WKO-Vize Andreas Herz - "Bei Alice im Wunderland wird es gehen!"
weekend: Sie vertreten generell alle steirischen Unternehmen und als Obmann in der Sparte Gewerbe und Handwerk die Personenberater und Betreuer. Denen wird nachgesagt, dass sie händeringend nach Personal suchen. Wie akut ist die Lage aus Sicht der Betriebe und aus Sicht der Wirtschaftskammer?
Andreas Herz: Der demografische Wandel beginnt jetzt spürbar zu werden. In den nächsten sieben bis zehn Jahren werden knapp eine Million in Pension gehen, quer durch alle Branchen. Wir merken das schon jetzt und man sieht im Prinzip, dass es mittlerweile keinen Betrieb mehr gibt, der keine Mitarbeiter sucht. Das wird sich so schnell nicht ändern.
weekend: Früher hatte man Angst, dass die Technologie Arbeitskräfte ersetzt. Heißt: Man kann jetzt froh darüber sein, oder?
Andreas Herz: Die Angst war unbegründet und kompletter Unsinn. Wir werden über jeden digitalisierten und automatisierten Bereich froh sein und können nur hoffen, dass es in möglichst vielen Feldern auch gelingt. Wir werden das wahrscheinlich sogar verstärken müssen. Natürlich brauchen wir aber auch einen geregelten Zuzug.
weekend: Wie kann künstliche Intelligenz hier helfen?
Andreas Herz: Die demografische Welle bleibt trotzdem, mit oder ohne KI. Die KI wird es nur abschwächen. Der Computer hat noch keine Arbeitskräfte ersetzt – und so wird es die KI auch nicht. Sie wird nur das Arbeiten einfacher machen. Das betrifft nicht nur die Büroarbeit. Ich glaube, dass die in allen Bereichen kommen wird.
weekend: Trotzdem ist „handfeste“ Arbeit gefragter denn je, würden Sie Jugendlichen raten eine Lehre im Handwerk zu machen?
Andreas Herz: Gewerbe und Handwerk ist eine der wesentlichen Sparten. Das Handwerk hat goldenen Boden, das wissen wir. Jeder, der sich heute für eine Lehre entscheidet, hat im Vorfeld schon mit Sicherheit eine richtige Entscheidung getroffen. Das heißt nicht, dass Studieren nicht richtig ist, aber, wenn ich weiß, dass ich mit einer Lehre mit Sicherheit fix einen Job habe und mein Geld verdienen kann…das ist in akademischen Berufen nicht automatisch der Fall. Wobei man natürlich sagen muss, dass auch dort die demografische Entwicklung ihre Spuren hinterlassen wird. Wir werden genauso Juristen brauchen. Aber das Handwerk wird nicht aussterben, weil es noch schwieriger zu digitalisieren ist.
weekend: Kommen wir zu den Personenbetreuern. Immer mehr geben den Job auf, warum?
Andreas Herz: Die Personenbetreuer kommen zu 99 Prozent aus dem Ausland. Die altern mit uns – die demografische Entwicklung ist ja kein österreichisches Phänomen, das haben wir überall. Man sieht jetzt, dass die Agenturen teilweise schon tiefer ins Landesinnere gehen, um von dort die Leute zu holen. Da wird es nicht einfacher, weil umso tiefer ins Landesinnere, umso weiter bin ich vom europäischen Standard und der deutschen Sprache weg. Das ist der eine Grund, und der zweite ist, dass, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen, die Leute woanders hin gehen, etwa in die Schweiz oder nach Deutschland. Deswegen war eine wesentliche Forderung von uns, dass die Förderung erhöht werden muss. Aber auch andere Rahmenbedingungen müssen nachgezogen werden.
weekend: Müsste man vielleicht über Europa hinausgehen?
Andreas Herz: Meine persönliche Meinung ist: Ja, wir werden das irgendwann machen müssen. Wir werden auch sicher technische Unterstützung kriegen und brauchen. Da sind wir in Österreich und Europa noch skeptisch, aber ich glaube, dass es kommen wird.
weekend: Ein großes Thema ist derzeit die Arbeitszeitverkürzung, wie stehen Sie dazu?
Andreas Herz: Naja, ganz einfach. Ich habe mir mal „Alice im Wunderland“ angesehen – dort wird es möglich sein. Damit ist, glaube ich, schon alles gesagt. Es ist eine vollkommene Idiotie zu glauben, dass das funktioniert. Man kann alles politisch umsetzen. Die Sache wird nur sein: Wenn wir dieses soziale Leben und den Wohlstand, den wir jetzt haben in Österreich, halten wollen, wird es mit Arbeitszeitverkürzung schwierig. Es wird immer geschimpft über unser Gesundheitssystem, aber es kann keiner sagen, wo die Versorgung besser ist als bei uns. Und das ist die Frage, denn irgendwer wird das zahlen müssen.
weekend: Kommen wir zur Steiermark, hier wird gerade ein neues „Center of Excellence“ gebaut – wofür?
Andreas Herz: Das „Center of Excellence“ wird, wenn man so will, das neue Wifi sein – auf dem neuesten Stand der Technik, was Ausbildung und Schulungen betrifft. Das ist wichtig und eine riesige Investition in die Zukunft, die wir in allen Bereichen brauchen.
weekend: Der Landeshauptmann hat eine Offensive im Gesundheits- und Pflegebereich angekündigt. Wie steht die WKO dazu?
Andreas Herz: Die Erhöhung der Gehälter ist ein erster, wichtiger Schritt, aber wir brauchen auch mehr Mediziner, die bei uns bleiben. Da steht noch einiges bevor.