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FTX Crash
Die Kryptobörse FTX musste Insolvenz anmelden.
Die Kryptobörse FTX musste Insolvenz anmelden.
STEFANI REYNOLDS / AFP / picturedesk.com

FTX-Crash: Ist dies das Ende von Krypto?

22.11.2022 um 07:48, Klaus Schobesberger
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Bitcoin & Co sind angetreten, ein besseres, stabileres Finanzsystem zu etablieren als das gegenwärtige. Gekommen ist ein digitales Kasino. Was ist schiefgelaufen?

Vom "König der Kryptowährungen" zum berüchtigten Pleitier brauchte es nur acht Tage. Das mit 32 Milliarden Dollar bewertete Kryptowährungsimperium FTX des 30-jährigen Sam Bankman-Fried ist zusammengebrochen, nachdem das Unternehmen riesige Summen verloren hat und Behörden Ermittlungen eingeleitet haben. Schätzungsweise 1,2 Millionen registrierte Nutzer waren auf FTX unterwegs, um Kryptowährungs-Token wie Bitcoin und Tausende andere zu kaufen. Darunter waren große institutionelle Investoren, Wall Street-Profis und kleine Kryptofans, die mit ihren Ersparnissen zockten. Der Zusammenbruch von FTX ist der bisher schwerste Rückschlag für das große Ziel, mit Kryptowährungen eine alternative Finanzarchitektur aufzubauen, die das System der Banken und Broker, das die heutige Geldwelt dominiert, ablösen könnte. “Diese Pleite hat einen brutalen Preisverfall zur Folge, erschüttert das Vertrauen und macht Investoren nervös”, sagt der Podcaster und Finanzjournalist  Niko Jilch im Interview. 

CHEFINFO: Der Zusammenbruch der amerikanischen Kryptohandelsbörse FTX soll bisher 190 Milliarden Dollar am globalen Kryptomarkt vernichtet haben. Wie konnte das passieren?

Niko Jilch: Im Windschatten von Bitcoin hat sich ein riesiger Sektor entwickelt, in dem sich auch Abzocker, Betrüger und Bauernfänger tummeln. Was wir bei FTX gesehen haben, ist dieselbe Kategorie, wie wir sie bei den großen Betrugsskandalen der klassischen Finanzwelt kennen. Man denke an Namen wie Enron, Bernie Madoff oder zuletzt auch Wirecard.

Das klingt so, als hätte der FTX-Crash mit den Kryptowährungen selbst nichts zu tun?

Jilch: Jein. Der Kryptobereich ist unreguliert und undurchsichtig. Kundengelder können verzockt werden, ohne dass es gleich auffällt. Gäbe es nur Bitcoin, wäre eine Handelsbörse wie FTX niemals so groß geworden. Im Kryptobereich kann jeder seine eigene Coin kreieren, ihr einen Fantasienamen geben, Freunden für einen Cent verkaufen und den Erfolg bewerben, bis der Preis auf einen Euro steigt. Das ist ein klassisches Pump & Dump-Scheme, eine Marktmanipulation, die bei Kryptowährungen laufend zu beobachten ist. Bei Bitcoins ist das nicht möglich, weil deren Anzahl von Anfang an limitiert und nicht zusätzlich erzeugbar ist.

Niko Jilch
Niko Jilch erklärt den Krypto-Crash.

In Anlehnung an die Finanzkrise 2008: Ist das ein Lehman-Moment für die Kryptobranche?

Jilch: Ja. Es ist davon auszugehen, dass mehrere dieser Börsen und andere Projekte innerhalb dieses Bereichs in Schieflage geraten werden. Beschleunigend auf diese Entwicklung wirken die steigenden Zinsen. Das Geld wird knapper gemacht und generell wird Spekulation aus dem Markt genommen. Das trifft alle Risikobereiche an den Finanzmärkten und speziell die Kryptomärkte. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Die Notenbanken springen im Notfall ein und werfen um den Preis der Geldentwertung die Notenpressen an, um die Banken zu retten. Bei Krypto gibt es keine letzte Instanz, die zur Hilfe eilt. Hier wird der Markt gnadenlos arbeiten. Deshalb fliegen viele Buden in die Luft, die nicht damit gerechnet haben, dass die Preise ihrer Krypto-Assets in den Keller rasseln. Es ist nicht das erste Mal, dass in der Kryptowelt derartiges passiert, aber es ist das erst Mal auf diesem Level, auf diesem Geldniveau.

Wer wird von diesem Crash betroffen sein?

Jilch: In erster Linie jene Leute, die auf FTX investiert haben. Sie werden ihr Geld wohl nicht wiedersehen. Dann alle Anleger, die in Bitcoins und Kryptos allgemein investiert sind. Diese Pleite hat einen brutalen Preisverfall zur Folge, erschüttert das Vertrauen und macht Investoren nervös. Hat das auch Auswirkungen auf die normale Finanzwelt? Schwer zu sagen. Es kann sein, dass viele Leute jetzt wieder vermehrt Aktien kaufen werden. Aber dass Banken in Schieflage geraten könnten, ist unwahrscheinlich, dafür ist der Krypto-Sektor zu klein.

Es ist nicht das erste Mal, dass in der Kryptowelt derartiges passiert, aber es ist das erst Mal auf diesem Level, auf diesem Geldniveau.

Jene, die immer schon vor Kryptowährungen gewarnt haben, fühlen sich jetzt bestätigt. Andere wie Sie glauben aber, dass aus den Trümmern des Krypto-Crashs sich nur Bitcoin erheben wird. Warum?

Jilch: Ich vergleiche Bitcoin immer gerne mit Red Bull. Beide waren die ersten ihrer Art und hatten tausende Nachahmer. Am Ende ist Red Bull übriggeblieben. Das Original überlebt, die Nachahmer sind verschwunden. Genauso wird es meiner Meinung nach im Kryptobereich auch passieren. Was wir mit FTX erleben, ist quasi ein Symptom dafür. Da werden viele daran erinnert, dass Bitcoin anders ist als der Rest. Weil ich meine Bitcoin nicht an der Börse liegen habe, sondern in einem Wallet. Ich kann auch bei Bitcoin für nichts garantieren, aber diese Innovation hat sich bewährt. Hab erst vor kurzem mit jemandem gesprochen, der als digitaler Nomade um die Welt reist und Bitcoin als Zahlungsmittel verwendet. Es ist etwas ganz anderes als Krypto.

Changpeng Zhao, kurz CZ, Boss der weltweit größten Kryptobörse Binance, drängt auf Regulierung seiner Plattform. Könnte das den Markt stabilisieren?

Jilch: Das Problem ist, dass FTX-Gründer Sam Bankman-Fried, also jener Mann, der die Gelder seiner Kunden versenkt hat, auch auf eine Regulierung gedrängt hat. Er war der zweitgrößte Spender der Demokratischen Partei in den USA. Er hat vor dem US-Kongress gesprochen, hatte beste Verbindungen zu den US-Behörden, war auf allen Magazin-Covers und wurde gefeiert wie ein Star. Und warum drängte er auf eine Regulierung? Er wollte sein Geschäftsmodell beschützen. Dasselbe versucht nun Binance.

Ist alles schlecht? Wie sieht es in Österreich aus?

Jilch: Nein, weil die deutsche Regulierung immer ein bisschen zu streng war, hat sich in Österreich ein Startup-Sektor mit einigen großartigen Krypto- und Bitcoinfirmen herausgebildet. Bitpanda ist eine der größten Plattformen in Europa, Coinfinity ist einer der ältesten und seriösesten Bitcoinbroker. Österreich hat mit 21Bitcoin aus Salzburg eines der aufregendsten neuen Apps und Blockpit aus Linz ist eine Servicefirma, die wirklich super Arbeit macht und genau das liefert, was sie als Anleger für die Steuererklärung brauchen. In Innsbruck hatten wir im September die größte deutschsprachige Bitcoinkonferenz mit fast 900 Teilnehmern. Es tut sich wahnsinnig viel und auch sehr Positives.

 

Zur Person:

Niko Jilch ist Finanzjournalist mit Fokus auf die Digitalisierung von Geld und Wirtschaft. Mit "Was Bitcoin bringt" betreibt er einen der populärsten Podcasts und YouTube-Kanäle zum Thema Bitcoin. Für den "Brutkasten" ist er als Kolumnist und Moderator tätig. Außerdem schreibt er einen englischsprachigen Newsletter unter dem Titel "Fix the money" und berät Unternehmen und Organisationen rund ums Thema Bitcoin und Krypto. Jilch ist zudem ein gefragter Speaker und Gastautor, sowie wöchentlich beim Nachrichtensender Puls24 zu Gast - als Wirtschaftsexperte.

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