Interview: AMS-Chef Gerhard Straßer – So viele Jobs gab es noch nie!
Weekend: Trotz Pandemie und Ukrainekrieg haben wir in Oberösterreich niedrige Arbeitslosenzahlen. Wie gut ist die Lage am Arbeitsmarkt wirklich?
Gerhard Straßer: Sehr gut sogar! Wir haben derzeit eine Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent. Wirklich interessant ist aber, dass wir mehr freie Stellen als Jobsuchende in Oberösterreich haben!
Weekend: Von welchen Zahlen sprechen wir hier?
Gerhard Straßer: Wir haben etwa 24.000 Arbeitslose und 34.000 offene Stellen. So etwas hat es in Österreich noch nie gegeben. Der Grund dafür ist einfach: Derzeit brummt die Wirtschaft bis auf wenige Ausnahmen. Es gibt übrigens eine Prognose vom Land Oberösterreich, die besagt, dass wir bis 2030 etwa 129.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigen werden.
Weekend: Bleiben die Arbeitslosenzahlen vorerst niedrig?
Gerhard Straßer: Ich denke, die Zahlen bleiben weiter so stabil bzw. werden sogar noch leicht sinken. Allerdings gibt es einen Unsicherheitsfaktor. Wenn wir nicht genug Gas für die Industrie haben sollten, wären wir in Oberösterreich extrem stark betroffen. Während der Pandemie profitierten wir davon, viel Industrie und weniger Tourismus als andere Bundesländer zu haben. Bei einer Energiekrise wäre das umgekehrt.
Weekend: Wer ist eigentlich besonders von Arbeitslosigkeit betroffen?
Gerhard Straßer: Vor allem jene ohne Ausbildung, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben. In dieser Gruppe liegt die Arbeitslosenrate bei 12 Prozent! Mit Lehrabschluss sind es nur drei Prozent. Daran kann man gut erkennen, wie enorm wichtig Bildung ist, um am Arbeitsmarkt zu bestehen. Hier müssen wir vom AMS besonders den Hebel ansetzen und versuchen, den jungen Menschen einen Lehrabschluss zu ermöglichen.
Weekend: Die derzeitige Inflation hat Auswirkungen auf uns alle. Könnte das nicht zu einem Problem für Arbeitslosengeldbezieher werden?
Gerhard Straßer: Derzeit bekommt man ca. 55 Prozent des Nettogehalts ausbezahlt. Dieses Geld reicht in der Regel nur für kurze Zeit aus, um die Grundbedürfnisse wie Miete, Lebensmittel, Spritkosten oder Bekleidung abzudecken. Die Höhe der Arbeitslose wird aber über den Jahresdurchschnitt des Gehalts errechnet. Eventuelle Lohnerhöhungen zum Ausgleich der Inflation haben demnach kaum Auswirkung auf das Arbeitslosengeld. Es gibt zwar von Bundesminister Kocher eine angekündigte Arbeitsmarktreform, aber die wird wahrscheinlich nicht vor dem 1. Jänner 2023 kommen.
Weekend: Welche Berufssparten haben gute Jobaussichten, was raten Sie jungen Menschen?
Gerhard Straßer: Ganz wichtig: Einen Beruf ergreifen, der die eigenen Interessen abdeckt. Tolle Jobaussichten gibt es in den Bereichen IT, Technik, Gesundheit, Pflege, Soziales oder vor allem auch im Bereich des Handwerks.
ZUR PERSON
Gerhard Straßer stammt aus Ried im Innkreis, war dort schon im AMS tätig. Er lebt in einer Patchworkfamilie und ist seit 2016 Landesgeschäftsführer des AMS in Oberösterreich