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Gewalt gegen Frauen: Zahlen bleiben erschreckend konstant

25.11.2020 um 12:02, Cornelia Scheucher
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Heute ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Wir haben uns mit Michaela Gosch, der Geschäftsführerin der steirischen Frauenhäuser, über die derzeitige Situation unterhalten.

Österreichweit ist jede fünfte Frau ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede dritte Frau wurde schon einmal sexuell belästigt und jede siebte Frau ist von Stalking betroffen. Es sind dunkle Zahlen, auf die der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, der heute stattfindet, hinweisen möchte. Vor allem in den letzten beiden Jahren stiegen auch die Frauenmorde in Österreich wieder an – 2018 wurden 41, 2019 39 Frauen ermordet. Zum Vergleich: 2014 waren es 19 und 2015 17 Morde an Frauen. Dabei bestand beim überwiegenden Teil der Fälle ein Beziehungs- oder familiäres Verhältnis zwischen Opfer und Täter. "Diese Zahlen schwanken immer wieder, es gibt Höhen und Tiefen. Das Problem ist aber, dass die Zahlen seit Jahren schon erschreckend konstant bleiben. Und das trotz der Arbeit, die geleistet wird", meint Michaela Gosch, die Geschäftsführerin der steirischen Frauenhäuser.

Öffentlich machen

Dabei liegt das Problem vor allem in der Gesellschaft. Denn: Gewalt wird auch heute noch in vielen Fällen in den Privatbereich abedrängt. Gosch dazu: "Es ist ein Gesellschaftsthema und es muss auch wie eines behandelt werden." Nicht Wegschauen, sondern Handeln und Helfen – so lautet die Devise. Gewalt gegen Frauen und Mädchen betrift alle, auch jene, die nicht direkt davon betroffen sind. Denn leider kann die beste Freundin, die Cousine oder die alte Schulkollegin darunter leiden. "Zivilcourage ist besonders bei diesem Thema sehr wichtig! Natürlich darf ich mich selbst nicht in Gefahr bringen, aber oft hilft es schon einer Person, beispielsweise in der Bim, zu helfen, sobald mir etwas auffällt", erklärt Gosch.

Erste Anzeichen

Die Geschäftsführerin nennt unterschiedliche Gründe, wieso Frauen oft sehr lange in gewalttätigen Beziehungen bleiben. Vielen fällt es schwer, sich einzugestehen, dass man von Gewalt betroffen ist. Oder dass der eigene Partner/Vater etc. zu so etwas fähig ist. Und dann ist da natürlich auch noch die Scham. "Niemand redet bei einem Kaffee und einem Kuchen mit der Freundin über Gewalt. Viele Frauen suchen das Problem bei sich. Es ist ein sehr schambesetztes Thema", so Gosch. Ganz wichtig ist es, die ersten Anzeichen deuten zu können. Hat man in der Beziehung ein mulmiges Gefühl, schwingt Angst mit, kontrolliert der Partner verstärkt, fühlt man sich nicht wohl oder glaubt, sich verstellen zu müssen, sollten die ersten Alarmglocken schrillen. "Das heißt nicht, dass es eine Gewaltbeziehung ist oder wird, aber bei solchen Anzeichen stimmt etwas nicht und man sollte diese bewusst wahrnehmen und hinterfragen", sagt Gosch.

 

 

 

2019 wurden  in Österreich 19.943 Opfer familiärer Gewalt von den Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut.

Corona und die Frauenhäuser

Auch in den Frauenhäusern spielt das Corona-Virus eine große Rolle. Bereits beim ersten Lockdown war die Befürchtung groß, dass sich die Fälle häuslicher Gewalt steigern würden. Die Zahlen der Frauen, die Hilfe suchten, gingen aber zurück. Gosch: "Ich möchte nicht wirklich einen Zusammenhang zwischen der Pandemie und Gewalt herstellen. Im ersten Lockdown haben sich aber weniger Frauen als vorher gemeldet. Das war ein Paradoxon, damit haben wir nicht gerechnet. Mittlerweile sind die steirischen Frauenhäuser aber wieder über 90 Prozent ausgelastet." Was sie auf jeden Fall merkt: Die Frauen sind durch die Maßnahmen verunsichert. Die Unstabilität in dieser schwierigen Zeit spiegelt sich in allem wieder. "Wir halten die Regeln streng ein und hatten bis jetzt Efolg damit, das Virus aus den Häusern rauszuhalten. Wir sind und bleiben erreichbar und für alle da", versichert sie.

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen

Seit 1981 steht der 25. November im Zeichen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Zahlreiche Institutionen oder Organsiationen, beispielsweise Terre des Femmes, sorgen dafür, dass auf Themen wie Zwangsprostitution, sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung, Sextourismus, häusliche Gewalt, aber auch Beschneidung oder Femizid aufmerksam gemacht wird. Ab dem heutigen Tag werden 16 Tage lang Aktionen stattfinden. Als Kennzeichnung dient die Farbe "Orange". Jedes Jahr werden auch berühmte Gebäude (auch in Österreich!) unter dem Slogan "Orange the World" mit dieser Farbe bestrahlt.

 

Auf der ganzen Welt werden Gebäude orange beleuchtet – und zwar als Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Im Bild: Das Kurhaus in Wiesbaden

Falls Sie betroffen sind, finden Sie hier Hilfe:

Frauen Helpline gegen Gewalt: frauenhelpline.at oder+43 800 222 555 (24h erreichbar)

Onlineberatung und HelpChat "Halt der Gewalt": auf haltdergewalt.at täglich von 15 bis 22 Uhr

Frauenhäuser Steiermark: frauenhaeuser.at oder +43 316 42 99 00 (24h erreichbar)

Gewaltschutzzentrum: gewaltschutzzentrum-steiermark.at oder +43 316 77 41 99

Beratungsstelle TARA: taraweb.at oder +43 316 31 80 77

Frauenberatungs-Hotline des Frauenservice Graz: frauenservice.at oder +43 316 71 60 22 (Mo - FR 9 bis 13 Uhr)

Netzwerk der Steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen: Onlineberatung und Videochat unter netzwrk.beranet.info

 

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