Sisi-Regisseurin: „Einer Frau wird nicht viel zugetraut“
weekend: Es gab in den letzten Jahren vermehrt Verfilmungen von Sisi. Wodurch hebt sich „Corsage“ von anderen Werken ab?
Marie Kreutzer: Man kennt Geschichten über die Hochzeit, wie Sisi zur Kaiserin wurde und über ihren Tod. Über ihre letzten 20 Lebensjahre wusste ich am wenigsten und darum interessierte es mich am meisten. Es gibt viel Literatur dazu, doch auf der Leinwand wird immer nur die junge Sisi gezeigt.
weekend: Beleuchten Sie in Ihren Werken öfters das Gegenteil der Norm?
Marie Kreutzer: Ja. Ich glaube, dass wir in Filmen und Fernsehserien immer nur einen Ausschnitt der Realität sehen. Ich habe nicht immer den Anspruch, dass es etwas Neues oder Anderes sein muss, aber ich möchte, dass das Menschsein so komplex gezeigt wird, wie es ist. Es gibt nicht nur heterosexuelle Paare und junge, schöne Leute.
weekend: „Corsage“ ist ab sofort in den Kinos zu sehen und für Sie sozusagen abgeschlossen. Wie kommen Sie zu neuen Inspirationen?
Marie Kreutzer: Ich habe immer das Gefühl, dass die Ideen mich finden. Oft bleiben mir Situationen aus dem Alltag hängen und dann spüre ich, dass sie gute Themen für einen Film wären.
Ich möchte, dass das Menschsein so komplex gezeigt wird, wie es ist. Es gibt nicht nur heterosexuelle Paare und junge, schöne Leute.
– Marie Kreutzer
weekend: Auf Instagram setzen Sie sich sehr für Frauenrechte ein. Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?
Marie Kreutzer: Absolut. Ich bin entsetzt, dass Benachteiligung noch immer ein Thema ist. Letztlich geht es nur darum, dass wir Frauen die gleichen Rechte haben – mehr ist es nicht. Es ist traurig, dass wir noch so sehr kämpfen müssen.
weekend: Sie sind die Tochter der steirischen Grünen-Politikerin und Sozialmanagerin Ingrid Lechner-Sonnek. Liegt Ihnen das Soziale im Blut?
Marie Kreutzer: Das politische Bewusstsein meiner Mutter, aber auch meines Vaters, hat in meiner Erziehung sicherlich eine Rolle gespielt. Wir werden alle davon beeinflusst, wie wir aufwachsen. Manche leben die Werte der Eltern weiter, manche wenden sich dagegen.
weekend: Mit der aktuellen MeToo-Debatte beginnt in Österreich ein Nachdenkprozess. Erleben Sie Sexismus in Ihrem Beruf?
Marie Kreutzer: Die Filmbranche ist noch immer sehr männerdominiert. Ich wurde vor allem als junge Regisseurin nicht ernst genommen und musste mir viele Sprüche anhören. Als Frau wird einem nicht viel zugetraut – da gibt es noch viele Hürden. Manche männlichen Kollegen tun sich schwer, dass ich ihre Chefin bin. Mir werden oft Sätze gesagt, bei denen ich weiß, dass sie sowas gegenüber Männern nicht sagen würden. Außerdem wurden bis vor wenigen Jahren nur 20 Prozent der Fördergelder an Frauen vergeben. Mittlerweile ist es besser, aber es ist noch ein weiter Weg zur Gleichstellung.
Letztlich geht es nur darum, dass wir Frauen die gleichen Rechte haben – mehr ist es nicht.
– Marie Kreutzer über Feminismus
weekend: Durch die Pandemie waren die Kinos lange geschlossen und immer mehr Streamingdienst-Anbieter kamen auf den Markt. Wie schätzen Sie die Zukunft der Kinobranche ein?
Marie Kreutzer: Die Branche hat schon seit Jahren Probleme und diese haben sich durch Corona verschlimmert. Viele Leute haben den Weg noch nicht zurückgefunden, obwohl sie früher gerne ins Kino gegangen sind. Ich finde es traurig, weil es eine andere Qualität hat, gemeinsam einen Film in einem großen Saal anzusehen. Ich habe die Hoffnung, dass es als Kulturschiene nicht ausstirbt. Wir gehen beispielsweise noch immer ins Theater, auch wenn man es als altmodisch empfinden könnte. Es ist ein Live-Erlebnis und hat seine eigenen Qualitäten.
weekend: Könnten Sie sich vorstellen, eine Serie zu produzieren?
Marie Kreutzer: Ich habe schon zwei Fernsehserien gemacht und das Großartige daran ist, dass es viel mehr Leute sehen. Aber das Gefühl, wenn ein Film veröffentlicht wird und man zusammen die Premiere erlebt, kann man nicht vergleichen. Für mich ist ein Kinofilm immer die Nummer Eins.