Alex Kristan: "Satire ist kein Freibrief"
Er wurde als Stimmenimitator von Heinz Prüller, Niki Lauda und anderen Persönlichkeiten berühmt und macht sich in seinen Bühnenprogrammen gern über Alltagssituation und Kuriositäten lustig. Warum aber klammert er politische Themen aus und gab es schon einmal Ärger mit einem gekränkten Promi? Das und mehr verrät der österreichische Kabarettist im Interview.
weekend Herr Kristan, Sie ziehen auf der Bühne mit Begeisterung Promis durch den Kakao und alltägliche Situationen ins Lächerliche. Wo ziehen Sie persönlich die Grenze?
Alex Kristan: Ich denke, dass Satire frei sein muss, aber kein Freibrief sein darf. Es gibt den Satz von Kurt Tucholsky „Satire darf alles“, der immer wieder als General-Vollmacht für Rundumschläge missverstanden wird, nur um dann bei Gegenwind zu sagen „Das war Satire, das hat man eben auszuhalten“. Ich finde Satire, die viel darf, muss auch viel können. Und sie soll vor allem auf die Mächtigen abzielen und Missstände aufdecken, nicht nach unten treten. Sich hinzustellen und zu sagen „ich bin Satiriker, beleidige und diskreditiere daher nach Lust und Laune und respektiere nichts und niemanden“ halte ich im Jahr 2023 für problematisch. Mir persönlich ist das zu eindimensional.
weekend Gibt es einen Grund, warum Sie politische Inhalte eher vermeiden?
Alex Kristan: Ich kann mich an die Aussage eines ehemaligen Bundeskanzlers erinnern, der gesagt hat: „90 Prozent der Politik besteht aus Inszenierung.“ Ich bin in meinem Job ausreichend mit Inszenierung meiner Programme beschäftigt, als dass ich mich auch noch mit den Tiefen des politischen Theaters auseinandersetzen möchte. Wenn erklärt wird, dass Atomstrom grün ist, oder Fast Food als günstige Ernährungsalternative empfohlen wird, sehe ich für mich keine Möglichkeit mehr für satirische Überhöhung…
Wenn selbst dem Komiker das Lachen vergeht
weekend Es wirkt fast so, als würde Ihnen bei diesem Thema das Lachen vergehen…
Alex Kristan: Mir vergeht das Lachen angesichts der geopolitischen Entwicklungen und Kriegsschauplätzen. Andererseits bin ich jemand, der sehr gerne und auch häufig lacht, das können im Freundeskreis banale Blödeleien sein, aber auch alte Filme mit Peter Sellers als Inspector Clouseau.
weekend Nehmen Sie mit Ihrer Begabung hin und wieder auch privat jemanden auf die Schippe?
Alex Kristan: Ja, das kommt durchaus vor, aber weniger, dass ich mit anderer Stimme jemanden anrufe, sondern eher mit „practical jokes.“
weekend Wie entstehen die Ideen zu den Bühnengeschichten?
Alex Kristan: Ein Teil meiner Programme besteht aus tatsächlich Erlebtem und ein Teil aus erfundenen Geschichten. Welche Nummer aber wo einzuordnen ist, überlasse ich gern der Fantasie meines Publikums.
Midlifecrisis nur auf der Bühne
weekend Ihr aktuelles Programm „50 Shades of Schmäh“ handelt von den Tücken des Älterwerdens. War „Midlifecrisis“ je ein Thema für Sie?
Alex Kristan: Ich merke die Reife des Alters daran, dass 22.00 Uhr das neue Mitternacht für mich wird. Spaß beiseite, ich habe nie groß mit dem Alter gehadert, weil ich mir über Dinge, die ich nicht ändern kann, generell wenige Gedanken mache. Darüber hinaus ist älter werden was sehr Schönes. Vor allem in Anbetracht der Alternative.
weekend Stimmt es, dass Sie eigentlich Profifußballer werden wollten?
Alex Kristan: Ja, mein Traum war es immer mit meinem Lieblingssport als Profi Geld zu verdienen. Gescheitert ist es zum einen sicher am Talent und zum anderen an der Bereitschaft mit 17 Jahren dem Sport alles andere unterzuordnen. Mit meinem heutigen Wissen bin ich aber froh und dankbar, dass alles so gekommen ist.
Ärger mit Hans Krankl
weekend Dafür haben Sie als Stimmenimitator von bekannten Sportlern Karriere gemacht. Hand aufs Herz: Wer ist Ihr Liebling?
Alex Kristan: Meine Lieblingsparodie war immer Niki Lauda, weil er der bekannteste Österreicher war und ihn seine Marke und Charisma sehr parodiefähig gemacht haben. Vor allem aber, weil ich wusste, wieviel Spaß er selbst damit hatte, von mir parodiert zu werden. Er fehlt diesem Land sehr.
weekend Gab es je einen Prominenten, der verärgert auf Ihre Imitation reagiert hat?
Alex Kristan: Hans Krankl hat mich einmal auf mein Video, in dem ich ihn aufgrund seiner damaligen Verhaftung am Stadionparkplatz auf die Schaufel genommen hatte, angesprochen. Er hat gemeint, dass er darüber nicht lachen konnte, weil es ein schwebendes Verfahren war. Ich habe das zur Kenntnis genommen – nur wenn ich als Comedian oder Parodist auf so eine Geschichte nicht reagiere, muss ich meinen Job hinterfragen, zumal ich in diesem Video bewusst drauf Wert gelegt habe, ihn so durch den Kakao zu ziehen, dass er noch schmeckt.
weekend Und gibt es eine Stimme, an der Sie gescheitert sind?
Alex Kristan: Ja, natürlich, das passiert immer wieder. Eine Parodie so zu erarbeiten, dass sie meinem qualitativen Anspruch gerecht wird, hat viel mehr Ebenen als nur die Stimme nachzumachen. Wenn ich trotz des hohen Bekanntheitsgrades einer Person zu wenig differenzierte Grundlagen für das Gesamtkunstwerk einer Parodie vorfinde, lasse ich es lieber.
Fake News und Schönheitsideale
weekend Wie stehen Sie zu Online-Auftritten bzw. zu Präsenz in den sozialen Netzwerken? Lästig und notwendig – oder einfach eine neue Form der Bühne?
Alex Kristan: Ich würde sagen, dass Social Media eine Strömung unserer Zeit ist, der man natürlich durchaus skeptisch gegenüberstehen kann oder sie einfach als Kommunikationskanal nutzt, wie ich das in den Lockdowns getan habe. Da war Social Media meine einzige Bühne zu meinem Publikum. Aber ganz grundsätzlich ist Social Media mit Vorsicht zu genießen. In Zeiten, in denen Fake News schneller verbreitet sind als man sie früher aussprechen konnte, oder angebliche Schönheitsideale bei jungen Menschen Essstörungen bzw. Depressionen hervorrufen und Fotos zigmal mit Filtern versehen und nachbearbeitet werden, gilt es die Sinne zu schärfen, um nicht in eine dopamingesteuerte Gesellschaft, die sich von Like zu Like hantelt, abzudriften.