Landesrat Hattmannsdorfer im Talk: 100 Tage im Amt
Weekend: Sie sind ja Vater von zwei Buben und haben das Jugendreferat in Verantwortung. Wie steht es um die Jugend während der Pandemie? Die Jungen wachsen derzeit alles andere als normal auf.
Wolfgang Hattmannsdorfer: Wir haben den dramatischen Befund dass die Zahl der Antidepressiva , die an junge Leute verschrieben werden, um 41 Prozent in der Pandemie zugenommen hat! Das sind extrem alarmierende Zahlen. Wir fokussieren uns derzeit sehr auf die Folgen durch Corona. Da geht es auch um das Thema Ess- oder Schlafstörungen.
weekend: Was meinen Sie mit fokussieren?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Es geht da auch um die Eltern. Oft ist da ein Schamgefühl, wenn man merkt, dass die eigene Tochter nichts mehr isst oder der 15-jährige Sohn ein Problem mit dem Schlafen hat. So etwas kommt in den allerbesten Familien vor. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss. Hier muss man schnell mit Experten in Kontakt treten. Dafür werden wir das Netzwerk der Jugendförderung verstärkt nutzen. Heißt: viele Onlineangebote, Einsatz des schulpsychologischen Dienstes. Beratungsstellen findet man unter www.jugendservice.at.
weekend: Sie sind jetzt 100 Tage als Landesrat im Amt. Nachdem Sie ohnehin davor schon jahrelang als ÖVP Landesgeschäftsführer bzw. als Abgeordneter im Landhaus tätig waren, kennen Sie die Abläufe. Was hat sich aber für Sie geändert?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Es ist schon ein großer Unterschied, ob man als Landesgeschäftsführer die Interessen der Partei im Auge hat, oder als Landesrat quasi die Verantwortung fürs Land hat. Gerade im Sozialressort wo man in einem sehr sensiblen Bereich zuständig ist. Grundsätzlich bin ich gut angekommen. Die ersten 100 Tage waren auch dazu da, um vom ständigen Reagieren zu einer Sozialpolitik zu kommen, die aktiv gespielt wird.
weekend: Müssen wir damit rechnen, dass bald mehr Menschen aufgrund der Pandemie in finanzielle Schieflage geraten?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Ich denke, das soziale Sicherungsnetz war bisher ein sehr gutes. Wir sehen aber beispielsweise im Bereich der „Wohnungsbeihilfe“, die ich ja auch verantworte, dass sich die Zahlen im Jahr 2020 und 2021 nicht so dramatisch entwickelt haben, merken aber derzeit, dass dieses Thema anziehen dürfte. Deshalb wird es auch ein spezielles Unterstützungspaket im Wohnbereich dafür geben.
Die Zahl der Antidepressiva , die an junge Leute während der Pandemie verschrieben wurde, hat um
41 Prozent zugenommen.
weekend: Die große Pflegereform ist schon lange angekündigt. Wann startet sie?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Die Bundespflegereform ist schon seit zwei Jahren ein großer Diskutierclub. Es braucht jetzt schnell Ergebnisse. Der Reformbedarf in der Pflege ist ein gewaltiger. Man kann den Betroffenen im Pflegebereich nicht dauernd sagen: „Bitte warten! Bitte warten!“ Deshalb starten wir einen schnellen Prozess in Oberösterreich, damit die Dinge, die wir selber als Land Oö machen können, möglichst schnell in die Umsetzung kommen. Ich kann einfach nicht mehr zuwarten. Ab März werde ich deshalb einen Fachkräfteprozess im Pflegebereich starten. Beispielsweise geht es darum, wie wir Pflegekräfte gewinnen könnnen. Vor allem wie wir auch junge Menschen gewinnen können. Der Ball ist sicher bei Bundesminister Mückstein.
weekend: Reichen die Fördertöpfe in Ihrem Ressort? Ihre Vorgänger haben oft kritisiert, dass zu wenig Geld im Sozialtopf wäre?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Die Sozialpolitik kann immer mehr Geld brauchen. Es wird nie den Idealzustand geben, wo die Sozialpolitik sagt: „Ja, wir haben genug Geld“. Es ist einfach das Wesen der Sozialpolitik und auch von mir, um jeden Euro zu kämpfen. Aber das Geld muss auch so eingesetzt werden, dass es nicht irgendwo versickert. Das Geld muss zielgerichtet bei denen ankommen, die es brauchen! Das Sozialbudget ist mit einer Steigerung von drei Prozent insgesamt gesehen eines der größten Budgets des Landes Oberösterreich. Jeder zehnte Euro des Budgets in Oberösterreich geht ins Sozialbudget! Das ist meiner Meinung nach ein Zeichen nicht nur für eine starke Standortpolitik sondern auch dafür, dass wir uns zu einer starken Sozialpolitik bekennen.
weekend: Bleibt momentan genug Zeit für ihre beiden Kinder bzw. die Familie?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Es kann immer mehr Zeit sein. Aber ich versuche jene Zeit, die ich zur Verfügung habe, intensiv zu nutzen. Und das ist jeden Tag der Fall, weil meine Kinder die Weckerfunktion haben. Bei uns bestimmt nicht der Wecker, wann wir aufstehen, sondern wenn die Buben sozusagen das Schlafzimmer stürmen. Wir nutzen insbesondere den Morgen dadurch, miteinander zu frühstücken. Am Wochenende starten wir immer eine tolle gemeinsame Aktion.
weekend: Was wünschen Sie sich für das aktuelle Jahr?
Dass wir das nächste Interview ohne das Thema Corona führen können.
Es ist einfach das Wesen der Sozialpolitik und auch von mir, um jeden Euro zu kämpfen.