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Politologe Peter Filzmaier und ZIB2-Anchor Armin Wolf
In ihrem Buch "Der Professor und der Wolf" erklären Peter Filzmaier und Armin Wolf das politische System in Österreich.
In ihrem Buch "Der Professor und der Wolf" erklären Peter Filzmaier und Armin Wolf das politische System in Österreich.
Gianmaria Gava/Brandstätter Verlag

Filzmaier und Wolf: "Das ist nahe am Staatsstreich"

11.05.2023 um 11:44, Patrick Deutsch & Stefanie Hermann
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Von Berichterstattung zu Buch und Bestseller: Peter Filzmaier und Armin Wolf im Interview über Verhaberung, Vertrauen und Fairness in Politik und Nachrichten.

Sie sind Österreichs bekannteste Gesichter der Politik-Berichterstattung und haben jetzt gemeinsam ein Buch geschrieben: Peter Filzmaier und Armin Wolf lassen auf ihren Podcast "Der Professor und der Wolf" den erwarteten Bestseller folgen. Im Weekend-Talk sprechen der härteste Interviewer und der pointierteste Erklärer der Nation über Sympathien für Politiker, Parallelen zum Sport und private Treffen.

Erst der Podcast, dann das Buch

weekend: "Der Professor und der Wolf": Wie ist die Idee zu Podcast und Buch entstanden?

Armin Wolf: Der Podcast entstand im letzten Bundespräsidentenwahlkampf. Da haben einige Kandidaten die erstaunlichsten Dinge versprochen, was sie nicht alles an ihrem ersten Amtstag als Bundespräsident machen würden – gerade, dass sie nicht Badewetter für immer und ewig und Freibier für alle versprochen haben. Da dachte ich mir, vielleicht sollte man vor der Präsidentenwahl noch den Menschen erklären, was der Bundespräsident überhaupt tun darf, kann und soll. Also habe ich einen Politologen gefragt, den ich lange und gut kenne und der hervorragend erklären kann, ob wir das nicht machen wollen. Statt einer Folge haben wir dann aber acht gemacht und gleich das ganze politische System in Österreich erklärt.

weekend: Sie geben im Buch quasi eine Anleitung dafür, wie der Bundespräsident den Nationalrat aushebeln könnte. Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario?

Peter Filzmaier: Ich habe die Anleitung nicht gegeben. Die Podcast-Folge ist erst erschienen, nachdem das bereits mehrere Präsidentschaftskandidaten in Interviews als ihr Szenario skizziert haben. Das Auflösen des Nationalrats geht nur auf Vorschlag der Regierung. Und als Präsident diese vorher rauszuwerfen und neue Regierungsmitglieder nur zu ernennen, damit sie ihm die Nationalratsauflösung vorschlagen - das ist nicht Sinn der Verfassung, sondern am Rande eines Staatsstreichs. Da sollte man gerade in Österreich, wenn man irgendwann ein Geschichtsbuch gelesen hat, sehr vorsichtig sein.

Direkte Demokratie und Neutralität

weekend: In Österreich wird immer wieder mehr direkte Demokratie gefordert. Über welche Fragen sollten wir abstimmen lassen?

Peter Filzmaier: Die Argumente gegen direkte Demokratie waren nach dem Zweiten Weltkrieg andere als sie es heute sind. Nach 1945 wollte man nicht ein Volk, das sieben Jahre lang von der Nazipropaganda indoktriniert worden war und in dem es 700.000 NSDAP-Mitglieder gegeben hatte, miteintscheiden lassen. Man kann heute gut argumentieren, dass ab einer bestimmten, allerdings sorgsam zu überlegenden Zahl von Unterschriften, verpflichtende Volksabstimmungen durchgeführt werden sollen. Manche Dinge können nicht Gegenstand der Abstimmung sein, insbesondere nicht die Menschenrechte, also ob wir beispielsweise für oder gegen Folter sind.

Armin Wolf: Ein Beispiel, bei dem für mich unbegreiflich ist, dass das nicht direktdemokratisch entschieden wurde, war 2007 die Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre. Da hat man dem Wahlvolk 25 Prozent seiner Mitbestimmungsmöglichkeiten weggenommen, ohne es zu fragen. Das halte ich persönlich für einen demokratischen Sündenfall.

Viele demokratiepolitische Fragen, auch jene über mehr direkte Demokratie, werden in Österreich nur an der Oberfläche diskutiert.

Peter Filzmaier über politische Debatten

Peter Filzmaier: Viele demokratiepolitische Fragen, auch jene über mehr direkte Demokratie, werden in Österreich nur an der Oberfläche diskutiert. Beispielsweise die Frage worüber soll man abstimmen, in welchen Zeitraum man soll eine Sache mehrmals abstimmen können, genauso wie die Frage, ob es eine Mindestbeteiligung braucht, damit eine Volksabstimmung gültig ist, das wird gar nicht wirklich debattiert. Das ist aber genau das Entscheidende. Man kann für oder gegen ein Berufsheer beziehungsweise allgemeine Wehrpflicht sein. Praktisch kann man es aber da wohl kaum ein Abstimmungsergebnis alle drei Monate wieder zurücknehmen und erneut abstimmen. Man kann auch für oder gegen Neutralität sein. Man kann aber nicht monatlich mittels Volksabstimmung entscheiden, ob man neutral ist oder nicht. All diese Fragen werden nicht einmal diskutiert.

weekend: Gerade bei der Neutralität kommen wir über die oberflächliche Debatte nicht hinaus. Warum ist das so eine heilige Kuh?

Peter Filzmaier: Weil die Neutralität in Österreich idealisierte Verdienste hat und für alles Gute, das jemals passiert ist, verantwortlich gemacht wird. Deshalb greift fast jede politische Partei das Thema nicht mal als heiße Kartoffel an. Schon gar nicht vor Wahlen. Auch jetzt, in einer dramatischen Krisensituation durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, hat sich daran wenig geändert. Der Bundeskanzler hat öffentlich erklärt, dass passt in eine Demokratie eher nicht hin, dass die Debatte damit auch schon wieder beendet ist, wenn er für die Neutralität ist.

>>> Peter Filzmaier: "Neutralität ist ein Mythos"

Buchcover zu "Peter und der Wolf": Peter Filzmaier und Armin Wolf. Der Professor und der Wolf - Das 1x1 der österreichischen Politik
Erst Podcast, dann Buch: "Der Professor und der Wolf" ist Ende März im Brandstätter Verlag erschienen.

Glaubwürdigkeit von Medien und Umfragen

Wenn Sie irgendwo eine Umfrage sehen, bei der die Ergebnisse mit Kommastellen ausgewiesen werden, dann ignorieren.AAr

Armin Wolf über die Glaubwürdigkeit von Umfragen

weekend: Wie sehr kann man Umfragen aktuell eigentlich noch trauen?

Peter Filzmaier: Wenn sie im Rahmen des Beinschab-Tools durchgeführt wurden, gar nicht. Ansonsten sind sie die bestmögliche Annäherung an die Wirklichkeit, wenn sie nach Qualitätskriterien durchgeführt werden, ohne aber die Sehnsucht nach der Kristallkugel zu erfüllen. Auch Medien und Publikum müssen kritisch reflektieren. Medien machen allzu große Schlagzeilen, die sich ausschließlich auf die Sonntagsfrage fokussieren. Aber sie würden sie ja nicht machen, wenn sie nicht beim Publikum irgendwie gut ankommen kommen.

Armin Wolf: Ich habe einen ganz simplen praktischen Tipp: Wenn Sie irgendwo eine Umfrage sehen, bei der die Ergebnisse mit Kommastellen ausgewiesen werden, dann ignorieren.

weekend: Wie viel Glaubwürdigkeit haben Medien in den vergangenen Jahren eingebüßt?

Armin Wolf: Für mich hat die Zeitung Österreich durch das Beinschab-Tool überhaupt keine Glaubwürdigkeit eingebüßt, weil ich vorher schon nichts geglaubt habe, was da drinstand – außer vielleicht das Datum auf der Titelseite und da war ich mir nicht immer sicher. Inseraten-Korruption, Beinschab-Tool, bestellte Umfrageergebnisse und ähnliche Dinge haben nichts, aber wirklich gar nichts mit seriösem Journalismus zu tun. Dass wir da jetzt alle in Geiselhaft genommen werden, weil einzelne Boulevard-Verleger den Hals nicht vollkriegen, ist ein Problem. Aber, es ist ja nicht nur das, sondern eine toxische Mischung in den letzten Jahren: die Debatte über die Flüchtlingswelle 2015/16, die Berichterstattung danach und vor allem die ganze Pandemie-Diskussion, die dazu führt, dass ein erstaunlich und erschreckend großer Teil der Bevölkerung eine sehr große Skepsis gegenüber Medien hat, die auf eine sehr ungerechte Weise pauschal ist. Natürlich gibt es in Österreich sehr viel seriösen Journalismus, der übrigens unter riesigem ökonomischen Druck steht.

ZIB2-Anchor Armin Wolf und Politologe Peter Filzmaier
"Der Professor und der Wolf": Ein Podcast, der zum Bestseller wurde.

Verhaberung zwischen Politik und Medien

weekend: Ein Vorwurf ist immer wieder die Verhaberung zwischen Medien und Politik. Wieviel Distanz brauchen Journalisten zur Politik?

Armin Wolf: So viel Distanz, dass sie unbefangen und kritisch über alle gleichermaßen berichten können und so viel Nähe, dass man trotzdem was erfährt.

Peter Filzmaier: Wie soll zum Beispiel ein Lokaljournalist den Kontakt und die Nähe zum Bürgermeister vermeiden? Man trifft sich ja regelmäßig vom Kirtag über das Wirtshaus bis zum Sport- oder Blasmusikverein. Aber in der Theorie ist nichts einfacher, als das von einer Verhaberung zu trennen.

Wie kann ich denn ausreichend Distanz haben, wenn ich gemeinsam auf Urlaub bin?

Peter Filzmaier über nötige Distanz

weekend: Haben Sie schon mal einen persönlichen Kontakt bewusst nicht intensiviert, damit das nicht passieren kann?

Armin Wolf: Ich habe keine privaten Kontakte mit Politikern, über die ich berichte. Ich spreche mit ihnen entweder im Studio oder treffe sie gelegentlich bei Hintergrundgesprächen. Ich lade aber keine Politikerinnen zu mir nachhause ein, ich fahre nicht mit ihnen auf Urlaub oder gehe mit ihnen ins Kino.

Peter Filzmaier: Genau das Gleiche gilt für Politikwissenschaftler. Wie kann ich denn ausreichend Distanz haben, wenn ich gemeinsam auf Urlaub bin?

weekend: Duzen zwischen Journalisten und Politikern OK oder ein No-Go?

Armin Wolf: Das muss jeder für sich entscheiden. Ich bin viel lieber per Sie, war aber mit fünf oder sechs Politikern schon per Du, bevor sie Politiker geworden sind. Da ist es dann auch schwierig, wieder zum Sie zu wechseln. Christian Kern zum Beispiel habe ich vor 30 Jahren als jungen Pressesprecher kennengelernt. Und mit dem Vorarlberger Landeshauptmann Wallner habe ich vor fast 40 Jahren studiert.

Peter Filzmaier: Genau dasselbe bei mir. Es gibt einige Politiker, die ich duze. Praktisch alle, weil sie bei mir oder mit mir studiert haben. Einem Ex-Studienkollegen oder Ex-Studenten das Duwort wieder zu entziehen, nur weil er jetzt Politiker ist, das wäre seltsam. Aber es ist auch klar, dass es da nur noch beruflich-professionellen Kontakt gibt – egal, ob man per Du oder per Sie ist.

Ein Arzt im Krankenhaus behandelt uns hoffentlich alle gleich gut, obwohl wir ihm nicht alle gleich sympathisch sind. Das muss ich als Politikwissenschaftler genauso ausblenden können.

Peter Filzmaier über Sympathien

weekend: Auch ungeachtet von Sympathien?

Peter Filzmaier: Man muss es in nahezu jedem Beruf schaffen, alle gleich zu behandeln. Ein Arzt im Krankenhaus behandelt uns hoffentlich alle gleich gut, obwohl wir ihm nicht alle gleich sympathisch sind. Das muss ich als Politikwissenschaftler genauso ausblenden können.

Armin Wolf: Wenn es mir gesundheitlich nicht gut geht und ich in die nächste Praxis gehe, dann hoffe ich, dass der Arzt oder die Ärztin dort mich so gut behandeln, wie sie nur könnenVöllig egal, ob sie meine Arbeit ZIB 2 mögen oder nicht, oder mich sympathisch oder nicht so sympathisch finden. Wenn sie das nicht trennen können, dann sollten Sie nicht Ärztin oder Arzt werden und mir geht es im Job ganz genauso. Ich operiere, was kommt.

ZIB2-Anchor Armin Wolf und Politologe Peter Filzmaier
Armin Wolf und Peter Filzmaier sind Österreichs bekannteste Gesichter der Politik-Berichterstattung.

Warum Armin Wolf so stark polarisiert

weekend: Herr Wolf, können Sie uns erklären, warum Sie so stark polarisieren?

Armin Wolf: Weil ich im Schnitt vor 700.000 Menschen arbeite. Sie können nichts, wirklich gar nichts vor so vielen Menschen machen, das alle gut finden. Um zwei extreme Beispiele zu nennen: Ich könnte in der Sendung hunderttausend Euro an die Caritas spenden, dann würden das viele Leute toll finden, aber es würden auch viele Leute für eine unsympathische Angeberei halten. Und würde ich mitten in der Sendung auf den Moderationstisch steigen, die Hose runterlassen und ein Geschäft verrichten, würden 95 Prozent der Menschen völlig zu recht mailen oder posten, dass ich verrückt geworden bin. Aber ich schwöre Ihnen, ich würde auch tausende E-Mails von Menschen bekommen, die mir begeistert schreiben: „Endlich traut sich mal einer.“

weekend: Sie werden häufig als der härteste Interviewer der Nation bezeichnet. Wird vorab nachgefragt, wer an dem Abend moderiert?

Armin Wolf: Wir haben nicht den Eindruck, dass sich Zu- oder Absagen nach der Person des Interviewers richten. Das wäre auch komisch, weil die Leute, die wir einladen, im Normalfall Medienprofis sind.

weekend: Bei der ehemaligen ÖVP-Generalsekretärin konnte man schon das Gefühl bekommen, dass sie vermeiden möchte, bei Ihnen im Studio zu sitzen …

Armin Wolf: Ja, stimmt. Aber ich habe auch gesagt, dass wir üblicherweise Medienprofis einladen – nicht immer.

>>> Wolf und Sachslehner: Eine angespannte Beziehung

Peter Filzmaier: Also ich hoffe, dass ich in diese Kategorie falle. Ich frage jedenfalls immer wer moderiert, mache meine Zu- oder Absage aber nicht davon abhängig. Ich weiß, dass ich nach dem logischen Politikergast oder mehreren Politikern, die alle absagten, die zweite bis die achte Wahl bin. Was ich aber nicht verstehen kann ist, dass Politiker und Parteien allen Ernstes glauben, sie steigen besser aus, wenn ich sie stattdessen analysiere. Mein Job ist es ja, den Finger auf wunde Punkte zu legen und nicht bejubelnde Presseaussendungen der Partei herunterzubeten.

Was ich aber nicht verstehen kann ist, dass Politiker und Parteien allen Ernstes glauben, sie steigen besser aus, wenn ich sie stattdessen analysiere.

Peter Filzmaier über Absagen in der ZIB2

Warum Armin Wolf so oft unterbricht

weekend: Sie werden auch häufig dafür kritisiert, dass Sie Ihre Interviewpartner unterbrechen.

Armin Wolf: Ich bin grundsätzlich ein sehr höflicher Mensch. Ich unterbreche Gäste nur, wenn sie sehr offensiv meine Frage nicht beantworten, wenn Sie etwas sagen, das objektiv unwahr ist, das man berichtigen muss, oder wenn sie deutlich länger antworten, als es für zehnminütige Interviews einfach die Grundregel ist. Ich bekomme oft Mails, dass im deutschen Fernsehen weniger unterbrochen wird. Dafür gibt es zwei einfache Gründe. Erstens sind dort die meisten Interviews aufgezeichnet, da wird bei uns auch weniger unterbrochen. Zweitens halten sich deutsche Politiker im Normalfall an die Spielregeln und antworten in einem tagesaktuellen Interview nicht über eine Minute lang.

weekend: Warum machen das dann österreichische Politiker?

Armin Wolf: Damit weniger Fragen gestellt werden. Wir stellen in der ZIB 2 ja eher kritischere Fragen und jede Frage stellt potenziell ein neues Problem dar. Je länger geantwortet wird, desto weniger Fragen können wir stellen. Wenn ein Politiker mich dazu zwingt, dass ich ihn 15 Mal unterbrechen muss, stehen die Chancen sehr gut, dass ein Großteil des Publikums das sehr unsympathisch von mir findet und das dem Politiker nützt. Deshalb wird das auch strategisch gemacht.

Peter Filzmaier: Ich kann bestätigen: Antworte auf die Fragen von Armin Wolf und du kommst wunderbar mit ihm aus.

Armin Wolf: Peter Filzmaier wurde glaube ich von mir noch nie unterbrochen und wir haben wirklich sehr viele Interviews gemacht.

Egal, ob Fallrückzieher im Fußball oder der eine Wahlkampf-Gag: Wie viele Fußballspiele haben Sie gesehen, die wirklich durch Fallrückzieher entschieden wurde?

Peter Filzmaier über den einmaligen Wow-Effekt.

Parallelen zwischen Politik und Sport

weekend: Herr Professor Filzmaier, welche Parallelen kann man zwischen Politik und Sport ziehen?

Peter Filzmaier: Der Unterschied zwischen Strategie und Taktik ist wichtig. Taktik ist viel zu oft der einmalige Wow-Effekt. Egal, ob Fallrückzieher im Fußball oder der eine Wahlkampf-Gag: Wie viele Fußballspiele haben Sie gesehen, die wirklich durch Fallrückzieher entschieden wurde? Viel wichtiger ist Strategie. Genauso ist es in der politischen Kommunikation: Die kommunikative Langzeitstrategie ist das Erfolgsgeheimnis.

Egal, ob Fallrückzieher im Fußball oder der eine Wahlkampf-Gag: Wie viele Fußballspiele haben Sie gesehen, die wirklich durch Fallrückzieher entschieden wurde?

Peter Filzmaier über Strategie und Taktik

Die Bedeutung von Social Media für den ORF

weekend: Donald Trump ist das Paradebeispiel, wie man klassische Medien umgehen und nur mit einem Social Media-Auftritt Wahlen gewinnt. Braucht es noch einen öffentlichen Rundfunk oder kann man die Politiker einfach über die sozialen Medien kommunizieren lassen?

Armin Wolf: Umso mehr braucht man doch öffentlichen Rundfunk! Wenn wir davon ausgehen, dass Politiker und Politikerinnen auf ihren eigenen Medien primär interessensgeleitet kommunizieren und dass dort wenig kritisch hinterfragt wird, sie wenig mit Gegenargumenten konfrontiert werden und wenig überprüft wird, umso mehr braucht man doch professionellen Journalismus, der genau das tut. Weil aber professioneller Journalismus durch die Digitalisierung extrem unter Druck gekommen ist und seriöse Medien immer mehr Probleme haben, sich ordentlich zu finanzieren, wird das Modell von öffentlich finanziertem Rundfunk tendenziell noch wichtiger. Das Interessante ist ja, dass wir den öffentlich rechtlichen Rundfunk vor 60 Jahren gegründet haben, weil es zu wenig Kanäle gab. Heute ist das beste Argument für öffentlichen Rundfunk, dass es so unendlich viele Kanäle gibt, von denen kaum wer weiß, warum sie über bestimmte Dinge so oder so berichten. Umso wichtiger, dass es seriösen, öffentlich rechtlichen Rundfunk gibt, wo man weiß auf das, was da berichtet wird, darauf kann man sich verlassen.

weekend: Aber warum sollte man die ORF-Social Media Auftritte öffentlich finanzieren? Reichen nicht Radio und Fernsehen?

Armin Wolf: In Österreich bekommen mehrere Millionen Menschen mittlerweile einen Großteil ihrer Informationen über aktuelle Politik auf diesen Plattformen, vor allem junge Menschen. Dort tummeln sich aber sehr, sehr viele Leute, die interessengeleitete Kommunikation betreiben, die Verschwörungsmythen oder reine Propaganda verbreiten. Gerade dort ist es besonders wichtig, dass es seriöse Information gibt. Und gerade dort kann man damit aber kein Geld verdienen. Das macht es privaten Medien schwer, weil es Geld kostet, aber keines bringt. Der ORF wird öffentlich finanziert und umso mehr, glaube ich, haben wir die Verpflichtung, seriöse, überprüfbare Informationen dorthin zu bringen, wo so viele Leute sind. Wenn dort niemand wäre, müssten wir es nicht tun. Wir haben zum Beispiel sehr bewusst keinen Twitter-Kanal für die Zeit im Bild, weil ich glaube, dass wir die wenigen Ressourcen, die wir haben, viel besser einsetzen können, auf Kanälen, wo richtig viele Menschen sind, wie Facebook, Insta oder Tiktok. Und nicht auf Twitter, wo ohnehin schon sehr viele gut informierte Leute sind und sehr viele Medien und Journalisten.
 

Wolf und Filzmaier: Private Treffen?

weekend: In der Sendung "Willkommen Österreich" haben Sie gesagt, Sie hätte sich noch nie gegenseitig eingeladen. Wird sich das in Zukunft ändern?

Armin Wolf: Es ist wirklich primär ein Terminproblem. Sowohl Peter als auch ich haben relativ intensive Kalender. Trotzdem habe ich Peter in den letzten 25 Jahren auch so öfter gesehen als die meisten meiner anderen Freunde.

Peter Filzmaier: Das grenzt nahezu an eine Fangfrage (lacht). Wenn ich jetzt sage: "Das wird sich nicht ändern und ich lade Armin niemals ein", stehe ich als extrem unhöflich da. Aber ich bin datenorientierter Wissenschaftler und wenn wir jetzt schon einen jahrzehntelangen Datenbefund haben, dass wir nie Einladungstermine gefunden haben, dann lautet die Prognose, dass das auch in Zukunft schwierig werden wird.

Der Professor und der Wolf

Es ist Herbst 2022 und die nahende Hofburg-Wahl wirft Fragen auf. In ihrem Podcast "Peter und Wolf" räumen  Armin Wolf und Peter Filzmaier kurzweilig mit allen Fragen rund um das politische System in Österreich auf: Warum gibt es neun Bundesländer? Was darf der Präsident eigentlich? Und wer ist für die Gurkenkrümmungsverordnung wirklich verantwortlich? Für ihr heuer erschienenes Buch haben sie den Inhalt ergänzt und leicht erweitert - mit Erfolg: Mittlerweile musste bereits nachgedruckt werden.

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