Warren Buffett: Das Orakel von Omaha
Omaha ist die größte Stadt im US-Bundesstaat Nebraska und bekannt vor allem für zwei Dinge: Als Namensgeber für den Landungsabschnitt der Alliierten in Frankreich im 2. Weltkrieg (Operation Overlord) – und als Hauptsitz von Berkshire Hathaway, der Beteiligungsgesellschaft von Warren Buffett. Während des kalifornischen Goldrauschs von 1848 bis 1854 führte die Route der Goldsucher durch Omaha. Heute liegt dort im geografischen Herzen der USA eine der ertragreichsten "Goldminen" und größten Erfolgsgeschichten des modernen Finanzkapitalismus.
Rockstars des Finanzkapitals
Seit 1967 pilgern Anfang Mai tausende Aktionäre in diese amerikanische Provinzstadt, die einwohnermäßig etwa doppelt so groß ist wie Graz. Das Aktionärstreffen ist ein nationales und längst auch ein globales Medienereignis. Coca-Cola, Apple, Heinz Ketchup, Bahngesellschaften, Fluglinien, Ölkonzerne, Banken, Kreditkartengesellschaften und vor allem Versicherungen – vier Fünftel der Erträge stammen aus dem Versicherungsgeschäft. Berkshire ist an mehr als 90 Unternehmen maßgeblich beteiligt und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 280 Milliarden US-Dollar. Der inzwischen 91-jährige Buffett und seine rechte Hand, der um sieben Jahre ältere Charlie Munger, werden von Aktionären, Anlegern und Fondsmanagern dabei gefeiert wie Rockstars. Aufgrund seiner geschickten Anlagepolitik scherzhaft "Orakel von Omaha" genannt, hat Buffett nicht nur viele seiner Shareholder reich gemacht, sondern auch sich selbst. Etwa 16 Prozent der Aktien gehören ihm, was ihn mit einem Vermögen von 129,7 Milliarden US-Dollar zum derzeit fünftreichsten Mensch der Welt macht. Und auch seine Anhänger der ersten Stunde haben im Alter ausgesorgt: Wer im Jahr 1967 tausend Dollar bei Buffett investierte, besitzt heute knapp 30 Millionen. Zwischen 1965 und 2000 erwirtschaftete Berkshire einen jährlichen Zuwachs von 20 Prozent.
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Solides Geschäftsmodell
Kern seines abenteuerlichen Erfolgs ist das Value-Investing, das Buffett als Student von seinem Professor und Mentor Benjamin Graham (1894-1976) übernommen hatte. Die Idee des wertorientierten Ansatzes gleicht dem Kauf von "Zigarrenstummeln": Anleger investieren in Unternehmen, die am Aktienmarkt so unmodern und unterbewertet sind, dass sie "einen letzten Zug" wert sind. Sobald der Kurs steigt, profitieren sie von Zuwächsen. Manchmal steigt der Kurs freilich auch allein deshalb, weil der Investor Warren Buffett heißt. Sein simples Motto: „Ich kaufe Firmen zu einem Preis von 50, wenn sie eigentlich 100 wert sind.“ Für Helmut Nuspl, Leiter der Schoellerbank am Standort Linz, ist Buffet der "Godfather of Investing". "In der Wirtschaftshistorie hat sich gezeigt, dass Substanz und Werthaltigkeit sowie ein solides Geschäftsmodell für den langfristigen Unternehmenserfolg unabdingbar sind – Faktoren, die auch eine stabile und nachhaltige Aktienperformance unterstützen." Nicht kurzfristiger, risikoreicher Kapitalgewinn, sondern langfristig stabile Erträge standen und stehen bei Warren Buffetts Anlagestrategie im Vordergrund. "Mit den genannten wertorientierten Attributen lassen sich wirtschaftlich turbulente Zeiten an den Kapitalmärkten in der Regel besser und vor allem gelassener durchstehen als mit oberflächlichen Ansätzen", erklärt Nuspl den Erfolg von Buffetts Anlagestrategien.
Langfristige Beteiligungen
Allerdings hat das "Orakel von Omaha" in der Nullzinswelt keinen leichten Stand. In seinem letzten Jahresbrief an die Aktionäre erklärte Buffett, er habe sich schwer getan, Unternehmen zu finden, die seinen Kriterien für eine langfristige Beteiligung entsprechen. In Buffetts Firmenkonglomerat haben sich Ende letzten Jahres Cash-Reserven von 144 Milliarden Dollar angesammelt, viel mehr als den Aktionären lieb sein kann. Der Aktienboom ließ Titel wie Tesla mit exorbitanten Bewertungen an Börse abheben – Highflyer, die von Buffett ganz bewusst ignoriert werden. Seit Jahresbeginn ist die Luft bei vielen Tech-Unternehmen entwichen und Buffetts wertorientierter Ansatz hat wieder Konjunktur. In den letzten Wochen kaufte Berkshire für 40 Milliarden US-Dollar zu – unter anderem beim Ölkonzern Chevron und bei Hewlett-Packard. Allerdings spart Buffet nicht mit Selbstkritik wegen verpasster Chancen. Bei Google und Amazon wurden lange Zeit die Potentiale nicht erkannt. "Wir haben es vermasselt", sagt Buffetts Geschäftspartner Charlie Munger.
Man sollte nur in Firmen investieren, die auch ein absoluter Vollidiot leiten kann, denn eines Tages wird genau das passieren!
Bodenständiges PR-Genie
Buffetts Erfolg ist auch seinem PR-Genie zu verdanken, mit dem er das Image vom netten "Onkel Charlie" pflegt. Wie der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter (97) lebt er bodenständig. Luxus lehnt er ab. "Ich kaufe teure Anzüge - sie sehen an mir nur billig aus", lautet einer seiner berühmten Sprüche. Sein biederes Auftreten ist ein Wesensmerkmal von Berkshire. Das Unternehmen ist nach wie vor in einem einzigen Stockwerk in einem unscheinbaren Büroturm von Omaha untergebracht, der den Namen eines anderen Unternehmens trägt. Buffett selbst wohnt in demselben Haus, das er in den 1950er Jahren erworben hat, und arbeitet immer noch am Schreibtisch seines Vaters, eines Börsenmaklers, der später zum Kongressabgeordneten der Republikaner wurde. Seit 1965 steht Buffett an der Spitze von Berkshire und deutete an, dass er es nicht eilig hat, zu gehen: "Ich mache immer noch Überstunden." Bei der Hauptversammlung am 30. April gab es ungewöhnlich viel Gegenwind. Institutionelle Aktionäre wie BlackRock oder Vanguard verlangten mehr Transparenz bei klimabezogenen Risiken in allen Geschäftsbereichen, einen unabhängigen Vorsitz im Verwaltungsrat, und mehr Anpassung an eine sich verändernde Investmentwelt – Stichwort Zinserhöhungen der Zentralbanken und Aufschwung der Kryptowährungen wie Bitcoin. Dank Buffets Stimmrechtsanteil von 32 Prozent und einer Schar äußerst loyaler Einzelaktionäre wurden die Anträge abgelehnt. Und der Starinvestor feuerte gegen Kryptowährungen wieder eine Breitseite ab: "Wenn Sie mir sagen, Sie besitzen alle Bitcoins der Welt und Sie bieten sie mir für 25 Dollar an, dann würde ich sie nehmen", sagte Buffett am Samstag vor seinen Fans. Ansonsten würde er lieber ein Stück Land oder Wohnungen kaufen.
Es ist viel besser, ein hervorragendes Unternehmen zu einem guten Preis zu kaufen als ein gutes Unternehmen zu einem hervorragenden Preis.