Laurence Rupp: Die geheimen Pläne des "Barbaren"
Am Anfang stehen wie so häufig Probleme mit der Technik. Erst kommt die Zoom-Verbindung nicht zustande, dann reißt sie ab. Daraufhin zieht Laurence Rupp in seiner Berliner Wohnung mit dem Laptop um. Am neuen Platz ist dann der Akku beinah leer. Mit einem angesteckten Kabel kann es losgehen.
Schöne Grüße aus dem 16. Bezirk in Wien nach Berlin!
Ah, im 16. wohne ich in Wien auch, in der Nähe der Ottakringer Brauerei.
Sie sitzen ganz relaxt in Ihrer Wohnung in Berlin Wilmersdorf, und gleichzeitig rollt im Hintergrund eine riesige Welle an Aufmerksamkeit auf Sie zu. 37 Millionen Haushalte haben die Netflix-Serie Barbaren allein in den ersten vier Wochen gestreamt. Ist das zu fassen?
Nein, ich finde es unglaublich. Auch dass die Zahlen besser waren als die von „Haus des Geldes“. Das ist die Serie aus dem europäischen Markt, die weltweit bisher die höchsten Wogen geschlagen hatte. Dass wir in den ersten vier Wochen stärker waren als die, hat etwas Irreales. Wir haben leider keine Premiere haben können, ich erlebe den Erfolg nur virtuell. Ok, ich habe 20.000 Follower auf Instagram dazugewonnen und war auf IMDb (International Movie Database) unter den Top 100 Schauspielern. Aber was fehlt ist natürlich, dass man Leuten begegnet und mit ihnen darüber spricht.
Das ist ja auch erst der Anfang – mit Staffel Eins kommt für Sie alles ins Rollen.
Netflix ist extrem professionell aufgestellt. Die Manpower, die finanziellen Mittel: Ich habe eigentlich zum ersten Mal erlebt, wie PR so richtig gemacht wird. Das ist auch für uns Darsteller toll. Da gibt es bei Netflix jemanden, der uns ständig Fotos und Videos zuschickt: bitte posten, wenn ihr wollt (Weekend empfiehlt: "Das ultimative Bärte-Battle"). Da muss man sich selbst um überhaupt nichts kümmern. Dadurch bekommen die Medien etwas an die Hand und können entsprechend berichten. Netflix ist schon eine ganz eigene Größenordnung.
Sie mussten aber schon auch ein wenig zum Erfolg beitragen: im Dreck robben, mit dem Schwert kämpfen, Latein sprechen …
Stimmt. Ich habe ganz viel Schwerttraining und Pferdetraining gehabt, bin viel ins Fitnessstudio und vor allem zum Cross Fit gegangen. Und ich musste einen Monat zum Lateinunterricht. Ich hatte Latein in der Schule, hab sogar mit einer Hannibal-Übersetzung maturiert.
… und?
"Sehr gut". Ich hatte aber auch Glück mit meiner Professorin, die war sehr daran interessiert, dass wir alle gut durch die Matura kommen.
Wie schwierig war das Lernen und die Aussprache der lateinischen Dialoge?
Die Produktion hat einen Lateinexperten engagiert. Er war mit meiner Aussprache recht zufrieden, sie war wohl sogar authentischer als die des Varus (dargestellt von Gaetano Aronica). Das liegt daran, dass die Italiener dieser Sprache natürlich viel näher sind und dann bei der Aussprache oft auf ihre Intuition zurückgreifen, was aber dann oft nicht stimmt. Ich musste dagegen jedes Wort phonetisch lernen: ist das jetzt adven-tibus oder adventie-bus oder aa-dventibus? In der Schule haben wir es halt irgendwie ausgesprochen. Experten wissen heute aber einiges über die Aussprache, etwa dass Caesar nicht etwa italienisch, also wie Cesare ausgeprochen wird, sonder eher so: Kaisar. Daher auch das deutsche Wort Kaiser.
Wussten Sie immer genau, worum es geht?
Ich habe mir jedes Wort einzeln übersetzen lassen. Ich musste ja wissen, mit welchem Wort gebe ich welche Information preis?
Was waren bei den „Barbaren“-Dreharbeiten die herausforderndsten Szenen?
Von der Physis her das Reiten, die Kämpfe im Schlamm und so weiter, aber vom Kopf her sicher die lateinischen Dialoge. In einer Szene rede ich lange mit meinem Vater, gefühlt eine A4 Seite Text auf Latein. Um das in den Kopf zu kriegen, bin ich wochenlang gesessen. Und am Set ist es dann noch einmal etwas ganz anderes, als es zu Hause aufzusagen. Da kommt wieder soviel auf einen zu. Das war ganz schön knifflig und hat sehr viel Konzentration gebraucht, all das zu spielen, was ich mir vorgenommen hatte, und dazu die vielen Sätze auf Latein zu sagen. Wenn du raus kommst, bist du raus, da kannst nicht anfangen zu improvisieren.
Gedreht wurde in der Nähe von Budapest.
Genau, wir haben in Budapest im Hotel gewohnt und hatten dann immer so eine Stunde, eineinhalb zu fahren. Wir hatten oft Calls um 4 Uhr, 5 Uhr früh. Im Juli, August beginnen die Dreharbeiten an der zweiten Staffel. Wo, weiß ich noch nicht.
Bei meiner Vorbereitung bin ich auch auf folgende Seite gestoßen: 10 Things you didn‘t know about Laurence Rupp.
Aha, nein, kenne ich nicht.
Da heißt es, Sie hätten Angebote aus Hollywood, aber das interessiere Sie nicht.
Aha! So, so! Wo haben Sie das her?
Ich geb’s zu, ich hab Sie gegoogelt.
Also mich würde Hollywood auf jeden Fall reizen. Es ist insofern etwas Wahres dran, ich würde nicht jeden Schaß machen, nur damit ich sagen kann, ich habe in Hollywood gedreht. Aber natürlich würde ich gern mit diesem Teil des Berufs und mit diesen Leuten in Kontakt kommen. Je nachdem, was das für eine Rolle, für ein Drehbuch ist.
Sie sind schon immer Schauspieler, mit elf Jahren zum ersten Mal vor der Kamera gestanden. Politikern wirft man das ja manchmal vor – kennen Sie das „echte Leben“ eigentlich oder leben Sie in einem Elfenbeinturm, umgeben von Kunst und Künstlern?
Ich weiß, was Sie meinen. Ich habe das Andere auch eine Zeitlang gesucht, wollte etwa mit 18, 19 Jahren nicht mehr Schauspieler werden. Ich habe im Einzelhandel gearbeitet und an der BOKU studiert, Umwelt- und Bioressourcenmanagement, mich quasi umgeschaut, wie mein Leben auch aussehen könnte. Mit 23 habe ich mich beim Max Reinhart-Seminar beworben und wurde genommen. Irgendwie hat es mich halt doch in diese Richtung gezogen.
Leben Sie in Berlin in einer Kunst-Bubble?
Überhaupt nicht. Ich bin der einzige in meinem Freundeskreis. Meine Jungs reagieren ganz bodenständig, etwa wenn sie mich auf Netflix sehen, also die heben mich nicht in den Himmel. Hier in Berlin wohnen wir auch nicht in einem hippen Stadtteil, sondern in Wilmersdorf, im Westen. Wir hatten ein faires Angebot für die Wohnung, also haben wir gesagt, na gut, dann nehmen wir die jetzt. Ich lebe hier mit meiner Familie, bin nicht mehr so viel am Ausgehen. Und wenn, dann fahr ich halt dort hin. Langsam vermisse ich es schon, mal wieder fremde Menschen um mich herum. Und ich würde gern in einem Club stehen und laut Musik hören.
Haben Sie in der Coronazeit eine neue Beschäftigung gefunden, wie so viele andere: Brot backen, fermentieren, heimwerken …?
Beim ersten Lockdown hat mich das Sauerteig-Projekt interessiert (lacht), aber das verdammte Roggenmehl war einfach nicht zu bekommen, überall wie ausgebombt. Dann habe ich es auch wieder vergessen. Mit dem Lockdown jetzt tu ich mich irgendwie schwerer. Beim ersten Mal hatte das noch eine gewisse Spannung, da war eine Aufregung dabei, obwohl es natürlich auch schlimm war. Diesmal ist es nur noch anstrengend und zieht einen runter.
Unsere Verbindungszeit läuft gleich ab.
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Okay, weiter geht's. Muss man als ausgebildeter Bühnenschauspieler sozusagen etwas von seinem Handwerk verlernen, sobald man vor der Kamera steht?
Nein. Beide Metiers könnten sich ruhig mehr voneinander abschauen. Das Theater kann vom Film lernen, dass es ruhig auch um Unterhaltung gehen darf und man den Zeigefinger vielleicht auch einmal stecken lässt. Und umgekehrt würde ich mir wünschen, dass im ORF noch mehr Filme mit künstlerischem Anspruch oder auch Kurzfilme gezeigt werden. Grundsätzlich ist ja das, was ich auf der Bühne und im Film tue, wenn wir jetzt vom psychologischen Spiel sprechen, als Vorgang der Gleiche. Nur die Veräußerung dessen ist dann vielleicht eine andere. Beim Film braucht man etwa nur einen Blick und beim Theater eine andere Form.
Was würden Sie am meisten vermissen, wenn Sie im Jahre neun nach Christus leben müssten?
Heizungen. Frieren ist schrecklich. Oder man müsste wohnen, weiß nicht, in Rom oder so, wo der Winter nicht so wild ist, Sizilien. Einen Winter im heutigen Deutschland oder Österreich in solchen Holzhütten auszuhalten, kann ich mir gar nicht vorstellen.
Für die Darstellung eines Wega-Polizisten im Spielfilm Cops haben Sie 2019 verdient die Auszeichnung als Bester Männlicher Hauptdarsteller bekommen. Können wir Österreicher uns Sie nach „Barbaren“ überhaupt noch leisten oder wars das jetzt?
(Lacht): Nein, ich bin ja ein großer Fan unserer Filmbranche, ich mag die Leute, die da arbeiten. Es gibt so viele coole Schauspieler und Regisseurinnen in Österreich, also noch einige, mit denen ich noch zu tun haben möchte. Zum Beispiel Marie Kreutzer, ich habe mit ihr jetzt einen Landkrimi gedreht und mit der muss ich auf jeden Fall noch mehr machen. Auch Barbara Albert würde ich gern einmal begegnen, natürlich Haneke, das wäre auch schön.
Mit Regisseurin Barbara Eder, Sophie Rois als Seherin und Ihnen gab es bei „Barbaren“ ja auch eine starke Österreich-Connection.
Barabara Eder ist auch so eine wirklich coole Frau, hat Power, weiß was sie will, kann ansagen, lässt sich nicht unterkriegen, hat eine Ahnung von unserem Beruf. Mit ihr würde ich ungelesen sofort wieder einen Vertrag unterschreiben.
Das Trio der Hauptdarsteller hat immer noch Kontakt, diesen Eindruck macht es auf Insta und Co. – sind Sie mit Jeanne Goursaud und David Schütter befreundet?
Auf jeden Fall. Die Dreharbeiten bringen einen in fünf Monaten sehr eng zusammen. Man hat irgendwann auch nur einander, die gleichen Arbeitszeiten, die gemeinsamen Trainings, und am Abend sitzt man auch noch zusammen. Wir sind Freunde geworden.
Wie geht es jetzt für Sie weiter, geht in Corona-Zeiten überhaupt Vorsprechen?
Das muss ich alles noch abwarten, nach Österreich kann ich gerade gar nicht oder müsste in Quarantäne. Nach dem 6. Dezember habe ich jedenfalls noch ein Treffen mit einer Regie in Wien. Ich muss ehrlich sagen, bei mir ist im Moment gar nicht so viel los, bin relativ entspannt.
Sie müssen sich jetzt keine Sorgen über künftige Rollen mehr machen, denke ich.
Ja, da wird schon etwas kommen (lacht). Aber ich sitze auch nicht so gern rum. Ich arbeite einfach zu gern. Wenn man mich fragt, einen Monat herumsitzen oder einen Monat drehen, würde ich mich immer für das Drehen entscheiden. Ich könnte das ganz gut durchgängig machen. Das Berliner Ensemble habe ich verlassen, das Fremdbestimmte wurde zu schwierig und zu kompliziert mit den Dreharbeiten. Aber ich hätte in Zukunft wahnsinnig gern Gastrollen am Burgtheater oder am Berliner Ensemble.
Eine Frage, so klassisch wie ein Shakespeare-Stück: Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? In Beverly Hills am eigenen Pool chillend, und zum Geburtstag legt Snoop Dogg auf?
(Lacht): Das sind solche Utopien für mich, so würde ich überhaupt nicht denken. Ich bin schon froh, wenn ich gut von meinem Job lebe, mir Sachen aussuchen und trotzdem sorgenfrei sein kann – das ist Luxus für mich. Auch in Deutschland würde ich gern einen Fuß in die Tür kriegen und da noch mehr spielen. Vielleicht bin ich ja irgendwann einmal Tatort-Kommissar.