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Gewesssler kündigt an, für das Renaturierungsgesetz stimmen zu wollen.
In Luxemburg bekräftigt Gewessler ihr Vorhaben.
In Luxemburg bekräftigt Gewessler ihr Vorhaben.
ALEX HALADA / APA / picturedesk.com

"Lachnummer Europas": Rat erteilt Nehammer Absage

17.06.2024 um 09:08, Stefanie Hermann
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Der Koalitionskrach hat die europäische Bühne erreicht. Der Rat hat eine klare Positionierung. Gewessler lässt ihren Worten Taten folgen.

Der österreichische Koalitionskrach hat die europäische Bühne erreicht. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) stehen im Zentrum einer hitzigen Kontroverse um das EU-Renaturierungsgesetz. Während Gewessler ihre Zustimmung zu dem Gesetz angekündigt hat, hält Nehammer dies für rechtswidrig. Nicht nur, dass er seiner eigenen Ministerin mit Klage droht, auch auf europäischer Ebene droht er mit Konsequenzen, sollte die Stimme Gewesslers mitberücksichtigt werden. Mittlerweile gibt es erste Statements aus Luxemburg – und Gewessler lässt Taten folgen.

Nehammers Brief an den Ratsvorsitz

Am Sonntagabend hat Bundeskanzler Nehammer den belgischen Ratsvorsitz informiert, dass eine Zustimmung von Klimaschutzministerin Gewessler zur EU-Renaturierung rechtswidrig wäre. Es müsse "bei der bereits gemäß den üblichen Verfahren eingemeldeten Stimmenthaltung Österreichs bleiben", heißt es in der Stellungnahme. Sollte dem nicht so sein, droht Nehammer mit Nichtigkeitsklage beim EuGH.

Absage vom Ratsvorsitz

Auch der belgische EU-Ratsvorsitz kann der Stellungnahme nur wenig abgewinnen – im Gegenteil: "Auf unserer Seite wird vom anwesenden Minister im Raum abgestimmt, so läuft das ab", springt der zuständige belgische Minister Alain Maron von den belgischen Grünen seiner österreichischen Parteikollegin zur Hilfe. Für das Ansinnen Nehammers findet er klare Worte: "Für den Rest ist das eine innerösterreichische Kontroverse, die mich nichts angeht." Man habe dies überprüfen lassen und es sei legal, am Montag eine Abstimmung zum Renaturierungsgesetz abzuhalten.

Gewessler bleibt hart

Auch Gewessler selbst zeigt sich weiter unbeeindruckt von Nehammers Drohung. Weder im österreichischen noch im europäischen Recht gebe es die in Nehammers Brief angesprochene Bevollmächtigung. Einer allfälligen Klage würde sie gelassen entgegensehen. Vor dem Europäischen Rat hat sie ihren Beschluss, für das Gesetz stimmen zu wollen, heute in ihrem offiziellen Redebeitrag bekräftigt. "Ich werde daher vorgehen, wie vorgesehen", sagt sie vor dem EU-Umweltrat in Luxemburg.

Wenig später hat sie mit 19 weiteren Amtskollegen für das Renaturierungsgesetz gestimmt. Das Gesetz wurde damit mit einer qualifizierten Mehrheit vom Rat angenommen. In Österreich sind jetzt die Bundesländer, die für den Naturschutz zuständig sind, am Zug, die Vorgaben umzusetzen.

ÖVP ist erzürnt

Im Bundeskanzleramt pocht man auf die "aufrechte negative Stellungnahme der Bundesländer". Das notwendige Einvernehmen zwischen den betroffenen Bundesministerien fehle. Daher seien, wie in anderen Staaten auch, "die Voraussetzungen für eine Zustimmung zum vorliegenden Entwurf nicht gegeben". Das Einbringen einer derartigen Nichtigkeitsklage müsste laut Bundeskanzleramt durch das zuständige Regierungsmitglied, in diesem Fall wohl Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), erfolgen. Ein Ministerratsbeschluss und damit die Zustimmung der Grünen wäre nicht notwendig.

"Lachnummer Europas"

Die Opposition übt scharf Kritik am öffetnlich ausgefochtenem Koalitionskrach. "Diese Regierung ist nur mehr ein Trauerspiel. Nehammer und Gewessler machen uns zur Lachnummer Europas", so SPÖ-SPÖ-Klimasprecherin Julia Herr, die von "unwürdigen Hick-Hack von ÖVP und Grünen" spricht. "Dass der Kanzler seine eigene Ministerin beim EuGH klagen will, ihr das Stimmrecht im EU-Rat entziehen will, während die belgische Ratspräsidenschaft nüchtern feststellt, dass das gar nicht geht, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten."

Etwas anders sieht man die Sache bei den Freiheitlichen. "Die Ministerin nur für 'nicht bevollmächtigt' zu erklären, ist eindeutig zu wenig", so FPÖ-Chef Herbert Kickl. Er sieht durch das Gesetz die Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln und Landwirtschaft in Gefahr.

 

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