Anton Lang im Interview: Impfpflicht ist notwendiges Übel
weekend: Seit unserem letzten Gespräch hat sich viel verändert. Nach dem Kurz-Rückzug befindet sich die ÖVP im Umfragetief. Warum kann die SPÖ davon nicht mehr profitieren?
Anton Lang: In den Umfragen sind wir derzeit gleichauf, oder sogar vor der ÖVP. Es ist momentan aber eine sehr schwierige Situation für die Politik. Bei den oberösterreichischen Landtagswahlen ist eine neue Partei – eigentlich eine Interessensgemeinschaft – in den Landtag eingezogen, die die Impfgegner versammelt hat. Ich glaube aber, dass die Sozialdemokratie den Menschen aufzeigen kann, dass sie die einzige Partei ist, die in dieser Pandemie und auch danach niemanden im Stich lässt. Ich gehe davon aus, dass wir den ersten Platz in den Umfragen auch noch ausbauen können.
weekend: Kann es nicht auch damit zu tun haben, dass es parteiintern immer wieder zu Querschüssen gegen die Parteivorsitzende kommt?
Anton Lang: In einer Partei wie der SPÖ ist es legitim, dass es Meinungen gibt, die sich nicht mit der Parteilinie decken. Diskussionen sollte man aber in den Gremien führen. Ich halte nichts davon, dass man vom Balkon herab seine Meinung kundtut. Man tut den handelnden Personen und der Partei nichts Gutes.
weekend: Wie zerüttet ist das Verhältnis zum burgenländischen Landeshauptmann?
Anton Lang: Mein persönliches Verhältnis mit ihm ist gut. Hans Peter Doskozil macht einen ausgezeichneten Job als Landeshauptmann im Burgenland. Ich wünsche mir aber, dass diese Zurufe weniger werden und er wieder in den Gremien dabei ist, damit wir dort diskutieren können.
Ich bin sehr froh, dass die FPÖ in der Steiermark nicht den „Kickl-Kurs“ nachvollzieht – Anton Lang über die steirischen Freiheitlichen.
weekend: Das Impfpflichtgesetz wurde mit den Stimmen der SPÖ im Nationalrat beschlossen. Ist das der Weg aus der Pandemie?
Anton Lang: Bis zum Herbst war ich der Meinung, dass die Bevölkerung die Chance auf die Impfung wahrnehmen wird. Ich habe aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass dem nicht so ist. Alle Expertinnen und Experten, mit denen ich gesprochen habe, haben gesagt, dass der einzige Weg aus der Pandemie eine hohe Durchimpfungsrate ist. Daher habe ich mich entschlossen, für diese Impfpflicht einzutreten. Ich habe zwar keine Freude damit, sehe die Impfpflicht aber als notwendiges Übel.
weekend: Die Haltung Herbert Kickls ist bekannt: Wie verhält sich die steirische FPÖ?
Anton Lang: Ich bin sehr froh, dass die FPÖ in der Steiermark nicht den „Kickl-Kurs“ nachvollzieht. Wenn ich höre, was der Herr Kickl von sich gibt, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Es ist wichtig, dass wir uns gegen die Spaltung in der Gesellschaft stemmen. Sie ist zwar da, wir dürfen aber die Relationen nicht übersehen. Irgendwann wird es sich die große Mehrheit nicht mehr gefallen lassen, dass sie ein eingeschränktes Leben führen muss, weil sich ein kleiner Prozentsatz nicht an die Maßnahmen hält. Ich hoffe, dass sich Kickl und andere, die sich hier sehr laut zu Wort melden, zurücknehmen und die Stimmung nicht weiter aufheizen.
Irgendwann wird es sich die große Mehrheit nicht mehr gefallen lassen, dass sie ein eingeschränktes Leben führen muss – Anton Lang über die Spaltung der Gesellschaft.
weekend: Corona hat die Schwierigkeiten im Gesundheitswesen aufgezeigt. Wie kann man diese Berufe attraktiver machen?
Anton Lang: Zuerst möchte ich meinen tiefsten Respekt und Hochachtung für alle aussprechen, die in diesen Berufsgruppen arbeiten. Die haben eine Leistung erbracht, die übermenschlich ist. Zukünftig müssen wir schauen, dass wir die Gesundheits- und Pflegeberufe so attraktiv gestalten, dass es wieder Jüngere gibt, die diesen Beruf ergreifen wollen. Wir haben in Österreich ein hohes Niveau in der Versorgung, müssem aber auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass das finanziert wird. Die Bundesregierung ist aufgefordert, die Pflege finanziell abzusichern. Das hat man in den letzten Jahren hinausgeschoben.
weekend: Das Thema Klimaschutz ist in der Wahrnehmung in die zweite Reihe gewandert. Was wird in der Steiermark umgesetzt?
Anton Lang: In der Landesregierung ist dieses Thema immer präsent, weil wir in der Steiermark mit dem Klimakabinett und dem eigenen Budgetposten Rahmenbedingungen geschaffen haben, mit denen wir wirklich etwas bewegen können. Gerade im sensiblen Bereich Verkehr ist sehr viel passiert. Wir setzen weiterhin auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Mit der planmäßigen Feritgstellung des Koralmtunnels können wir ab 2025 einen noch atrraktiveren Takt anbieten.
weekend: Dem geplanten Ausbau der A9 hat die Klimaschutzministerin eine Absage erteilt …
Anton Lang: Wenn man den öffentlichen Verkehr mit so viel Geld ausbaut und gleichzeitig eine dritte Spur für Autos macht, passt das nicht ganz zusammen. Die Staus auf der A9 passieren ja nicht wegen dem Durchzugsverkehr, sondern durch die Abbieger und Auffahrer. Mit einer dritten Spur würden wir das Problem nicht lösen, weil diese Nadel- öhre bestehen bleiben.
weekend: Der Landeshauptmann feiert bald seinen 70. Geburtstag. Hat er Ihnen schon gesagt, ob er aufhört?
Anton Lang: Darüber haben wir nie gesprochen. Ich muss aber sagen, dass wir in der Landesregierung sehr gut zusammenarbeiten – gerade in diesen schwierigen Zeiten. Wir mussten im März 2020 Entscheidungen treffen, bei denen wir nicht wussten, ob es richtig ist. Das hat uns auch menschlich noch mehr zusammengeschweißt.