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Jacob Ammentorp Lund / iStock / Getty Images Plus

Zoom-Fatigue... nein danke

12.10.2024 um 00:00, Magdalena M. Fuchs
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Ausgezoomt. Das Reduzieren langer Arbeitswege, sich die Zeit selbst einzuteilen und zeit- und ortsungebunden zu arbeiten, sind wichtige Vorteile von Homeoffice.

Anstatt in aller Herrgottsfrüh aufzustehen, sich mit Hundert anderen durch den Stau zu quälen, um dann in Meetings zu sitzen, die man auch am Telefon hätte abhandeln können: All das muss heute nicht mehr sein. Seit der Corona-Pandemie hat sich das Arbeitsleben deutlich verändert, viele Jobs werden mittlerweile als Hybrid Work ausgeschrieben und immer mehr Menschen arbeiten im Homeoffice oder von unterwegs aus. Dass das nicht nur Vorteile mit sich bringt, zeigen bereits Studien der vergangenen Jahre.

Erschöpft am Bildschirm. Von zu -Hause aus arbeiten bedeutet, per Handy, Tablet oder Laptop ständig mit dem Office verbunden zu sein – hier klingelt es, da kommt eine neue E-Mail, während man gerade im Online-Meeting sitzt. Diese -virtuellen Interaktionen bringen eine -neuartige Herausforderung mit sich: die Ermüdung durch Videokonferenzen, auch bekannt als Zoom- oder Videoconference-Fatigue. Diese Art der Erschöpfung, gekennzeichnet durch ein Gefühl der Müdigkeit und Entfremdung aufgrund von zu langer oder unangemessener videobasierter Kommunikation, war bislang lediglich durch Befragungen und Selbsteinschätzungen untersucht worden. Einem interdisziplinären Forschungsteam der FH Oberösterreich Campus Steyr und der TU Graz ist es 2023 gelungen, die sogenannte Videoconference-Fatigue auch neurophysiologisch nachzuweisen.

Online versus offline. Bei dieser Studie nahmen Probanden an Vorlesungen teil, die sowohl klassisch im Hörsaal als auch videokonferenzbasiert stattfanden. Beide experimentellen Bedingungen wurden im Anschluss miteinander verglichen. Das Forschungsteam hat Ermüdungsparameter neurophysiologisch auf Basis von Elektroenzephalographie (EEG) und Elektrokardiographie (EKG) sowie per Fragebogen gemessen. Damit wurden sowohl objektiv bestimmbare physiologische Parameter als auch subjektive Wahrnehmungen erfasst. Die objektiven Befunde auf der Basis von EEG sowie spezifischer Parameter der Herzratenvariabilität zeigten ebenso wie die subjektiven Wahrnehmungen der Befragten, dass eine 50-minütige video-konferenzbasierte Vorlesung die Studenten signifikant mehr erschöpfte als eine gleich lange Vorlesung im klassischen Format im Hörsaal, wo sich Lehrende und Studierende von Angesicht zu Angesicht treffen.

Und Action! Sich selbst vor der Kamera zu präsentieren und sich beobachtet zu fühlen, ist häufig mit dem Anspruch verbunden, vor anderen ein gutes Bild von sich selbst abzugeben. Sich selbst auf dem Videobild zu sehen, geht mit einer stärkeren Selbstbewertung einher. Beides beansprucht Energie und Aufmerksamkeit, die dann für das virtuelle Meeting nicht mehr zur Verfügung stehen und zur Erschöpfung beitragen. Eine Studie, die bereits 2020 in den USA zum Thema „Zoom-Fatigue“ durchgeführt wurde, zeigt auf: Frauen und neu hinzugekommene Mitarbeiter erschöpfen schneller, wenn die Kamera eingeschaltet ist.

Mentaler Stress vorprogrammiert. Wo früher ein Meeting nach dem anderen im Kalender stand, was auch Ortswechsel nach sich zog und frischen Wind bedeutete – vielleicht eine Fahrt durch die Stadt oder ein kurzer Tratsch mit Kollegen –, erfolgt heute durch einen einfachen Klick. Ein Call folgt auf den anderen und Pausen dazwischen scheinen nicht mehr nötig, man muss nicht mal mehr vom Tisch aufstehen, um die Tür zu öffnen und den Konferenzraum zu wechseln. Alle Personen gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen, überfordert schnell und ständiger, intensiver und unnatürlich naher Augenkontakt tut sein Übriges.

Von Mensch zu Mensch. Zoom-Fatigue tritt vor allem in der Reduktion von Konzentration, in Ungeduld und Genervtsein zutage. Als besonders belastend wird zum Beispiel die fehlende Möglichkeit, non-verbale Sprachinhalte wahrzunehmen, empfunden. Während wir im Konferenzraum, ähnlich wie früher im Klassenzimmer, ein Raunen des Sitznachbarn wahrnehmen, wenn dem Sprechenden nicht zugestimmt wird, fallen diese Feinheiten im Online-Meeting weg. Menschliche Gesten, scherzhafte Bemerkungen und aussagekräftige Mimik gehen bei schlechter Internetverbindung und oft winzigen Bildschirmen schlichtweg verloren.

Kaffee-Tratsch. Obwohl der Chef oder die Teamleiterin Kaffeepäuschen gerne als Zeitverschwendung ansehen, ist genau diese Zeit für soziale Interaktion besonders wichtig und förderlich. Gerade in kreativen Jobs, aber auch für das Teambuilding und das Vertrauen zwischen den Kollegen ist es notwendig, Zeit für persönlichen Austausch zu integrieren. Das kann in der Kaffeeküche, beim Plaudern auf der Terrasse oder während einer ungezwungenen Mittagspause sein. Dieser fälschlicherweis als belanglos eingestufte Smalltalk zwischen Kollegen ist das A und O für eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit, die im Homeoffice zur Gänze auf der Strecke bleibt. Nach dem Telefonat sitzt man wieder alleine an seinem Schreibtisch, braut sich seinen Kaffee in der eigenen Küche und lenkt sich oft mit Social Media oder Hausarbeit ab, statt sich kurz am Gang mit der Kollegin auszutauschen.

Netzwerken ohne Netzwerk? Der soziale Austausch vor, während und nach den Besprechungen fällt bei Zoom-Meetings generell weg. Im Konferenzraum plaudern die Überpünktlichen, es gibt Raum für Persönliches. Im Zoom-Meeting entsteht oft peinliche Stille, während auf die übrigen Teilnehmer gewartet wird, und am Ende der Sitzung genügt ein Klick, man hat sich verabschiedet und ist wieder zurück am heimischen Schreibtisch. Als besonders frustrierend wird eine instabile Internet-verbindung wahrgenommen. Oft wird der Gesprächsfluss gestoppt und es kommt zu Zeitverzögerungen. Von Angesicht zu Angesicht kann man sich gestisch bemerkbar machen, vielleicht sogar freundlich ins Wort fallen, während es im Zoom-Meeting immer wieder zu gleichzeitigen Redeschwällen kommt. Schlechte Tonqualität führt außerdem zu einer erhöhten Anstrengung, um sich zu konzentrieren.

Gesunde Balance. Die wissenschaftlichen Daten der 2023 durchgeführten Studie zeigen auf, dass Videokonferenzen im Vergleich zu persönlichen Gesprächen zu neurophysiologischen Veränderungen führen und nicht nur Müdigkeit auslösen. Die Ergebnisse deuten weiters darauf hin, dass die Nutzung von Videokonferenzen nützlich sein kann, dabei aber keinesfalls auf die Vorteile persönlicher Meetings vergessen werden sollte. Zeitliche Begrenzungen für Meetings sowie Pausen zwischen den Anrufen und in den Sitzungen können sinnvolle Mittel zur Vermeidung von Zoom-Fatigue sein. Eine empathische Moderation der Online-Meetings, die humorvoll alle miteinbezieht und auf das Wohlbefinden der Beteiligten achtet, erzielt außerdem ein besseres (Arbeits-)Klima und eine höhere Aufmerksamkeit. 

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