Fünf Gründe für die gedämpfte Vorfreude auf die Fußball-EM
1. Österreich spielt nicht besonders gut
Vor fünf Jahren war Österreich auf der Welle einer Siegesserie zur EM gefahren, das Spiel war attraktiv, die Erwartungen (zu) hoch. Diesmal spielt Österreich bestenfalls nüchternen Vorsichts-Fußball, zuletzt sogar eher holprigen Rumpel-Kick. So ist bei heimischen Fußballfans die Sorge vor einem sportlichen Reinfall groß und die Aussicht auf den Ärger über schlechte Leistungen verdirbt die Laune. Der einzige Sieg 2021 kam gegen die Färöer-Inseln, in den letzten drei Matches gelang nicht einmal ein Tor.
2. Kein Gastgeberland - kein EM-Flair
"Frankreich, wir kommen!", war 1998 und 2016 der Slogan der Österreicher. Große Turniere wurden stets in einem Land (oder zwei benachbarten Staaten) ausgetragen, das gehört einfach zum Wesen einer EM oder einer WM. Diesmal findet das Turnier in elf Städten von London bis Baku, von Sevilla bis St. Petersburg statt - das hat aber nichts mir Corona zu tun. Es hat sich beim Suchen eines Veranstalters vor neun Jahren nur einfach kein Land gefunden, welches das auf 51 Matches aufgeblähte Turnier 2020 stemmen wollte bzw. konnte. So fliegen die Teams quer durch Europa wie bei ganz gewöhnlichen Länderspielen - da kommt kein Turnier-Flair auf.
3. Begrenzte Zuschauerzahlen
In den letzten 25 Jahren gab es mit wenigen Ausnahmen kein WM- oder EM-Spiel, das nicht restlos ausverkauft war. Die bunten Fangruppen, die sich gegenüber stehen, sorgen für eine bunte Party-Atmosphäre und machen selbst schwache Matches zumindest erträglich. Coronabedingt sind heuer in zehn der elf Stadien lediglich 20 bis 50 Prozent (je nach lokalen Vorgaben) Auslastung erlaubt, nur in Budapest gibt es keine Beschränkungen. Über ein Jahr mit praktisch ausschließlich Geisterspielen in leeren Stadien haben vielen Menschen bereits die Freude am Fußballschauen genommen.
4. Unsicherheit im Vorfeld
Die lähmenden Diskussionen der letzten Monate, ob das Turnier 2021 überhaupt stattfindet und, wenn ja, in welchen Städten sowie die unwürdige politische Feilscherei, wie viele Zuschauer in die Stadien dürfen - all das erweckte den Eindruck, dass man das Turnier um jeden Preis durchdrücken und den Sponsoren möglichst schöne Bilder liefern will, ohne an die Fans zu denken. Denn dass es im Juni die Reisefreiheit für die "normalen" Anhänger nicht auf breiter Basis geben würde, war den Menschen schon im März durchaus klar.
5. Fehlendes Gemeinschaftserlebnis
Seit eineinhalb Jahren vermissen wir es: Das Erlebnis, gemeinsam mit Freunden Fußball zu schauen. Sei es im Wohnzimmer mit Chips und Bier und womöglich einem angeworfenen Grill im Garten, oder beim Public Viewing auf Großleinwänden in den Innenstädten. Vom einst alltäglichen Stadionbesuch mal ganz abgesehen! Dieses Gemeinschaftserlebnis Fußballschauen ist nun zwar bis zu einem gewissen Grad wieder möglich, ist aber nach den Erfahrungen des letzten Jahres sicher noch nicht unbeschwert zu genießen.
Und ohne das Drumherum - die Freunde vor dem TV, die halbleeren Zuseherränge im Stadion und ohne das typische Flair eines großen Turnieres - ist ein Match zwischen Russland und Finnland an einem Mittwoch Nachmittag halt eben doch... eher nur semi-attraktiv.