Ukraine gegen Afrika: Precht rechnet im TV Tote vor
Wenn ein Buchautor und Philosoph auf Twitter immer wieder Trend ist (#precht), kann es nicht nur daran liegen, dass er die Haare schön hat. Sondern an seinen Aussagen, die gesellschaftlichen Zündstoff bergen. In der ZDF-Talkshow mit Markus Lanz hat er mit seiner Haltung in der Ukraine-Frage wieder für Kontroversen gesorgt.
Precht im Abseits?
Ende Juni hatte sich Precht mit weiteren Unterzeichnern, darunter Professoren, Wissenschaftler und Autoren, an "den Westen" gewandt. Überschrift des Appells: "Waffenstillstand jetzt!" Die Reaktionen auf Social Media waren zum Teil heftig. Die Berliner Zeitung schrieb etwa, er habe sich ich mit seinen Ansichten zum Krieg in ein "gesellschaftliches Abseits" katapultiert, das den "Sonnyboy der Philosophie wohl selbst verblüfft haben dürfte".
Fanatische Gegner
Bei Lanz vertrat Precht jetzt die These, dass es sich um eine Art Komplott der Medien handle.
Es darf nicht passieren in einer pluralen Demokratie, dass die veröffentlichte Meinung so weit von der öffentlichen Meinung abweicht.
Befürworter von Waffenlieferungen seien weit überrepräsentiert, verglichen mit Verfechtern eines sofortigen Waffenstillstands, die von den Massenmedien"erschossen" würden. Dafür gab es auf Twitter Applaus:
Ungefähr die Hälfe der Bevölkerung in Deutschland ist nach Umfragen der Meinung von #Precht. Trotzdem kommt in der Presse und auch hier in Twitter diese Meinung kaum zu Wort. Sind die Gegner fanatischer oder wird jeder, der diese Meinung vertritt sofort fertiggemacht?
— Rosa Brandt (@rosa3146) July 14, 2022
Talkshow-Gastgeber Markus Lanz ist bekanntlich kein Befürworter des Appells, hält Putin nicht für verhandlungsbereit. Precht schon. Er kritisierte, dass die Europäer im Ukraine-Konflikt sich selbst die Nächsten seien und ihnen die Auswirkungen auf Afrika ganz egal wären. Um seine Haltung zu unterstreichen, rechnete der Philosoph vor:
25.000 Menschen verhungern pro Tag in Afrika. In der Ukraine sind bisher 60.000 Menschen gestorben.
Während Gastgeber Lanz noch versucht, diese Zahl zu hinterfragen und rasch zu einem anderen Punkt zu kommen, bringen Twitter-User die zentrale Aussage Prechts auf den Punkt.
"Man könnte uns einen gewissen Rassismus statt Humanismus nachsagen", kritisierte Precht den derzeitigen Umgang mit dem Kontinent: "Wir erleben Menschen, die in Afrika sterben, nicht so wie Menschen, die in Europa sterben."
— Hilmar Canzeler (@canzeler) July 14, 2022
"Abrissbirnen der Demokratie"
Zahlreiche Tweets gehen allerdings hart mit beiden Meinungsmachern ins Gericht, zuletzt als Reaktion auf ihren gemeinsamen Podcast.
#Welzer und #Precht halten sich für die Guten, sind aber Abrissbirnen der Demokratie: Sie benutzen Querdenker-Sprache, legitimieren Verschwörungsunsinn + beschwören ein imaginäres „Volk“ als Gegensatz zur Elite der Medien. Wahrscheinlich merken die das nicht mal.
— Philipp Kohlhoefer (@kohlhoefer20359) July 8, 2022
Zwei vom gleichen Schlag
Abseits der ernsten Themen sorgte das Auftreten der beiden "Bros" Lanz und Precht auch für einige sarkastische Kommentare in den Medien. "Unterscheiden kann man sie auf den ersten Blick nur an der Frisur und den Schuhen," heißt es da. Oder: "Regelmäßig trifft er (Lanz, Anm.) sich mit Richard David Precht zum beinahe ungesteuerten Gespräch, was dann als Podcast einem geneigten Publikum zugänglich gemacht wird. Nun also der Podcast im Fernsehen. Ja, wenn es denn sein muss?!"