Beruf Taxifahrer: Sein und Schein
Autor Robert Fröwein ist unter die Wiener Taxler gegangen. Für sein neues Buch „Ein Leben voller Abzweigungen“ haben ihn 17 Fahrer aus aller Welt mitgenommen. Sackgassen, Spurwechsel: Was sie bewegt, was sich bremst – und was sie über die Menschen im Rückspiegel gelernt haben, haben sie ihm verraten. Im weekend-Talk lassen wir ihn über seine Erfahrungen auf der Straße erzählen.
weekend: Wie schwer war es, in die Welt der Wiener Taxler einzutauchen?
Robert Fröwein: Um die authentischen und ungeschönten Geschichten der Wiener Taxler zu bekommen, habe ich mich bei der Recherche nicht zu erkennen gegeben. Das war ein bewusst gesetzter Schritt, um locker ins Gespräch zu kommen und einen schönen und ehrlichen Redefluss zu ermöglichen. Hätte ich mein Projekt schon beim Einstieg offen dargelegt, wären viele interessante und berührende Geschichten so wohl nicht erzählt worden. Schlussendlich wurden die Fahrer im Buch auch anonymisiert beziehungsweise ihre Namen verändert.
weekend: Wie schaut der klassische Einstieg ins fahrende Gewerbe heute aus?
Robert Fröwein: Einen klassischen Einstieg scheint es heute nicht mehr zu geben. Viele Menschen flüchten aus unterschiedlichen Gründen aus ihren Herkunftsländern und finden im Mietwagengewerbe einen Job. Andere wechseln von den Strapazen des LKW- beziehungsweise Lieferwagenfahrens und wiederum andere müssen im gesetzteren Alter eine Kündigung in ihrem alten Job hinnehmen und freuen sich, dass sie im Mietwagengewerbe noch eine Berufschance bekommen. Besonders geschätzt wird vor allem die Selbstständigkeit und die vergleichsweise geringe körperliche Belastung.
Einen klassischen Einstieg scheint es heute nicht mehr zu geben. Viele Menschen flüchten aus unterschiedlichen Gründen aus ihren Herkunftsländern und finden im Mietwagengewerbe einen Job.
weekend: Gibt es den typischen Wiener Taxler? Und was macht Ihn eigentlich aus?
Robert Fröwein: Den typischen Wiener Taxler gibt es auf jeden Fall, allerdings ist er zumindest mir bei der Recherche zum Buch nicht begegnet. Die Fahrer aller Mietwagen spiegeln im Prinzip die Demografie Wiens perfekt wider – international, offen und vielseitig. In „Ein Leben voller Abzweigungen“ hat es schlussendlich ein „uriger“ Wiener geschafft, dessen besonderer Schmäh sich im Buch sehr gut nachvollziehen lässt.
weekend: Was war die skurrilste Geschichte, die Ihnen erzählt – aber vielleicht nicht den Weg ins Buch gefunden hat?
Robert Fröwein: Mit abstrusen Skurrilitäten kann ich leider nicht aufwarten. Einmal kam ich mit einem Fahrer so nett ins Plaudern, dass er deshalb auf zwei potenzielle Kundinnen verzichtete. Abseits davon erinnere ich mich aber an meine Zeit in Graz zurück, wo ich zufällig des Öfteren mit einem Taxifahrer nach Hause fuhr, der nebenbei Kinderbücher geschrieben hat. Eine Kombination, die wohl nicht alltäglich ist.
weekend: Mit welchen Problemen plagen sich Taxler tagtäglich herum?
Robert Fröwein: Derzeit vor allem mit der Corona-Pandemie. Dadurch sind natürlich die Gästezahlen drastisch zurückgegangen, was für viele Unternehmer beziehungsweise Subunternehmer existenzbedrohend ist. Der teilweise völlige Wegfall von Touristen und Geschäftsreisenden in einer Zwei-Millionen-Metropole wie Wien hat das Gewerbe an seine Grenzen gebracht. Durch den Lockdown fuhren auch die Wiener kaum mehr mit Taxis. Abseits davon ist vor allem der Nachtdienst als schwierig anzusehen. Geschichten mit betrunkenen und gewalttätigen Fahrgästen gibt es zuhauf.
Geschichten mit betrunkenen und gewalttätigen Fahrgästen gibt es zuhauf.
weekend: Wie hat die fahrende Konkurrenz von Uber und Co. das Arbeits- und Berufsfeld verändert?
Robert Fröwein: Für alle Beteiligten sehr. Die Kunden in Wien leiden derzeit unter einer Taxi-Not. Viele Fahrerinnen und Fahrer befinden sich zurzeit auf Urlaub im Ausland und die Mietwagenfahrer von Uber und Bolt benötigen seit Jahresbeginn einen Taxischein. Da viele Fahrer dabei in Ausbildung sind oder den Schein schlichtweg nicht machen wollen, herrscht in dieser Sparte ein Unterangebot an Autos. Zudem bemängeln Kunden dadurch einen Qualitätsrückgang, weil viele Taxler mit unlauteren Mitteln arbeiten und selbstständig Fixpreise festlegen würden – nämlich dann, wenn sie nicht per App bestellt, sondern klassisch herangewunken werden.
Die Mietwagenfahrer von Uber und Bolt benötigen seit Jahresbeginn einen Taxischein. Da viele Fahrer dabei in Ausbildung sind oder den Schein schlichtweg nicht machen wollen, herrscht in dieser Sparte ein Unterangebot an Autos.
Buchtipp:
Robert Fröwein
Ein Leben voller Abzweigungen
Hardcover
€ 22,- | 192 Seiten
ISBN 978-3-7011-8186-5
Leykam Verlag