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Leiden wegen Qualzucht: der Mops
Leiden wegen Qualzucht: der Mops
Alexandr Zhenzhirov/iStock/Thinkstock

Der Hund als arme Sau

26.01.2021 um 19:14, Gert Damberger
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Eigentlich sind "Qualzuchten" ja verboten. Weil das Gesetz aber zahnlos ist, blüht das Geschäft mit den kranken Rassehunden wie eh und je.

Sie röcheln, die Augen tränen und ihre Gelenke sind geschädigt – die Rede ist von sogenannten Qualzuchten. Als Qualzucht bei Hunden bzw. Tieren im Allgemeinen, bezeichnet man Züchtungen von bestimmten Rassen, die ein Leben lang unter zuchtbedingten Merkmalen leiden. Diese sind mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen und andere gesundheitliche Einschränkungen verbunden. Eine weitere Folge dessen ist auch häufig eine enorme Überlastung der Tierheime, da gerade solche Vierbeiner massiv vermehrt werden.

Wenn der Mops "niedlich schnarcht" oder der Dackel auf seinen kurzen Beinen "lustig" durch die Gegend wackelt, erscheint das vielen erstmals harmlos. Doch die Beschwerden der Tiere sind dies keineswegs. Irrationale Zuchtziele haben zu völlig deformierten Körpern geführt. Hunde sind von Qualzuchten am meisten betroffen, weil die Menschen sie wie keine andere Art in erstaunlich vielen Varianten geformt haben.

Suzy Q. hätte diesen Sommer fast nicht überlebt. Große Hitze ist für Hunde generell kein Honiglecken, für Suzy ist sie schlicht lebensgefährlich. Suzy Q. ist ein Mops, der wie viele andere Möpse auch an "Brachyzephalie" ­leidet, an "Kurzköpfigkeit". Möpse wie Suzy haben meist keine Schnauze und keinen Hals und röcheln wie ein schwer erkälteter Mensch. Das rührt von den verkürzten, engen Atemwegen her.

Früher und heute

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Hunde zu bestimmten Zwecken gehalten: Zur Jagd, als Hüte- oder Schlittenhunde oder um verschüttete Lawinenopfer aufzuspüren. Die Idee, Hunde auf ein extravagantes Aussehen oder Schönheit zu züchten, entstand erst vor 170 Jahren. Die Arbeitsfunktion des Hundes war passé. Viel mehr wurde er als Statussymbol gehalten oder um uns Menschen Gesellschaft zu leisten.

Hunderassen, die als Sinnbild für Qualzucht gelten sind beispielsweise:

  • Französische Bulldogge
  • Englische Bulldogge
  • Mops

Auch viele andere beliebte Hunderassen leiden unter Gendefekten.

Hitzschlaggefahr

Weil Hunde ihre Körpertemperatur über Hecheln regulieren und das bei den Kurzköp­figen schlecht funktioniert, riskieren sie bei Temperaturen über 25 Grad einen Hitzschlag. So verbrachte die mit 9,8 Kilogramm leicht übergewich­tige Mopsdame die Monate Juli und August ausschließlich in der klimatisierten Altbauwohnung ihrer Halterin. Fürs Tagesgeschäft musste ein Katzenklo herhalten. Am Ende der Wohnungshaft sah Suzy noch melancholischer als sonst aus – und weiter zugenommen hatte sie auch.

So putzig

Möpse sowie französische und englische Bulldoggen sind meist kurzköpfig, was gewollt ist, weil es sie so knuffig aussehen lässt. Aber auch bei Boston Terriern, Chihuahuas und Pekinesen wird das Kindchenschema bewusst per Zucht verstärkt. Veterinärmediziner und verantwortungsbewusste Kynologen nennen das "Qualzucht", weil die ­Tiere mit gesundheitlichen Problemen leben müssen.

Modetrend Liliput

Brigid Weinzinger von "pro tier", dem Dachverband österreichischer Tierschutzorganisationen, hält alle Hunde mit kleinen Nasen für Ergebnisse von Qualzucht. Und auch alle Rassen, die so klein wie möglich gekreuzt werden. Hunde im Taschenformat, die man im City-Bag mitführen kann, sind seit einiger Zeit der ­letzte Schrei. Ob ein derartiger Liliputhund allerdings ein artgerechtes Leben zu führen imstande ist, darf mit Recht angezweifelt werden.

Rassehunde

Rund eine Million Vierbeiner tummeln sich in Österreichs Haushalten. Davon dürften zwischen 30 und 40 Prozent reinrassig sein, wie Gerald Pötz vom österreichischen Hundehalterverband (ÖHV) schätzt. Auch wenn nicht gerade eine bewusste "Qualzucht" am Werk ist, bei vielen dieser Rassen gibt es mittlerweile Erbkrankheiten als Kollateralschaden des Züchtens. So tendieren Golden Retriever zu Gelenksschäden, Schäferhunde leiden häufig an zu kurzer Lendenwirbelsäule, Dackel bekommen Bandscheibenvorfälle und Dobermänner sind für Herzschwäche anfällig. Bei Labradoren können Epilepsie und Grauer Star auftreten, Berner Sennenhunde neigen zu Krebs, und den Pudeln bereiten die Kniescheiben Probleme.

Schönheitsideale

Für ­Brigid Weinzinger sind die rassetypischen Defekte ­"systembedingt" und oft eine Folge von Inzucht. Bei Wettbewerben würden oft jene Hunde ausgezeichnet, die extreme Merkmale hätten. "In den verschiedensten Heimtierrassen wird auf Schönheitsideale hingezüchtet, die nichts mehr mit einem funktionsfähigen Organismus zu tun haben". Für die Zucht seien diese prämierten Hunde dann heiß begehrt, und die Besitzer könnten sich damit eine goldene Nase verdienen. Der massive Einsatz dieser Zuchtrüden führe zur starken Verbreitung falscher Schönheitsideale und sei zudem schlecht für die Durchmischung des Genpools. Für Weinzinger ist das Erscheinungsbild vieler Heimtierrassen nicht das Resultat einer natürlichen Entwicklung, sondern eine Schöpfung des Menschen. Im Vordergrund dürfe aber nicht ein ­dubioser Rassestandard sein, sondern Gesundheit und Wohlbefinden der einzelnen Tiere. "Wenn das bedeutet, dass man bei manchen Rassen nicht mehr 'reinrassig' weiterzüchten könne, ist das nicht dramatisch", sagt Weinzinger. Längst entstünden ohne Rassen, wie etwa der "Labradoodle" (eine Kreuzung zwischen Labrador und Pudel, die Red.), da wäre eine Kreuzung wie ein Mops-Pudel allemal besser als ein Mops mit chronischer Atemnot.

Die Gesetzeslage

An sich ist laut § 5 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes in Österreich die Ausübung der Qualzucht als Tierquälerei verboten, ebenso wie "Import, Erwerb, Vermittlung, Weiter­gabe oder Ausstellung" von Tieren mit den einschlägigen Merkmalen. Folgende Merkmale sind im Gesetz zur Erkennung untersagter Züchtungen vermerkt:

  • Atemnot
  • Bewegungsanomalien
  • Blindheit
  • Entzündungen der Haut
  • Entzündungen der Lidbindehaut und/oder der Hornhaut
  • Exophthalmus
  • Fehlbildungen des Gebisses
  • Haarlosigkeit
  • Körperformen, bei denen mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass natürliche Geburten nicht möglich sind
  • Lahmheiten
  • Missbildungen der Schädeldecke
  • Neurologische Symptome
  • Taubheit

Zahnlos

Eva Persy von der Tierschutz-Ombudsstelle Wien beklagt die Zahnlosigkeit der Bestimmung. "Es fehlen die Richtlinien für den Vollzug. Das ist so, als würde man zwar 'Rasen' verbieten, aber nicht festlegen, wie schnell Autos im Ortsgebiet oder auf der Autobahn fahren dürfen", kritisiert Persy. Manfred Hochleithner, Präsident der Wiener Tierärztekammer, fordert ein wirk­sames Verbot für die Züchtung von kurzatmigen Möpsen und anderen Rassen mit gewollten Missbildungen. "Tiere leiden zu lassen, damit sie einem Modetrend entsprechen, ist unerträglich", sagt Hochleithner, der darauf hinweist, dass in den USA manche Hunderassen nicht mehr im Flugzeug mitgenommen werden dürften, weil man befürchtet, sie könnten das nicht überleben.

Rückgezüchtet

Die Freunde des Mopses müssen übrigens nicht aus ethischen Gründen ganz auf den gutmütigen Hund verzichten. Es gibt ihn längst auch in einer Variante, die leicht rückgezüchtet ist und die den Tieren genug Luft zum Atmen lässt. "Retro-Möpse" heißen diese Hunde, die in etwa aussehen wie ihre Vorfahren zu Zeiten Bismarcks und Queen Victorias gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Nicht, dass die Nostalgie-Möpse superagil wären. Das ist ein Mops nie. Aber beweglicher und gesünder als "Suzy Q." sind sie allemal.

Die 6 häufigsten zuchtbedingten Merkmale im Überblick

1. Brachy- und Anurien/Verkrüppelung der Wirbelsäule

Hierbei haben die Hunde deutliche Verkürzungen der Schwanzwirbelsäule bis hin zu Stummelschwänzigkeit. Darüber hinaus liegt in einigen Fällen eine Verkrüppelung des Schwanzes (Korkenzieherschwanz, Knickschwanz) vor.

Diese Hunderassen sind häufig davon betroffen:

  • Bobtail (Stummelschwanz)
  • Cocker Spaniel (Stummelschwanz)
  • Dackel (Korkenzieherschwanz, Knickschwanz) 
  • Englische Bulldogge (Korkenzieherschwanz, Knickschwanz) 
  • Entlebucher Sennenhund (Stummelschwanz)
  • Französische Bulldogge (Korkenzieherschwanz, Knickschwanz)
  • Mops (Korkenzieherschwanz, Knickschwanz) 
  • Rottweiler(Stummelschwanz)

2. Chondrodysplasie

Es handelt sich um einen Zwergwuchs mit Verkürzung der langen Röhrenknochen oder Gesichtsknochen – ein (vorprogrammierter) Bandscheibenvorfall. Der Grund: Eine Störung der Knochenbildung mit verfrühtem Wachstumsstillstand. Die Bandscheibenvorfällen führen wiederum zu Lähmungen, starker Schmerzempfindlichkeit und Darmproblemen.

Bei diesen Hunderassen kommt die Chondrodysplasie oft vor:

  • Basset Hound
  • Dackel
  • Französische Bulldogge
  • Pekinese
  • Scottish Terrier
  • Sealyham Terrier
  • Welsh Corgis

3. Dermoid/Dermoidzysten

Dermoid/Dermoidzysten sind Hauteinstülpungen am Rücken, die nach außen geöffnet oder geschlossen sind. In ganz schlimmen Fällen reichen sie bis in den Wirbelkanal hinein. Folgen können Lähmungen der Hinterhand oder Überempfindlichkeiten und Entzündungen im Zentralen Nervensystem sein. Bei Rhodesian Ridgebacks kommen diese Merkmale am häufigsten vor.

4. Haarlosigkeit

Mittlerweile sieht man Nackthunde immer wieder. Es handelt sich dabei um haarlose Defektmutante. In der Regel weisen die Tiere eine Immundefizienz auf und leiden unter einer empfindlichen Haut. Diese Empfindlichkeit äußert sich durch Sonnenbrand, Verletzungen, Fliegenprobleme im Sommer oder Allergien.

Bei diesen Hunderassen vor:

  • American Hairless Terrier
  • Chinesischer Schopfhund
  • Mexikanischer Nackthund
  • Peruanischer Nackthund

5. Hüftgelenksdysplasie

Bei diesem Merkmal haben die Hunde Hüftprobleme und folglich mit Lahmheiten zu kämpfen. 

Die Hüftdysplasie kommt vor allem bei diesen Hunderassen vor:

  • Berner Sennenhund
  • Golden Retriever
  • Rottweiler
  • Schäferhund
Teacup Hund Chihuahua

6. Teacup-Hunde

Teacup-Hunde sind ein relativ neuer Trend. Die Vierbeiner werden extrem klein gezüchtet, sodass sie sozusagen in einen Teepott passen. Für diese Zuchttiere verpaart man oftmals die kleinsten und schwächsten Hunde eines Wurfes. Die Folgen sind dramatisch: Hunde leiden oft unter vielen Krankheiten wie Herzdefekten oder Knochenbrüchen.

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