Corona-Demos: Das Geschäft mit der Wut
Sie brüllen Widerstand, mahnen gegen die Spaltung der Gesellschaft und prangern Profitgier der Reichen und Mächtigen an. Was vielen ihrer Anhänger dabei entgeht: Auch die Querdenker-Gurus cashen in der Corona-Pandemie ordentlich ab. Demo-Merchandise, Web-Shops, Fake-Atteste, Corona-Tourismus, Spendenaufrufe, Bücher, Honorar für Reden: Unter dem Deckmäntelchen des Widerstands scheffelt die Schwurbelszene schönes Geld. Wer sind die Drahtzieher der „Corona-Gegner“, die von der anhaltenden Eskalation profitieren?
Vater der Impfgegner profitiert von Angst
Es ist nicht das erste Mal, dass vermeintliche Heilsbringer Profit aus der Angst der Menschen schlagen. Auch der Vater der Impfgegner – Andrew Wakefield – schrieb sich hehre Motive auf die Fahnen. Aber: Die Studie war manipuliert, der Zusammenhang frei erfunden und Wakefield drauf und dran, eine Alternative zu dem von ihm verteufelten Kombi-Impfstoff patentieren zu lassen. Hätte der Plan geklappt, hätte Wakefield Millionen damit verdient. Seine Zulassung hat der Brite kurz nach Auffliegen des Skandals verloren. Nichtsdestotrotz verdient er sich mit der Angst der Impfskeptiker in den USA als Quacksalber bis heute eine goldene Nase.
Die Gallionsfigur der österreichischen Querdenker
In Österreich werden aktuell Angst und Zweifel im Umfeld der Covid-Proteste zu barem Geld gemacht. Ganz vorne mit marschiert der ehemalige Politiker und Aktivist Martin Rutter. Der Mann mit der bunten Partei-Vita (BZÖ, Team Kärnten, Team Stronach, Grüne) hat bei den Querdenkern eine neue politische Heimat gefunden. Ob Demo in Klagenfurt, Wien oder Braunau: Der Kärntner ist am Start. Die Pressestelle der oberösterreichischen Polizei nennt ihn „Beleg für akkordierten Corona-Demonstrationstourismus“. Ob Berufung oder doch eher Brot-Beruf: Rutter betreibt mittlerweile einen eigenen Webshop für Demo-Merchandise.
Klingende Kasse
Wie freigiebig die Anhängerschaft ist, ist ein (meist) wohlgehütetes Geheimnis. Dass in Demos und vor allem in Spendenaktionen enormes finanzielles Potenzial liegt, hat der deutsche Querdenker-Star Michael Ballweg durchschimmern lassen. Als er 2020 nach einem angeblichen Anschlag auf sein Technik-Team ein Crowdfunding-Projekt startet, kommen innerhalb weniger Tage über 200.000 Euro zusammen.
Eine kleine Spende, bitte
Auch Rutter bittet regelmäßig um Spenden, teils, um seine Anwaltskosten zu decken. Eine Strategie, derer sich auch Demo- und Querdenker-Kollege Hannes Brejcha bedient. „Da ich zunehmend mit falschen Anschuldigungen konfrontiert werde, muss ich mich mittels Anwalt verteidigen! Daher bitte ich Euch, mich mit einer kleinen Spende zu unterstützen! Jeder noch so kleine Betrag hilft mir!“, so Brejcha via Telegram. „Ich weiß natürlich, dass viele von Euch selbst keinen Job haben, bzw. am Existenzminimum nagen, schon eine Zigarette am Tag weniger, würde mir am Ende des Monats helfen!“
Dass gegen den Fairdenker-Gründer ermittelt wird, sollte ihn nicht überraschen. Auf Protestkundgebungen gehen die Brandreden des Einpeitschers regelmäßig über reine Kampfrhetorik hinaus. Abgeordneten, die für die Impfpflicht stimmen würden, richtete der amtsbekannte Rechtsextreme zuletzt von der Bühne weg aus: "Wir werden jeden einzelnen nach Nürnberg 2.0 bringen." Wie es sich für einen anständigen (Hass-)Prediger gehört, lässt er im Anschluss an seine Brandreden regelmäßig den Klingelbeutel bzw. Spendenkübel rumgehen.
Einnahmen auf Demo
Der Polizei ebenfalls kein Unbekannter ist der Linzer Demo-Organisator Florian Ortner. Erst kürzlich hat der Ehrenpräsident des Linzer Gartenvereins eine Anzeige wegen Verstoßes gegen die Covid-19-Bestimmungen kassiert. Ortner betreibt gemeinsam mit Jürgen Lessner die Plattform „Ich denke selbst“, die der Vernetzung von Vereinen dient. Das langfristige Ziel: Bauernhöfe aufkaufen, autarke Wohngemeinschaften gründen, vom Staat unabhängig sein. Corona-Skepsis und Angst vor dem Zusammenbruch bereiten den perfekten Nährboden für das Werben von Anhängern. Daraus, dass er auf den Demos auch Einnahmen lukriert, macht Ortner kein Geheimnis. Dem Aussteiger in Spe zufolge würden diese aber lediglich zur "Deckung der Ausgaben" genützt werden.
„Fahr ma Demo“
Auf der anderen Seite gibt es auch jene, die offen zugegeben, finanziell von den Demos zu profitieren. In der Vergangenheit standen mehrere Busunternehmen in der Kritik, mit Corona-Fahrten ein regelrechtes Business zu betreiben. Einer, davon ist der Busunternehmer Alexander Ehrlich. Er gilt als Organisator der Initiative #HonkforHope („Hupen für Hoffnung"). Aus der offiziellen Telegram-Beschreibung: „Der internationale Verein zur Förderung der Interessen des Busreisegewerbes im Jahr 2020 aus der COVID-19 Krise entstanden. Gemeinsam mit vielen anderen tollen Organisationen zeigen wir Gesicht statt Maske!“
„Querdenker sind Segen“
Die Demonstrationen gegen die Maßnahmen sieht Ehrlich als Geschenk. „Die Querdenker sind ein Segen für die Branche. Sie wollen mit dem Bus fahren, wir brauchen Fahrgäste – das ist eine Win-Win-Situtation“, sagt er in einem Interview mit der deutschen Welt. Wie hoch der Gewinn sein muss, macht eine auf Telegram kursierende Preisliste deutlich. Bis zu viermal über dem marktüblichen Verkehrswert sind die Tickets angesetzt. Dabei könnte einem schon mal das Wort „Wucher“ in den Sinn kommen. Aber was tut man nicht alles, um seine Bürgerpflicht zu erfüllen.
Bühne für Bücher statt Bares
Weniger klar benennen lässt sich der finanzielle Gewinn bei der Autorin und Ex-Beamtin Monika Donner. Auch sie hat es im Zuge der Corona-Krise zu wachsender wie zweifelhafter Bekanntheit geschafft. Bereits vor der Corona-Pandemie ist die Juristin mit eher kruden Ansichten aufgefallen. Einer ihrer „Bestseller“: „Krieg, Terror, Weltherrschaft: Warum Deutschland sterben soll“. Darin stellt sie die These einer „anglo-amerikanischen Globalisisierungsclique, die die Weltherrschaft anstrebt“ in den Raum. Seit Corona widmet sie sich dem Kampf gegen die Pandemie-Maßnahmen. Natürlich auch wieder mit dem passenden Buch: „Corona-Diktatur: Wissen, Widerstand, Freiheit“. Eine ihrer Thesen: Beamte hätten die Pflicht, den Gehorsam zu verweigern. Eine Ansicht, die sie auch auf diversen Demos lautstark als Rednerin vertritt. Ihre Auftritte auf diversen Demos befeuern den Absatz ihrer Bücher – und kosteten sie im Oktober (nach Mahnung, Anzeigen und Disziplinarverfahren) dafür endgültig ihren Job im Ministerium.
Prediger finden Publikum
Nicht immer ist der Profit finanzieller Natur. Aktivisten wie der katholische Fundamentalist Alexander Tschugguel freuen sich über die neu gewonnene Bühne und Becken neuer potenzieller Anhänger. Der katholgische Hardliner hat in der Vergangenheit mit seinen Aktionen für Furore gesorgt. Jetzt nützt der selbsternannte "Vertreter des Kahtolischen Widerstandes" geschickt die Bühne, die ihm Corona und Querdenker bieten. Neben Aktivisten und abstrusen Parteineugründungen (man denke MFG), wissen auch etablierte Parteien die Stimmung aufzuheizen und für sich zu nützen. An vorderster Front: FPÖ-Chef Herbert Kickl. Auf den Kundgebungen begeistert er seine Anhänger und fischt nach neuen Wählern.
Fanshop für Demo-Fashionistas
Kickl kommt selten allein. Um ihn herum hat sich eine Gruppe an Stamm-Demonstranten und Unterstützern gesammelt. Unter ihnen befindet sich auch die Linzerin Edith Brötzner. Brötzner arbeitet für ein Mediennetzwerk, zu dem auch AUF1 gehört. Der Sender hat sich den zweifelhaften Ruf als Ursprung zahlreicher Falschmeldungen und Verschwörungstheorien erarbeitet. Die Medienfrau betreibt zudem einen Fanshop für stylishe Demo-Shirts. Ein Grund mehr, zur emsigen Protest-Teilnahme aufzurufen.