Weltmeister durch K.o.? Das gab's auch in der Formel 1 schon!
Jerez 1997: Schumacher rammt Villeneuve
Mit einem Punkt Vorsprung, aber weniger Siegen als Konkurrent Jacques Villeneuve (Williams) kam Michael Schumacher (Ferrari) 1997 zum Saisonfinale nach Jerez - die Ausgangslage war also fast gleich wie jetzt: Wer weiter vorne ins Ziel kommt, ist Champion. Schumacher führte das halbe Rennen vor Villeneuve, bis dieser sich innen vorbeipressen wollte. Reflexartig lenkte Schumi nach innen, rammte Villeneuve, flog dabei aber selber ins Kiesbett und schied aus.
Villeneuve trug das ramponierte Auto auf Platz drei ins Ziel und war Weltmeister, Schumacher wurde für diese grobe Unsportlichkeit von der ganzen Saison disqualifiziert - offiziell ist er also nicht Vize-Weltmeister 1997, sondern punktelos Letzter.
Adelaide 1994: Schumacher rammt Hill
Gleiche Ausgangslage wie drei Jahre später: Schumacher (Benetton) hatte vorm letzten Rennen in Australien einen Zähler Vorsprung auf Damon Hill (Williams). Auch hier führte Schumacher vor Hill, bis der Deutsche kurz vor der halben Renndistanz eine Kurve nicht bekam und die Mauer touchierte. Hill wollte dies nützen, aber Schumi lenkte seinen bereits irreparabel beschädigten Benetton auf Hills Radaufhängung.
Die Konkurrenten kollidierten, beide schieden aus, Schumacher war Weltmeister.
Suzuka 1989 und 1990: Senna und Prost
Im Jahr 1989 eskalierte das McLaren-Stallduell zwischen Alain Prost und Ayrton Senna. Senna war über das Jahr der schnellere, verzeichnete aber zahlreiche technische Defekte. Beim vorletzten Rennen im japanischen Suzuka wusste Prost: Wenn Senna nicht gewinnt, ist Prost Champion. Bis wenige Runden vor Schluss führte der Franzose, ehe Senna einen Überholversuch startete. Prost lenkte seinen Wagen in den des Brasilianers. Dieser fuhr zwar weiter, wurde dann aber disqualifziert, da er zum Weiterfahren fremde Hilfe brauchte. Prost war Weltmeister
Ein Jahr später war die Situation umgekehrt: Senna führte vor dem zu Ferrari gewechselten Prost, und wenn dieser nicht gewinnt, ist Senna Champion. Beim Start in Suzuka zog Prost an Senna vorbei, in der ersten Kurve schoss dieser Prost ab - mit voller Absicht, wie er Jahre später zugab. Mit dem Revanchefoul war der Titel für Senna fix.
Mexiko 1964: Bandini räumt Hill ab und lässt Surtees durch
Auch in der Ur-Zeit der Formel 1 gab es schon mal ein mehr als kontroverses Finish. Damons Vater Graham Hill (BRM) ging als Führender vor John Surtees (Ferrari) und Jim Clark (Lotus) ins finale Rennen in Mexiko. Wer gewinnt, ist Weltmeister. Wenn sowohl Hill als auch Clark ausfallen, reicht Surtees ein dritter Platz.
Clark dominierte das Rennen von Beginn an, während Surtees' Ferrari-Teamkamerad Lorenzo Bandini in der Spitzkehre Hill abräumte und aus dem Rennen nahm. Vor der letzten Runde führte Clark überlegen, während Surtees nur Fünfter war - aber in dieser letzten Runde riss Clark die Öl-Leitung. Bandini bekam das mit, ließ Surtees vorbei. Der Engländer wurde somit Dritter und holte sich den Titel...
...dank seines Teamkollegen, der erst den einen Gegner abschoss und dann seinen Platz herschenkte.
Und 2021?
Wenn man so will, gab es viereinhalb Mal einen Formel-1-Weltmeister durch K.o., vor allem in den 1990ern war das sogar recht häufig. Schumachers formeller nachträglicher WM-Ausschluss 1997 und die Ankündigung der FIA, bei grober Unsportlichkeit auch zwischen Verstappen und Hamilton nicht vor WM-entscheidenden Konsequenzen zurückzuschrecken, sollen eine Entscheidung durch Rammstoß verhindern.
Wie die Sachlage ist, wenn einer der Adjutanten - Bottas bei Mercedes, Pérez bei Red Bull - den jeweiligen WM-Gegner der großen Teamkollegen abräumt, ist aber komplizierter. Ausschließen kann man es nicht. Schließlich ist das Rennen in Abu Dhabi das letzte für Bottas bei Mercedes...
Auch in der Formel E
Dass es am Ende auf die schnellste Runde ankommt, ist übrigens unwahrscheinlich - eine Wiederholung des dramatischen Formel-E-Finales von 2016 machen die Regeln de facto unmöglich. Damals gingen die Ex-F1-Fahrer Sébastien Buemi und Lucas di Grassi punktgleich ins Finale im Londoner Battersea Park. In der ersten Kurve schoss Di Grassi dann Buemi ab, beide waren de facto aus dem Rennen, gingen aber mit großem Rückstand und ohne Chance auf eine Zielankunft auf die Extra-Punkte für die schnellste Runde.
Buemi holte sie, ehe ihm der Strom ausging, und damit auch den Titel. Das ist in der Formel 1 nicht möglich: Da wird der Extra-Punkt für die schnellste Rennrunde nur vergeben, wenn derjenige auch unter den Top-10 ins Ziel kommt...