Self fullfilling Prophecy
Wenn wir beginnen, an das zu glauben, was wir für uns voraussehen oder was jemand anderes voraussagt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es tatsächlich eintritt. Das funktioniert gesamtgesellschaftlich als auch ganz privat. Kennen wir nicht alle dieses Gefühl, wenn wir unser bestes Outfit tragen, die Haare perfekt sitzen, wir uns im Spiegel strahlen sehen und uns einfach umwerfend finden? Dann ist es fast ein Kinderspiel, aus dem Haus zu gehen, vor Energie und Lebensfreude nur so zu strotzen und bei -einem Vortrag, auf der Bühne oder privat alle in den Bann zu ziehen. Wenn man selbst an sich und seine Fähigkeiten glaubt, glauben es scheinbar auch alle anderen.
Kraft der Imagination. Um die selbsterfüllenden Prophezeiungen für sich zu nutzen, kann man ganz aktiv Gedankenfitness betreiben. Indem man sich bewusst an positive Gedanken erinnert und davon ausgeht, dass etwas gut wird, arbeitet man unbewusst in diese Richtung. Das heißt, wenn wir etwas für wahr halten, werden wir so handeln, als ob es wahr wäre und aus einer Vorhersage wird Realität. Das ist eine Art Teufelskreis, sowohl positiv als auch negativ. Prüfungsangst oder Lampenfieber sind typische Beispiele für Erfahrungen, die wir schlecht abgespeichert haben. Um diesen negativen Automatismus zu durchbrechen, sollte man sie durch neue, kleine und erreichbare Ziele ersetzen. Körper und Geist bilden eine untrennbare Einheit – visualisiert man mental, wie man performt, werden im Gehirn Spiegelneuronen aktiviert, die dem Vorgang bei der tatsächlich durchgeführten Aktivität ähneln.
Die Geister, die ich rief. Vorstellungen formen unser Weltbild und das kreiert Gedankenmuster. In der Kognitionspsychologie weiß man, dass die Überzeugung, etwas nicht zu schaffen oder nicht gut genug zu sein, die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man tatsächlich scheitert. Negative Zuschreibungen dieser Art passieren sowohl persönlich als auch für ganze Gruppen. Ein fataler Effekt entsteht. Bei Studien wurde herausgefunden, dass bei Testgruppen, in denen wahllos Schüler ausgewählt wurden, die vermeintlich als besonders begabt galten, diese am Ende des Schuljahres tatsächlich bessere Ergebnisse aufwiesen. Sie wurden besonders gefördert und unbewusst wurde daran gearbeitet, die Erfüllung dieser Prophe-zeiung herbeizuführen. Ein fingierter Stereotyp bewahrheitet sich schlussendlich – nicht, weil er wahr ist, sondern weil die Wirklichkeit dementsprechend beeinflusst wird: eine Self-fulfilling Prophecy.
Selbsteinschätzung. Noch aus der Schule kennen wir das: Den Buben wird eine besondere Fähigkeit in Mathematik und Physik nachgesagt, den Mädchen bei Sprachen und Kunst. Nicht selten bemüht man sich in einem Unterrichtsfach weniger, wenn bereits weniger gute Ergebnisse erwartet werden, man kümmert sich nicht um die Hausaufgaben, ist nachlässig beim Lernen und denkt – aufgrund eines ungerechtfertigten Vorurteils –, dass Frauen beispielsweise in der Mathematik weniger Fähigkeiten hätten. Durch das fehlende Engagement sind die Ergebnisse dann wirklich wie erwartet: negativ. Und der Glaubenssatz hat sich bewahrheitet, womit die falsche Annahme bestätigt wurde und langfristig aus einem Vorurteil „Wahrheit“ wird.
Was wäre, wenn. Auch in der Medizin wird die selbsterfüllende Prophezeiung eingesetzt. Der bekannte -Placebo-Effekt, wo Tabletten ohne Wirkstoff verabreicht werden, um eine erwartete Wirkung auf psychologischem Weg beim Patienten zu erzielen, ist ein Beweis für die Macht der Überzeugung. Bei Placebos spielt das Ritual der Behandlung eine wesentliche Rolle. Studien, in denen Medikamente mit Placebos verglichen werden, weisen darauf hin, wie wesentlich es ist, dass der Patient sich einer seriösen Therapie unterzieht, zu bestimmten Zeiten die Medikation einnimmt, dass bestimmte Prozeduren eingehalten werden und Ärzte sich der professionellen Beratung widmen. All das kann sich tiefgreifend darauf auswirken, wie der Körper die Symptome wahrnimmt, weil man das Gefühl hat, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu bekommen.
Wirtschaftspsychologie. Der 1996 verstorbene Journalist und Spekulant André Kostolany attestierte: Die Börse fuße zu 90 Prozent auf Psychologie. Andere sprechen von 50 bis 70 Prozent. Fakt ist: Sie ist auch dort zu finden, die selbsterfüllende Prophezeiung. Die Werteinstufung eines Gutes basiert keineswegs nur auf rationalen Entscheidungen. Berichten Medien etwa von erfolgreichen neuen Erfindungen, die besonders vielversprechend sind, wird daran geglaubt und es werden daraufhin Aktien gekauft oder ein Vertrauensvorschuss wird gegeben. Letztendlich ist das Produkt auch erfolgreich. Das Wirtschaftssystem folgt schließlich keinem Naturgesetz, sondern sozialen Normen.
Hoch hinaus. Heißt das nun, wenn ich es nur denke, kann ich alles? Nicht ganz, sagen Psychologen – fehlen Talent und realistische Möglichkeiten, dann können auch keine Wunder vollbracht werden. Sportliche Höchstleistungen brauchen beides: körperliche Fitness und mentale Überzeugung. Bin ich noch nie mehr als ein paar Kilometer gerannt, werde ich auch mit dem intensivsten mentalen Training nicht beim Marathon gewinnen. Der Einfluss der Zuschreibungen – kognitiv oder körperlich – darf aber auf keinen Fall unterschätzt werden. Wer mental stark und widerstands-fähig ist, profitiert davon nicht nur gesundheitlich.
Toxic Positivity. Nicht zu verwechseln ist das aktive Nutzen der Self-fulfilling Prophecy mit der toxischen Positivität. Deren Botschaft ist immer die gleiche: Eine positive Einstellung vertreibt negative Gedanken und mit dem richtigen Mindset kann jeder glücklich sein. Wir leben in herausfordernden Zeiten, die Welt verändert sich schnell, neue Technologien, finanzielle Unsicherheiten, kriegerische Auseinandersetzungen, all das trägt zu einer allgemeinen Unzufriedenheit bei. Wer diese negativen Gefühle wegschiebt und sich zwanghaft gute Laune verordnet, ist kein Optimist – den hat die Toxic Positivity erwischt. Wenn man als Person einen Verlust erlebt und die Reaktion der Mitmenschen ist, man solle an etwas Positives denken, ist das nicht hilfreich. In den sozialen Medien findet eine unglaubliche Vereinfachung und Übergeneralisierung von optimistischer Lebenshaltung statt. Negative Gefühle zu erkennen und angemessen damit umzugehen, ist notwendig und hat nichts mit Pessimismus zu tun.
Gedanken teilen. Um die Self-fulfilling Prophecy für sich – ob für die Karriere oder privat – zu nutzen, empfiehlt es sich, sich ein Ziel zu setzen und immer wieder über dieses Ziel zu sprechen und anderen davon zu erzählen. Auf diese Weise denkt man mehr über diese Absichten nach und beeinflusst sich gewissermaßen selbst positiv. Indem man anderen davon berichtet, schafft man auch eine positive Umgebung, in welcher die Prophezeiung gedeihen kann. So ist die Wahrwerdung des Wunsches wahrscheinlicher, als wenn wir niemandem davon erzählen. Wer befördert werden möchte, tut gut daran, sein Interesse am Aufstieg auf der Karriereleiter auch kundzutun. Fazit: Die Kraft der eigenen Gedanken für sich statt gegen sich nutzen!
Begriffsherkunft
Self-fulfilling Prophecy
Den Begriff „Selbsterfüllende Prophezeiung“ schuf der -österreichische Ökonom Otto Neurath im Jahr 1911. Der amerikanische Soziologe Robert K. Merton beschrieb 1948 in einem Aufsatz den Mechanismus der „Self-fulfilling -Prophecy“, einer sich selbst bestätigenden Vorhersage. Wenn eine Person von einer bestimmten Sache glaubt, dass sie wahr ist und eintreten wird, trägt sie durch ihre Handlung und ihr Verhalten dazu bei, dass diese Prophezeiung auch eintritt. Im selben Aufsatz beschrieb Merton auch die selbstzerstörende Prophezeiung, allerdings nur in einer Fußnote.