Vor- oder Nachteil: Droht das Ende des Bargelds?
Bundeskanzler Karl Nehammer ließ unlängst mit dem Ansinnen aufhorchen, das Recht auf eine Bargeldzahlung in der österreichischen Verfassung verankern zu wollen. Außerdem möchte er in diesem Zusammenhang auch eine Grundversorgung mit Bargeld in einem zumutbaren räumlichen Umfeld jedes Bürgers sicherstellen. Diese Überlegungen schlugen hohe Wellen und dem Kanzler eine mitunter heftige Ablehnung – teilweise sogar aus den eigenen Reihen – entgegen. So erachteten beispielsweise sowohl der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler als auch seine Amtskollegen aus Salzburg und Tirol – Wilfried Haslauer und Anton Mattle – diesen Vorschlag als wenig zweckmäßig sowie überzogen. Da es sich bei diesen Forderungen zudem um ein thematisches Steckenpferd der FPÖ handelt, verstieg sich die Nachrichtenagentur Reuters zu der schrillen These, dass Nehammer rechtsextreme Ideen bediene. Doch warum wohnt der Bargeldfrage ein derart polarisierendes Potenzial inne?
Bargeldland Österreich
Das mag zum einen in dem Umstand begründet liegen, dass Österreich zu den bargeldfreundlichsten Nationen Europas zählt: Laut einer Statistik der Europäischen Zentralbank (EZB) wurden 2022 fast 70 Prozent aller heimischen Finanztransaktionen mit Bargeld abgewickelt. Die Gründe für diese stark ausgeprägte Vorliebe sind mannigfaltiger Natur. 44 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Marketmind – insbesondere jene mit geringem Einkommen – gaben das Einsparen von Gebühren als Hauptmotiv an. Der Generaldirektor der Münze Österreich, Gerhard Starsich, führt zudem den Sicherheits- und Komfortaspekt ins Treffen. Eine Bargeldzahlung laufe nicht Gefahr, von Hackern gekapert zu werden und könne zudem ohne Login-Vorgänge oder Code-Anforderungen durchgeführt werden.
Digitales Schweden
Als drastisches Gegenstück zur österreichischen Mentalität in Zahlungsfragen gilt wiederum der skandinavische Raum. Vor allem in Schweden muss Bargeld schon fast als Rarität angesehen werden. In dem ca. zehn Millionen Einwohner zählenden Land werden nur noch 9 Prozent der Einkäufe im Einzelhandel mit Münzen und Scheinen bezahlt und 16 Prozent der Einzelhandelsunternehmen – mit Ausnahme von Supermärkten – verweigern eine Bargeldannahme sogar gänzlich. Experten führen diese Entwicklung auf die hohe Affinität der Schweden zu neuen Technologien, ihr starkes Vertrauen in (staatliche) Institutionen sowie ihre Liebe zum unbeschwerten Konsum zurück. Der rasante Rückgang des Bargelds ruft jedoch auch Kritiker auf den Plan. Im Lichte des von zahlreichen Cyberattacken flankierten Angriffs Russlands auf die Ukraine stellen sich manche Beobachter beispielsweise die Frage, wie eine Gesellschaft im Falle eines flächendeckenden Strom- oder Internetausfalls ohne Bargeld funktionieren soll. Und auch der für Pensionisten, Menschen mit Behinderung oder Migranten oftmals exkludierende Charakter der Digitalzahlung wird häufig thematisiert.
Datenspuren von Zahlungen
Doch als wie realistisch ist die Gefahr einer Bargeldabschaffung überhaupt anzusehen? Zugegeben, multinationale Technologieplattformen würden davon in erheblichem Umfang profitieren: Wenn jeder Bezahlvorgang eine lückenlos verfolgbare Datenspur hinterlässt, bilden die dadurch gewonnenen Konsumdaten die ideale Basis für zielgenaue personalisierte Werbekampagnen für die gläsernen Kunden. Doch laut eines Passus in dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU sind Euro-Banknoten als einziges gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt und sämtliche Geldleistungspflichten müssen mit Euros zu erfüllen sein. Und selbst der Gesetzesvorschlag zur Einführung des digitalen Euro soll nach dem Willen der EU-Kommission die Rolle des Bargelds absichern, indem er mit einer Annahmepflicht für Bargeld gekoppelt werden könnte. Dass derartige Bemühungen zu begrüßen sind, wusste schon der russische Weltliterat Fjodor Dostojewski, der Bargeld als geprägte Freiheit titulierte. Denn durch ein vollständiges Verschwinden des Bargelds wären auch totalitäre Maßnahmen, wie etwa der Ausschluss einzelner Bürger aus dem Bezahlsystem, nicht mehr vollkommen undenkbar.
Vorteile von Bargeld
- Anonymität: Bargeldzahlungen können nicht von Internetgiganten, Finanzdienstleistern oder Staaten überwacht oder eingeschränkt werden.
- Sicherheit: Über Phishing-Attacken oder Hackerangriffe muss man sich bei Barzahlungen keine Gedanken machen.
- Sparsamkeit: Bargeld wird bewusst ausgegeben, wodurch man einen besseren Überblick über seine Ausgaben behält und seltener zu Impulskäufen neigt.
- Krisensicher: Wenn ein Blackout eintritt oder Cyberangriffe die Telekommunikationsnetze lahmlegen, ist tatsächlich nur noch Bares Wahres.
Vorteile von digitaler Bezahlung
- Erhöhter Komfort: Bezahlvorgänge können rascher abgewickelt und auf das Mitführen von Münzen und Banknoten kann verzichtet werden.
- Multifunktional: Mobile Bezahllösungen lassen sich mit Apps für Rabatte und Treuepunkte sowie Gutscheinaktionen kombinieren.
- Hygiene: Wer auf Bargeld verzichtet, kommt nicht mit den diversen Bakterien und Viren in Kontakt, mit denen die physischen Geldmittel behaftet sind.
- Schonfrist: Einkäufe mit der Kreditkarte werden zu einem späteren Zeitpunkt und in nur einem Betrag abgebucht, was für die nötige Flexibilität für Spontananschaffungen sorgt.