Clemens Wennemacher: Der Ton macht die Musik
Weekend: Das Spiel auf dem See ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Worum geht es für eine:n Tontechniker:in vor allem?
C. Wannemacher: Wir haben den Anspruch, dem Publikum ein Hör-Erlebnis zu bieten, das jenem in einem Opernhaus sehr nahekommt. Auf der Seebühne versuchen wir, mit Mikrofonen und Lautsprechern auf der Bühne und der Tribüne die natürliche Raumakustik nachzubilden. Außerdem ist es ganz wichtig, den optischen mit dem akustischen Eindruck zusammenzubringen.
Weekend: Was heißt das?
C. Wannemacher: Die Distanzen auf der Seebühne sind groß. Zwischen der Bühne und dem obersten Zuhörerplatz liegen bis zu 100 Meter. Mit bloßem Auge ist es nicht auszumachen, wer gerade singt. Daher ist es unsere Aufgabe, Orientierung mit dem sogenannten Richtungshören zu geben. Wir verstärken immer genau an jener Position, an der sich der Sänger oder die Sängerin gerade befindet. Wenn er oder sie sich bewegt, bilden wir das tontechnisch auch ab. Dafür haben wir allein im Bühnenbild 66 Lautsprecher untergebracht, insgesamt sind es 400. Je entspannter das Publikum zuhören kann, umso leichter fällt es ihm, sich auf die Musik, das Geschehen und die Emotionen einzulassen.
Weekend: Was sind die Besonderheiten der „Freischütz“-Produktion für Ihr Team?
C. Wannemacher: Anders als viele anderen Opern wird auf Deutsch gesungen: Das Publikum erwartet, die Gesangspartien zu verstehen. Dazu kommen sehr viele Dialoge, etwa 40 Prozent Dialoge gegenüber 60 Prozent Gesang. Unsere Aufgabe ist es, vor allem die Dialoge gut zu verstärken – ohne andererseits Rückkopplungen zu riskieren.
Weekend: Was ist Regisseur Philipp Stölzl beim Thema Ton wichtig?
C. Wannemacher: Er hat viele Filme gemacht und denkt auch diese Oper sehr filmisch. In der Praxis bedeutet das für uns: Es gibt mindestens drei Klangebenen. Die wichtigste ist der Dialog, dazu kommt Musik von Musiker:innen direkt auf der Bühne und eine Art Klangteppich. Das kann in diesem düsteren Setting beispielsweise eine Krähe oder ein heulender Wolf sein. Es ist eine Herausforderung, diese Klangebenen so zu verbinden, dass sie Sinn ergeben. Vor allem dürfen sie niemals den Dialog zerstören. Außerdem gibt es spezielle Einspielungen, wenn zum Beispiel die Schlange aus dem Wasser steigt. Insgesamt sind es an die 200 Effekte.
Zur Person: Clemens Wannemacher
Leiter der Tonabteilung
- Jahrgang 1984
- geboren in Wien, wohnhaft in Dornbirn
- Werdegang: Musikuni Wien, Tontechniker im Volkstheater Wien und Leiter der Tonabteilung an der Staatsoperette Dresden, Ingenieur für Raumakustik bei einem Ingenieurbüro. Danach freischaffend, seit 2020 bei den Bregenzer Festspielen
- Hobbys: Singen, Klavier- und Schlagzeugspielen, Klettern, Skitouren, Lesen, Segeln