Interview: Die Kunst, glücklich zu sein
Wie definieren Sie als Neuropharmakologe Glück?
Singewald: Eine Definition ist nicht leicht, auch weil Glück etwas sehr individuelles ist. Es werden aber letztlich neurobiologische Mechanismen angestoßen, das Belohnungssystem wird aktiviert und Botenstoffe werden freigesetzt, die für Wohlgefühl sorgen.
Unseres eigenen Glückes Schmied
Also besitzen wir alle die gleiche Fähigkeit, Glück zu empfinden?
Singewald: Leider nein, das Belohnungssystem funktioniert nicht bei jedem gleich und hängt von genetischen und epigenetischen Faktoren ab. Aber die gute Nachricht ist, wir können selbst trainieren, ob und wie wir Glück empfinden. Wer sich also ständig auf Negatives fokussiert, der stärkt die zuständigen Nervennetzwerke, wer optimistisch ist, stärkt eher die positive Seite und kann so leichter Freude und Glück empfinden.
Warum können wir nicht ständig auf Wolke sieben schweben?
Singewald: Botenstoffe wie Endorphin oder Dopamin können nicht andauernd ausgeschüttet werden, das sorgt dafür, dass Glückszustände von relativ kurzer Dauer sind. Höhen und Tiefen sind aber auch wichtig, um das Gefühl auskosten zu können. Was hingegen länger anhält, dafür aber nicht so intensiv, ist die Vorfreude.
Kann man Glück kaufen?
Singewald: Nein, aber Geld beruhigt bis zu einer bestimmten Grenze. Diese ist auch durch eine Harvard-Studie recht genau festgelegt: 75.000 Dollar. Ab dieser Summe kann man das Wohlbefinden durch mehr Geld nicht mehr steigern. Und man sollte auch bedenken: einige der reichsten Menschen sind tod- unglücklich, einige der Ärmsten durchaus glücklich.
Also ist Glück immer subjektiv?
Singewald: Definitiv. Wenn man ohne Schmerzen aus dem Bett steigt, ist das für die meisten kein besonderes Glücksgefühl. Für jemanden, der wochenlang Schmerzen hatte, hingegen schon.
Meditation & Neues probieren
Kann man seine Fähigkeit, glücklich zu sein, trainieren?
Singewald: Allerdings. Wir haben in einer Studie z.B. die positive Auswirkung von Meditation auf die Neuroplastizität des Gehirns nachgewiesen – das bedeutet, dass sich das Gehirn anpassen und so z.B. besser mit Stressfaktoren umgehen kann. Zudem wurde das Angstniveau vermindert – und Angst ist einer der wichtigsten Gegenspieler des Glücksempfindens. Was auch hilfreich ist: das Belohnungssystem zu füttern und Neues auszuprobieren. Schon Hesse wusste: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Der Schlüssel: soziale Kontakte
Was macht uns nun aber tatsächlich glücklich?
Singewald: Eine Harvard-Studie an ca. 2.000 Teilnehmern hat als wichtigste Faktoren die sozialen Kontakte sowie gute Beziehungen und Bindungen ausgemacht. Viele haben eine falsche Definition von Glück, dass es ein großes Erlebnis sein muss – aber eigentlich geht es auch darum, die kleinen Momente zu sehen und schätzen zu lernen. Es ist wichtig, Glück als solches auch zu erkennen. Und: dem Glück hinterher zu rennen bringt nichts, Glück muss man auch passieren lassen können. Insofern ist man schon auch im wahrsten Sinne des Wortes seines Glückes Schmied.
Gibt es eine Glückspille?
Singewald: Es gibt Drogen, die Glücksgefühle auslösen, aber sie machen allesamt süchtig, sind also nicht empfehlenswert. Besser ist es, z.B. auf Bewegung zu setzen oder eben auf Achtsamkeit.
Stress und Druck steigen in unserer Gesellschaft stetig. Hindert uns das am Glücklichsein?
Singewald: Chronischer Stress auf jeden Fall. Stressresistenz ist etwas ganz wichtiges. Dafür muss man aber auch lernen, mit Stress umzugehen und so die Möglichkeit für Glück zu schaffen. Und man muss auch lernen, mit Reizüberflutung umzugehen. Die vielen Negativ-Schlagzeilen der Medien machen die Sache nicht besser. Daher: Kleine Auszeiten einlegen!
Macht Glücklichsein auch gesünder?
Singewald: Ja, eine groß angelegte Studie in den USA hat gezeigt, dass Menschen bei ähnlichem Stress mit positiver Herangehensweise eine wesentlich niedrigere Mortalität aufwiesen. Auch Heilungsprozesse werden beschleunigt.
Unser Experte
Der Neuropharmakologe und Angstforscher arbeitet an der Universität Innsbruck. Er hat u.a. im Team eine Studie dazu veröffentlicht, wie Meditation das Gehirn verändert: Der Denkapparat der Probanden hat sich neu vernetzt, was dabei helfen kann, anders auf Reize zu reagieren und Krisen besser zu bewältigen.