwig: Eine stabile Gesundheitsversorgung, die auf die Menschen und nicht den Markt schaut, beschäftigt wirklich jeden. Außerdem dreht sich alles um Arbeitsmarkt und Bildung. Betroffen sind die Jungen und die Generation über 50. Unter Druck geraten aber ganz besonders die Frauen.
Ein konservatives Familienbild ist am Vormarsch. Hier will ich mit aller Kraft gegensteuern.
weekend: Druck von welcher Seite?
Michael Ludwig: Ein sehr stark konservativ-reaktionäres Familienbild ist durch Corona wieder am Vormarsch: Ins Bild rückt die Frau, die Kinder betreut, den Haushalt schupft. Und dann vielleicht noch Homeoffice macht. Wir haben in Wien den höchsten Anteil an Frauen in Vollzeitbeschäftigung. Den wollen wir ausbauen, indem wir die notwendigen Rahmenbedingungen bieten. Alles andere ist Vergangenheit.
weekend: Was hat Zukunft?
Michael Ludwig: Die kostenfreie Ganztagsschule. Im September starten wir mit 70 Standorten – mit verschränktem Unterricht und Freizeitangeboten. Auch 2021 wird ausgebaut. Und es werden jährlich zehn Standorte dazukommen. Wir schaffen damit faire Chancen für alle Kinder, nicht nur für Privilegierte auf den Privatschulen.
weekend: Apropos privilegiert: Die SPÖ scheint einen komfortablen Vorsprung herausgearbeitet zu haben. Ist die Wahl „a gmahde Wiesn“?
Michael Ludwig: Keinesfalls. Corona mischt die Karten neu: Es wird wohl viel mehr Wahlkartenwähler geben. Die Unsicherheitsfaktoren sind groß, Prognosen unzuverlässig. Mein Appell an alle: Gehen Sie bitte wählen!
Wir haben eine gut funktionierende Koalition. Jetzt müssen die Wähler entscheiden, was weiter möglich ist.
weekend: Was passiert nach dem 11. Oktober?
Michael Ludwig: Wir haben eine gut funktionierende Koalition. Aber die Wählerinnen und Wähler entscheiden zunächst, was arithmetisch möglich ist. Ich kann nur immer wieder auch in die Diskussion einwerfen, dass es durchaus eine Koalition gegen einen sozialdemokratischen Bürgermeister geben kann. Es gibt da viele Beispiele, etwa aus Niederösterreich, die mich hellhörig machen.
weekend: Ihr Verhältnis zur FPÖ und dem Team HC Strache?
Michael Ludwig: Unverändert.